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Neuer europäischer Arbeitskostenvergleich des IMK

01.12.2009  — Online-Redaktion Verlag Dashöfer.  Quelle: Hans Böckler Stiftung.

Deutsche Arbeitskosten 2008 nur gering gewachsen - krisenbedingter Anstieg der Lohnstückkosten verkraftbar

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Deutschland liegt bei den Arbeitskosten für die Privatwirtschaft mit einem Wert von 28,50 Euro pro Arbeitsstunde weiterhin im Mittelfeld der europäischen Staaten - an achter Stelle. Trotz einer etwas kräftigeren Lohnentwicklung sind die deutschen Arbeitskosten im Jahr 2008 wie in den Vorjahren deutlich langsamer gestiegen als im Durchschnitt von EU und Eurozone. Damit steigerte Deutschland nochmals seine internationale Wettbewerbsfähigkeit. Dieser Trend zeigt sich seit rund einem Jahrzehnt sowohl für das Verarbeitende Gewerbe als auch für den Dienstleistungssektor. Die Lohnstückkosten, welche die Arbeitskosten in Relation zur Produktivitätsentwicklung setzen, stagnierten in der Bundesrepublik zwischen 1998 und Mitte 2008 sogar, während sie in EU-Ländern wie den Niederlanden, Frankreich, Polen, Spanien oder Dänemark um 20 bis 35 Prozent gestiegen sind. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Studie des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in der Hans-Böckler-Stiftung auf Basis der aktuellsten verfügbaren europäischen Daten.

Der internationale Nachfrageeinbruch in der Wirtschaftskrise hat zwar dazu geführt, dass zum Jahreswechsel 2008/2009 auch die deutschen Lohnstückkosten erstmals deutlich angewachsen sind - in der Spitze um gut 8 Prozent gegenüber dem Vorjahr im ersten Quartal 2009. Dieser Anstieg ist aber zu einem großen Teil nur vorübergehend und bildete sich seitdem schon zurück. Zudem stiegen die Lohnstückkosten in vielen anderen EU-Ländern ähnlich stark. Deshalb und angesichts des sehr geringen Wachstums von Arbeits- und Lohnstückkosten über einen langen Zeitraum bleibt die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft sehr hoch. "Sorgen sind völlig unnötig", schreiben die Wissenschaftler in ihrer Untersuchung, die am heutigen Montag als IMK Report erscheint. "Vor diesem Hintergrund sollte die aktuelle Entwicklung gerade nicht zum Anlass genommen werden, die Löhne weiter unter Druck zu setzen."


Erfolg am Arbeitsmarkt trägt zu höheren Lohnstückkosten bei

"Der langfristige Trend - sehr geringes Wachstum von Arbeits- und Lohnstückkosten - und der relativ starke Anstieg auf dem Höhepunkt der Krise haben eine gemeinsame Ursache", sagt Prof. Dr. Gustav A. Horn, der Wissenschaftliche Direktor des IMK. "Wirtschaftsverbände und Wirtschaftspolitiker in Deutschland haben im vergangenen Jahrzehnt sehr einseitig auf die Förderung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit gesetzt. Der Exportweltmeister Deutschland ist immer wettbewerbsfähiger geworden, allerdings um den Preis einer schwachen Binnennachfrage. Die Kehrseite sehen wir jetzt: Die Nachfragekrise auf den Weltmärkten hat Deutschland stärker getroffen als Länder mit einer besser ausbalancierten Wirtschaft."

