Steuerwirksame Gestaltung des Zuflusses einer Abfindung

16.02.2010  — Udo Cremer.  Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.

Ihr Experte Udo Cremer erläutert für Sie ein aktuelles BFH-Urteil

Arbeitgeber und Arbeitnehmer können den Zeitpunkt des Zuflusses einer Abfindung oder eines Teilbetrags einer solchen beim Arbeitnehmer in der Weise steuerwirksam gestalten, dass sie deren ursprünglich vorgesehene Fälligkeit vor ihrem Eintritt auf einen späteren Zeitpunkt verschieben.

Mit BFH-Urteil vom 11. November 2009 IX R 1/09 hatte der BFH über folgenden Fall zu entscheiden:

Die Klägerin erhielt von ihrem früheren Arbeitgeber (A GmbH) anlässlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung, die sich aus einem aufgestellten Sozialplan ergibt. Darin heißt es u.a.: "Die Abfindung wird bei rechtlicher Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit A... fällig und ist bereits vor Fälligkeit vererblich.“ Auf der Grundlage des Interessenausgleichs schlossen die Klägerin, die A GmbH und die A+B GmbH einen schriftlichen Vertrag über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin bei der A GmbH und die Begründung eines befristeten Arbeitsverhältnisses bei der Auffanggesellschaft A+B GmbH. Danach endete das Arbeitsverhältnis bei der A-GmbH mit Ablauf des 14. November 2000; mit Wirkung zum 15. November 2000 trat die Klägerin in das bis zum 30. November 2002 befristete neue Arbeitsverhältnis ein. Eine etwaige Abfindung nach dem Interessenausgleich und dem Sozialplan sollte direkt von der A GmbH an den jeweiligen Mitarbeiter abgerechnet und ausbezahlt werden.

Die Klägerin und die A-GmbH kamen schriftlich überein, der steuerpflichtige Teil der Abfindungszahlung in Höhe von 51.000 DM erst im Januar 2001 zur Auszahlung gebracht werden soll. Die Auszahlung des steuerfreien Anteils der Abfindung erfolgt bei Austritt mit der Novemberabrechnung 2000." Die Abfindung wurde entsprechend ausgezahlt.

In der Einkommensteuererklärung erklärte die Klägerin für das Jahr 2001 einen Betrag von 51.000 DM als Versorgungsbezüge für mehrere Jahre.

Dagegen erließ das Finanzamt rückwirkend einen geänderten ESt-Bescheid für das Jahr 2000, in dem es einen Betrag von 5.004 DM als laufenden Arbeitslohn (Weihnachtsgeld) sowie den steuerpflichtigen Restbetrag in Höhe von 45.996 DM als ermäßigt nach § 34 Abs. 1 EStG zu besteuernde Abfindung erfasste. Im Bescheid für das Jahr 2000 wurden weiterhin Nachzahlungszinsen von 217 € festgesetzt.

Der Einspruch gegen den geänderten Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2000 und den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2001 blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) hat der Klage stattgegeben (Entscheidungen der Finanzgerichte 2009, 394) und entschieden, dass das Finanzamt den steuerpflichtigen Abfindungsteil in Höhe von 51.000 DM zu Unrecht bereits im Jahr 2000 erfasst hat.

Dem schloss sich auch der BFH an und stellt fest, dass die Abfindung der Klägerin in Höhe von 51.000 DM erst im Januar 2001 mit der Auszahlung zugeflossen ist.

Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG sind Einnahmen innerhalb des Kalenderjahres bezogen, in dem sie dem Steuerpflichtigen zugeflossen sind. Nicht laufend gezahlter Arbeitslohn ist in dem Kalenderjahr bezogen, in dem er dem Arbeitnehmer zugeflossen ist. Der Zufluss ist zu bejahen, sobald der Steuerpflichtige über den Arbeitslohn wirtschaftlich verfügen kann. Die Fälligkeit eines Anspruchs allein, vor seiner Erfüllung, führt noch nicht zu einem gegenwärtigen Zufluss. Entscheidend ist allein der uneingeschränkte, volle wirtschaftliche Übergang des geschuldeten Gutes oder das Erlangen der wirtschaftlichen Dispositionsbefugnis darüber. Hierfür genügt es auch vor der Realisation des Leistungserfolgs, dass der Gläubiger ohne weiteres Zutun des Schuldners die Möglichkeit hat, den Leistungserfolg herbeizuführen

Grundsätzlich können Gläubiger und Schuldner einer Geldforderung im Rahmen der zivilrechtlichen Gestaltung des Erfüllungszeitpunkts auch die steuerrechtliche Zuordnung der Erfüllung zu einem Veranlagungszeitraum gestalten. Ist es den Beteiligten etwa möglich, von vornherein die Zahlung einer Abfindung für die Auflösung eines Dienstverhältnisses auf einen anderen Zeitpunkt als den der Auflösung des Dienstverhältnisses zu terminieren, der für sie steuerlich günstiger scheint, so kann es ihnen auch nicht verwehrt sein, die vorherige Vereinbarung (jedenfalls vor der ursprünglich vereinbarten Fälligkeit) im Einvernehmen und beiderseitigem Interesse wieder zu ändern. Für Rechtsmissbrauch (§ 42 AO) ist in derartigen Fällen regelmäßig kein Raum.

Nach diesen Grundsätzen ist der zweite Abfindungsteilbetrag von 51.000 DM der Klägerin nicht bereits im Jahr 2000, sondern erst im Januar 2001 zugeflossen. Das FG ist in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, dass durch das Hinausschieben der Fälligkeit des zweiten Abfindungsteilbetrags die Klägerin nicht über diesen selbst wirtschaftlich verfügt hat.
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