Neues BMF-Schreiben zur Unfallversicherung

15.12.2009  — Volker Hartmann.  Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.

Nachfolgend verständlich erläutert von unserem Experten Volker Hartmann

Mit Schreiben vom 28.10.09, IV C 5 - S 2332/09/10004 hat das Bundesfinanzministerium die Konsequenzen dargelegt, die sich aus dem Urteil des Bundesfinanzhofs vom 11.12.08, VI R 9/05 ergeben. Danach kann es sich um steuerpflichtigen Arbeitslohn handeln, wenn ein Versicherungsunternehmen aufgrund eines Unfallversicherungsvertrags Leistungen an den Arbeitnehmer auskehrt. Steuerpflichtig ist jedoch nicht der Gesamtbetrag, sondern lediglich ein Betrag in Höhe der bislang vom Arbeitgeber entrichteten Versicherungsprämien; höchstens jedoch die ausgezahlte Versicherungsleistung.

Aufgrund höchstrichterlicher Rechtsprechung (vgl. BFH-Urteile vom 16.04.99, VI R 60/96 und VI R 66/97 in Verbindung mit BFH-Urteil vom 11.12.08, VI R 9/05) gelten bei Unfallversicherungen, die ein Arbeitgeber für seine Arbeitnehmer abgeschlossen hat, einige Besonderheiten. Je nachdem, ob der Arbeitgeber oder der Arbeitnehmer im Versicherungsfall den Anspruch auf die Versicherungsleistung gegenüber dem Versicherer geltend machen kann, ist zu differenzieren, ob die Prämienzahlungen oder die Versicherungsleistung der Lohnversteuerung durch den Arbeitgeber zu unterwerfen sind oder nicht.


1. Prämienzahlung durch den Arbeitgeber

1.1. Geltendmachung des Versicherungsanspruchs durch den Arbeitgeber
Wenn es sich bei der vom Arbeitgeber abgeschlossenen Unfallversicherung um eine Versicherung handelt, bei der die Ausübung der Rechte ausschließlich dem Arbeitgeber zusteht, stellen die Beiträge im Zeitpunkt der Zahlung durch den Arbeitgeber keinen Arbeitslohn dar. Daher braucht weder eine Lohnversteuerung noch eine Verbeitragung zur Sozialversicherung durchgeführt werden.

1.2. Geltendmachung des Versicherungsanspruchs durch den Arbeitnehmer
Wenn jedoch der Arbeitnehmer den Versicherungsanspruch bei einer vom Arbeitgeber abgeschlossenen Unfallversicherung unmittelbar gegenüber dem Versicherungsunternehmen geltend machen kann, sind die Versicherungsprämien im Zeitpunkt der Entrichtung durch den Arbeitgeber der Lohnversteuerung zu unterwerfen.

1.2.1 Einzelunfallversicherung
Wenn es sich um eine Einzelunfallversicherung handelt, müssen die Prämien im Zeitpunkt der Entrichtung an das Versicherungsunternehmen auf Grundlage der persönlichen Besteuerungsmerkmale des Arbeitnehmers gemäß Lohnsteuerkarte versteuert werden.

1.2.2. Gruppenunfallversicherung
Wenn es sich um einen Versicherungsvertrag handelt, bei dem mehrere Arbeitnehmer gemeinsam in einem Gruppenunfallversicherungsvertrag versichert sind und die durchschnittliche Versicherungsprämie 62 Euro im Kalenderjahr (ohne Versicherungssteuer) nicht übersteigt, kann die Lohnsteuer mit einem Pauschsteuersatz in Höhe von 20 Prozent der Beiträge erhoben werden.


2. Leistungen aus der Unfallversicherung

Wenn der Versicherungsfall eintritt und der Arbeitnehmer einen Unfall erleidet, handelt es sich hinsichtlich der Auskehrung der Versicherungsleistung durch den Versicherer an den Arbeitnehmer um steuerpflichtigen Arbeitslohn, wenn die Ausübung der Rechte ausschließlich dem Arbeitgeber zusteht und die Beiträge im Zeitpunkt der Zahlung durch den Arbeitgeber keinen Arbeitslohn darstellen.