Ein zweiter Grund für das kurzfristig stärkere Wachstum der Lohnstückkosten sei hingegen grundsätzlich positiv: Weil durch Arbeitszeitverkürzungen, den Abbau von Zeitguthaben und Kurzarbeit trotz Nachfragemangels Massenentlassungen bislang vermieden werden konnten, sank rechnerisch die Produktivität. "Die relative Stabilität am Arbeitsmarkt hat verhindert, dass mitten in der globalen Krise auch noch der private Konsum und damit die heimische Nachfrage wegbricht", erklärt Horn. "Und der kurzfristige statistische Anstieg wird sich weitgehend korrigieren, sobald die Wirtschaft wieder anzieht und die Auslastung steigt." Neue Zahlen des Statistischen Bundesamts für das 3. Quartal 2009 zeigen, dass dieser Prozess bereits begonnen hat.


Arbeitskosten 2008: 28,50 Euro pro Arbeitsstunde

Die IMK-Forscher nutzen für ihre Studie die neuesten verfügbaren Zahlen der europäischen Statistikbehörde Eurostat. Deren Arbeitskostenstatistik erlaubt einen Vergleich auf breiterer Basis als Datenquellen, auf die sich beispielsweise das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) bislang gestützt hat. Zu den Arbeitskosten zählen neben dem Bruttolohn die Arbeitgeberanteile an den Sozialbeiträgen sowie als Arbeitskosten geltende Steuern.

2008 mussten deutsche Arbeitgeber in der Privatwirtschaft (Industrie und privater Dienstleistungsbereich) 28,50 Euro pro geleistete Arbeitsstunde aufwenden. Höher liegen die Arbeitskosten in sieben Ländern: In Dänemark, Luxemburg, Schweden, Belgien, Frankreich, den Niederlanden und Finnland müssen zwischen 29,40 Euro und 36 Euro pro Stunde ausgegeben werden. Geringfügig niedriger als in der Bundesrepublik sind die Aufwendungen pro Stunde in Österreich (28,40 Euro). Weil das britische Pfund gegenüber dem Euro massiv abwertete, sanken die britischen Arbeitskosten in Euro gerechnet auf 24,50 Euro. In Landeswährung stiegen sie hingegen.

Einen deutlicheren Abstand bei den Arbeitskosten gibt es zu den "alten" EU-Mitgliedern in Südeuropa sowie zu den neuen mittel- und osteuropäischen EU-Ländern mit Stundenwerten zwischen 5,40 Euro in Lettland und 13,40 Euro in Zypern. Doch auch diese Differenzen sind 2008 erneut etwas kleiner geworden: Während die Arbeitskosten in Deutschland um lediglich 2,5 Prozent und die in der Eurozone um 3,5 Prozent stiegen, betrug der Zuwachs in den neuen EU-Ländern 16 Prozent.


Industrie profitiert von günstigen Vorleistungen

Die genauere Analyse zeigt: Nach wie vor ist die Spreizung zwischen den Arbeitskosten und den Löhnen im Verarbeitenden Gewerbe und jenen im Dienstleistungssektor in Deutschland größer als in jedem anderen EU-Land. Die Differenz beträgt rund 20 Prozent.

So rangierte Deutschland bei industriellen Arbeitern und Angestellten mit Arbeitskosten von 32,50 Euro pro geleistete Arbeitsstunde 2008 EU-weit an fünfter Stelle. Die Bundesrepublik ist Teil einer größeren Gruppe von Industrieländern, deren Arbeitskosten im Verarbeitenden Gewerbe mit knapp 31 bis knapp 36 Euro pro Stunde über dem Euroraum-Durchschnitt liegen. Zu ihr zählen auch die nordischen Länder, die Benelux-Staaten, Frankreich und Österreich. Der Anstieg gegenüber 2007 lag in Deutschland mit 2,7 Prozent erneut deutlich unter dem Durchschnitt sowohl des Euroraums (gut vier Prozent) als auch der EU insgesamt. In den neuen EU-Ländern - mit Ausnahme von Malta - stiegen die Arbeitskosten um sechs bis über 20 Prozent.

