Abschaffung des Wahlrechts: Abhilfe

24.02.2010  — Dirk J. Lamprecht.  Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.

Die im BilMoG vorgesehene Abschaffung des Wahlrechts zur Bildung von Aufwandsrückstellungen nimmt HGB-Bilanzierenden die Möglichkeit zur Aufwandsperiodisierung für ausstehende Überholungen oder Reparaturen. Der Komponentenaufsatz aus den internationalen Standards könnte hier Abhilfe schaffen.

Die Idee

Im Regierungsentwurf zum BilMoG (Mai 2008) heißt es: "Ziel des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes ist es daher, das bewährte HGB-Bilanzrecht zu einer dauerhaften und im Verhältnis zu den internationalen Rechnungslegungsstandards vollwertigen, aber kostengünstigeren und einfacheren Alternative weiter zu entwickeln, ohne die Eckpunkte des HGB-Bilanzrechts - die HGB-Bilanz bleibt Grundlage der Ausschüttungsbemessung und der steuerlichen Gewinnermittlung - und das bisherige System der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung aufzugeben."

Daher "…sind die Bestrebungen darauf ausgerichtet, den Mitgliedstaaten durch eine Öffnung der Bilanzrichtlinie, der Konzernbilanzrichtlinie, der Bankbilanzrichtlinie und der Versicherungsbilanzrichtlinie eine moderate Annäherung ihres nationalen Bilanzrechts an die IFRS zu ermöglichen."

Zu der Regelung des § 249 Abs. 2 HGB heißt es weiter: "…darüber hinaus wird auch die Ertragslage verfälscht. Die Zuordnung von Aufwendungen erfolgt nicht periodengerecht. Mit der Aufhebung des § 249 Abs. 2 HGB wird also das Informationsniveau des handelsrechtlichen Jahresabschlusses verbessert."

Im Ergebnis kann auf die IFRS zurückgegriffen werden, sofern die Informationsvermittlung verbessert wird. Der Gesetzgeber stützt seine Reform auf diese Regelungen.


Die Gesetzliche Änderung

Damit soll das Ziel der Informationsniveau-Anhebung verfolgt werden. "Information" bedeutet damit die Darstellung der tatsächlichen Vermögens-, Finanz-, und Ertragslage des Unternehmens. Gerade die Bildung von Aufwandsrückstellungen i.S.d. § 249 Abs. 2 HGB a.F. führte zu einer irreführenden Darstellung der Vermögenslage. Dies bedeutete, dass diese Aufwandsrückstellungen Gewinnrücklagencharakter hatten. Die Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten wurden mit Hilfe der Abschreibungen über ihre Nutzungsdauer verteilt und zusätzlich kam es durch die Aufwandsrückstellung zur Ansammlung von zukünftig zu erwartendem Instandhaltungsaufwand.

Die Regelungen der IFRS kennen solche Aufwandsrückstellungen (Innenverpflichtungen) nicht. Vielmehr liegt eine Verpflichtung nach IAS 37.20 nur dann vor, wenn diese Verpflichtung eine andere Partei betrifft.

Aus diesem Grund hat der deutsche Gesetzgeber diese Sichtweise übernommen und die Aufwandsrückstellungen i.S.d. § 249 Abs. 2 HGB aus dem Gesetz verbannt.

Folglich wird das handelsrechtliche Ergebnis höher ausfallen, Gewinne werden ausgeschüttet, obwohl für die Zukunft eine Liquiditätsvorsorge für die Instandhaltungen zu treffen ist. Diese könnte über einen Gesellschafterbeschluss errecht werden - jedoch nur, wenn der Gesellschafter langfristige kaufmännische Investitionsinteressen verfolgt.


Die Lösung

Nach IAS 16.43f. kommt es zum sog. Komponentenansatz. Jeder Teil einer Sachanlage mit einem bedeutsamen Anschaffungswert im Verhältnis zum gesamten Wert des Gegenstands wird getrennt abgeschrieben. IAS 16.44 nennt als Beispiel ein Flugzeug, das für die Bemessung der Abschreibung in das Flugwerk und die Triebwerke "zerlegt" wird. "Bedeutsam" kann in diesem Zusammenhang aus dem Rahmenkonzept abgeleitet werden. F 29 und 30 definieren die Wesentlichkeit. Eine Information, hier ein Teil einer Sachanlage, ist wesentlich, wenn das Bilanzieren der Sachanlage als eine Bewertungseinheit zu einer fehlerhaften Darstellung führt, die die Entscheidungen des Abschlussadressaten beeinflussen könnte.

Zusätzlich sind die Instandhaltungen (Generalüberholungen) wesentlicher Komponenten zu aktivieren und individuell abzuschreiben. Der (noch) vorhandene Restbuchwert der Komponente wird bei Instandhaltung ausgebucht, IAS 16.67-72, und die neue Komponente als Zugang erfasst, IAS 16.13f,. und planmäßig abgeschrieben.

Den erst genannten Komponentenansatz hält das IDW für zulässig, IDW RH HFA 1.016. Hingegen wird die Behandlung von Generalüberholungen als aktivierbare Kosten abgelehnt, da es hierbei an einem physischen Austausch wesentlicher Komponenten mangelt.

Das folgende Beispiel zeigt die Anwendung der Regelung des § 249 Abs. 2 HGB a.F. und im Gegenzug die Wirkung des Komponentenansatzes nach Wegfall des § 249 Abs. 2 HGB a.F.

Beispiel:
Betriebsgebäude mit Anschaffungskosten i.H.v. 450.000 Euro, Nutzungsdauer 60 Jahre, lineare Abschreibung. Annahme: Der Anteil der Komponenten im Zeitpunkt der Anschaffung des Gebäudes entspricht deren späteren Instandhaltungsaufwendungen.

1) ohne Komponentenansatz, nach § 249 Abs. 2 HGB a.F.:
Abschreibungsbetrag: 7.500 Euro p.a.
zuzügl. Aufwandsrückstellung (§ 249 Abs. 2 HGB a.F.)
für die Instandhaltung von:
 
a) Dach: 67.500 Euro in 30 Jahren:
b) Fenster: 22.500 Euro in 15 Jahren:
2.250 Euro p.a.
1.500 Euro p.a.
  11.250 Euro p.a.

Durch die Aufhebung des § 249 Abs. 2 HGB a.F. ist hier nur noch ein Aufwand von 7.500 Euro erfassbar.

2) mit Komponentenansatz:
  a) Mauerwerk (80% von 450.000 Euro)
b) Dach (15% von 450.000 Euro)
c) Fenster (5% von 450.000 Euro)
= 360.000 Euro
=   67.500 Euro
=   22.500 Euro
Nutzungsdauern:


zu a) 60 Jahre
zu b) 30 Jahre
zu c) 15 Jahre
Abschreibungsbetrag:
Abschreibungsbetrag:
Abschreibungsbetrag:
6.000 Euro p.a.
2.250 Euro p.a.
1.500 Euro p.a.
    Euro gesamt: 9.750 Euro p.a.
Damit ergibt sich eine Aufwandsdifferenz von 2.250 Euro p.a.

Die Anwendung des Komponentenansatzes im HGB führt zu weniger volatilen Ergebnissen.

Dirk J. Lamprecht, Herausgeber des Handbuchs Bilanzierung aktuell - Das BilMoG in der Praxis
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