Hierbei spielt es keine Rolle, ob der Versicherer die Versicherungsleistung unmittelbar an den Arbeitnehmer auszahlt oder im Rahmen des gesetzlichen Treuhandverhältnisses zunächst an den Arbeitgeber. Ebenso unbeachtlich ist, ob sich der Unfall während der Arbeitszeit oder in der Freizeit ereignet hat und ob es sich um einen Einzelversicherungsvertrag oder um einen Gruppenunfallversicherungsvertrag handelt.

BFH-Urteil vom 11.12.08, VI R 9/05
Aufgrund höchstrichterlicher Rechtsprechung durch den Bundesfinanzhof, vgl. BFH-Urteil vom 11.12.08, VI R 9/05, ist die Versicherungsleistung jedoch nicht in vollem Umfang der Lohnversteuerung zu unterwerfen. Wenn ein Arbeitnehmer Leistungen aus einer Unfallversicherung erhält, sind die bis zu diesem Zeitpunkt entrichteten Beiträge steuerpflichtiger Arbeitslohn. Der steuerpflichtige Anteil wird jedoch begrenzt auf die Leistung, die der Arbeitnehmer vom Versicherer enthält.

Beispiel:
Ein Arbeitnehmer ist im Rahmen eines Unfallversicherungsvertrages gegen Unfälle sowohl im beruflichen als auch im privaten Bereich versichert. Die monatliche Versicherungsprämie beläuft sich auf 15 Euro und wird in vollem Umfang vom Arbeitgeber getragen. Die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag können ausschließlich vom Arbeitgeber geltend gemacht werden.

Aufgrund eines Unfalls in der Freizeit des Arbeitnehmers leistet der Unfallversicherer eine Schadensersatzleistung in Höhe von 27.500 Euro. Die Versicherung besteht zum Zeitpunkt der Schadensersatzleistung seit 8 Jahren. In diesem Zeitraum hat der Arbeitgeber insgesamt Prämien in Höhe von 1.850 Euro geleistet.

a) Steuerpflicht der Versicherungsprämien
Weil die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag ausschließlich vom Arbeitgeber geltend gemacht werden können, unterliegen die Prämienzahlungen nicht der Lohnsteuerpflicht.

b) Steuerpflicht der Versicherungsleistung
Da die Prämienzahlungen bislang nicht der Lohnsteuerpflicht unterlegen haben, ist die Schadensersatzleistung steuerpflichtig in Höhe der bis zum Zeitpunkt der Auszahlung der Versicherungsleistung entrichteten Beiträge, höchstens jedoch in Höhe der dem Arbeitnehmer gewährten Versicherungsleistung.

Der steuerpflichtige Betrag ergibt sich wie folgt:

Versicherungsleistung 27.500 Euro
bislang entrichtete Versicherungsprämien 1.850 Euro
anzusetzen ist der niedrigere Betrag 1.850 Euro


Der Arbeitgeber hat Lohnsteuer nur dann einzubehalten, wenn er weiß oder erkennen kann, dass der Versicherer Leistungen erbracht hat. Wenn der Arbeitgeber dies nicht erkennen kann, sind die Leistungen des Versicherers im Rahmen der persönlichen Einkommensteuererklärung des Arbeitnehmers zu erfassen.

Geltendmachung des Versicherungsanspruchs unmittelbar durch den Arbeitnehmer
Wenn der Versicherungsanspruch auch vom Arbeitnehmer geltend gemacht werden kann, handelt es sich bei den Leistungen aus einer Unfallversicherung um steuerpflichtigen Arbeitslohn, soweit

  • die Versicherungsleistung eine Entschädigung für entgangene oder entgehende Einnahmen darstellt
  • der Unfall im beruflichen Bereich eingetreten ist und
  • die Beiträge ganz oder teilweise als Werbungskosten bzw. steuerfreie Reisenebenkosten anzusehen sind.


In allen anderen Fällen handelt es sich nicht um steuerpflichtigen Arbeitslohn. In diesen Fällen brauchen Sie weder eine Lohnversteuerung noch eine Verbeitragung zur Sozialversicherung durchzuführen.
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