Im privaten Dienstleistungssektor liegen die deutschen Arbeitskosten und damit die Löhne mit 26 Euro lediglich an neunter Stelle in der EU. Das ist nur wenig mehr als der Durchschnitt im Euroraum, der bei 25,70 Euro liegt. Auch bei den Dienstleistungen fiel die Steigerung zum Vorjahr mit 2,1 Prozent geringer aus als in den meisten anderen EU-Ländern. Im Durchschnitt der Eurozone stiegen sie um drei Prozent, in den neuen Mitgliedsländern deutlich stärker. Im Falle Großbritanniens zeigte sich im Dienstleistungssektor das gleiche Muster wie bei den Arbeitskosten insgesamt: In nationaler Währung stiegen sie, in Euro gerechnet sanken sie und waren daher 2008 niedriger als in Deutschland.

Vom vergleichsweise niedrigen Arbeitskostenniveau in den deutschen Dienstleistungsbranchen profitiert auch die Industrie, die dort Vorleistungen nachfragt. In welchem Maße, das zeigen Berechnungen des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) mit der Input-Output-Methode. Die resultierende Kosteneinsparung für die Industrie liegt nach der IWH-Berechnung bei mehr als drei Euro pro Arbeitsstunde oder rund zehn Prozent der gesamten industriellen Arbeitskosten. "Der Unterschied ist so groß, dass er für sich genommen eine erhebliche Verbesserung der Wettbewerbsposition der deutschen Industrie bewirkt", betonen die Ökonomen des IMK.


Langsamer Anstieg der Arbeitskosten, geringes Wachstum

Die Bilanz der sehr moderaten Arbeitskosten-Entwicklung in den vergangenen Jahren fällt nach der IMK-Analyse weiterhin zwiespältig aus: Auf die deutschen Exporte haben sich die unterdurchschnittlichen Zuwächse vorteilhaft ausgewirkt. Gesamtwirtschaftlich haben sie das Wachstum aber eher gebremst, beobachten die Ökonomen: Länder mit vergleichbaren Arbeitskostenniveaus, aber höheren Zuwachsraten sind im vergangenen Jahrzehnt weitaus stärker gewachsen als Deutschland. Das zeigt ein Vergleich mit den Wirtschaftsdaten Frankreichs, Großbritanniens, der Niederlande, Finnlands und Österreichs.

Trotz der niedrigen Lohnzuwächse verzeichnet die Bundesrepublik nach der IMK-Analyse auch die vergleichsweise schlechteste Entwicklung bei der Beschäftigung. Der Grund: Die schwache Entwicklung der Einkommen hemmt die Binnennachfrage - und die trägt in einer großen Wirtschaft wie der deutschen nach wie vor deutlich mehr zu Wachstum und Beschäftigung bei als der Export. Die Strategie, durch Lohnzurückhaltung und Konzentration auf die Ausfuhr ein höheres Wachstum zu erreichen, könne allenfalls für "kleine offene Volkswirtschaften mit sehr hoher Export- und Importquote wie die Niederlande oder Österreich" aufgehen, so das IMK.

Selbst unter den deutschen Unternehmen profitiert nur ein Teil vom geringen Anstieg der Löhne und Arbeitskosten, zeigt die IMK-Analyse. Einzelne exportorientierte Branchen konnten in den vergangenen Jahren zwar Rekordgewinne und hohe Renditen erzielen. Gleichzeitig belastete die schwache Binnennachfrage aber die Gewinne jener Unternehmen, die, wie zum Beispiel der Handel, auf den Inlandsabsatz angewiesen sind. Das lässt sich an der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung der Bruttogewinne ablesen: In allen anderen betrachteten Ländern entwickelten sie sich zwischen 1999 und 2008 stärker als in Deutschland.


Weitere Informationen:

Heike Joebges, Camille Logeay, Simon Sturn, Rudolf Zwiener: Deutsche Arbeitskosten im europäischen Vergleich: Nur geringer Anstieg (pdf), IMK Report Nr. 44, Dezember 2009

Infografiken im Böckler Impuls 19/2009 (pdf)
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