Abzinsung von Gesellschafterdarlehen

30.03.2010  — Udo Cremer.  Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.

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1. Unverzinsliche Gesellschafterdarlehen sind einkommensteuerrechtlich abzuzinsen, wenn sie zwar keine feste Laufzeit haben, die Darlehensnehmerin aber am Bilanzstichtag mit einer Fortdauer der Kapitalüberlassung für mindestens weitere zwölf Monate rechnen kann.

2. Die bloße Zweckbindung eines Darlehens begründet keine "Verzinslichkeit".

Die Klägerin ist eine GmbH. Drei ihrer vier Gesellschafter hatten ihr vor längerer Zeit Darlehen in Höhe von ca. 120 Mio. DM gewährt. Diese sollten ursprünglich bis zum Eintritt der Klägerin in die Gewinnzone zinslos sein; im Jahr 1988 waren die Verträge dahin umgestaltet worden, dass ca. 50 % der Summe verzinslich und die verbleibenden knapp 57 Mio. DM zins- und tilgungsfrei gewährt wurden. Nach den Feststellungen des FG weist der Geschäftsbericht der Klägerin für das Wirtschaftsjahr 2005 die Darlehensverpflichtungen als Verbindlichkeiten mit einer Restlaufzeit von mehr als fünf Jahren aus, die einkommensteuerrechtlich abzuzinsen sind. Da die Laufzeit unbestimmt sei, müsse dies in Anlehnung an § 13 Abs. 2 BewG mit dem Faktor 9,3 erfolgen. Die Differenz der Verbindlichkeit zum niedrigeren Barwert führt unter Berücksichtigung einer damals zur Abmilderung des Abzinsungsgewinns zulässigerweise zu bildenden Rücklage zu einer Gewinnerhöhung von 2.774.916 DM.

Im Revisionsverfahren entschied der BFH (Urteil vom 27.1.2010, I R 35/09), dass die Gesellschafterdarlehen nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 EStG unter sinngemäßer Anwendung des § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG anzusetzen und mit einem Zinssatz von 5,5 v.H. abzuzinsen sind, denn nach der Rechtsprechung des Senats gilt die Abzinsungsverpflichtung auch für Verbindlichkeiten aus Darlehen, die eine Kapitalgesellschaft von ihrem Gesellschafter erhalten hat (Senatsbeschluss vom 6. Oktober 2009 I R 4/08, BFHE 226, 347). Der BFH führt weiterhin aus, dass die Abzinsung auf der typisierenden Vorstellung beruht, dass eine erst in der Zukunft zu erfüllende Verpflichtung den Schuldner weniger belastet als eine sofortige Leistungspflicht, und diese Überlegung gilt für Gesellschafterdarlehen nicht anders als für sonstige Darlehensverhältnisse.

Der Anwendung des § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 EStG steht im Streitfall nicht Satz 2 der Vorschrift entgegen. Danach sind zwar u.a. Verbindlichkeiten, die entweder verzinslich sind oder deren Laufzeit am Bilanzstichtag weniger als zwölf Monate beträgt, von der Abzinsung ausgenommen. Die Darlehensverbindlichkeiten der Klägerin erfüllen aber keine dieser beiden Voraussetzungen. Nach den Feststellungen des FG waren die Gesellschafterdarlehen nicht mit einer Zinsvereinbarung verbunden. Einer solchen steht in diesem Zusammenhang nicht gleich, dass die Unverzinslichkeit eines Gesellschafterdarlehens wirtschaftlich durch erhöhte Ausschüttungen an den Gesellschafter ausgeglichen werden kann.

Ob die Laufzeit eines Darlehens "weniger als zwölf Monate" beträgt, ist nicht allein nach zivilrechtlichen Gesichtspunkten zu beurteilen. Vielmehr kommt es in erster Linie auf die tatsächlichen Verhältnisse an. Deshalb ist eine Verbindlichkeit aus einem Darlehen mit unbestimmter Laufzeit abzuzinsen, wenn der Darlehensvertrag zwar nach den Vorschriften des BGB mit einer Frist von drei Monaten gekündigt werden kann, mit einer kurzfristigen Kündigung aber am Bilanzstichtag nicht ernstlich gerechnet werden muss. Im Streitfall hat das FG festgestellt, dass die in Rede stehenden Gesellschafterdarlehen zins- und tilgungsfrei gewährt worden waren, am Bilanzstichtag des Streitjahres schon mehrere Jahre lang bestanden und auch in den Folgejahren nicht zurückgeführt worden sind. Des Weiteren konnten die Darlehensverträge nur nach vorheriger Abstimmung unter den Darlehensgebern gekündigt werden. Diese Feststellungen rechtfertigen die vom FG vorgenommene Würdigung, dass die Klägerin am maßgeblichen Bilanzstichtag nicht damit rechnen musste, kurzfristig auf eine Tilgung der betreffenden Verbindlichkeiten in Anspruch genommen zu werden.

Quelle: Udo Cremer
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