Aufstockung eines Investitionsabzugsbetrags (Kommentar von Udo Cremer)

29.04.2013  — Udo Cremer.  Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.

Der für ein Wirtschaftsgut gebildete Investitionsabzugsbetrag kann in einem nachfolgenden Wirtschaftsjahr erhöht werden (entgegen Tz. 6 des BMF-Schreibens vom 8. Mai 2009). Dies hat das Finanzgericht Niedersachsen bestätigt. Unser Autor Udo Cremer erläutert den zugrunde liegenden Fall.

Die Kläger werden gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erzielt in erster Linie erhebliche Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft aus einem Gartenbaubetrieb. Mit der Einkommensteuererklärung 2008 setzte der Kläger mit Einnahme-Überschuss-Rechnung ermittelte negative Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 110.000 € an. Es handelt sich hierbei um einen Investitionsabzugsbetrag in dieser Höhe für die geplante Anschaffung eines Photovoltaik-Kraftwerks, die im Rahmen eines entsprechenden (gesonderten) neuen Gewerbebetriebs betrieben werden sollte. Die Anschaffungskosten bezifferte er in der Einnahme-Überschuss-Rechnung und der gesonderten Aufstellung der Investitionsabzugsbeträge auf 275.000 €. Er legte eine verbindliche Bestellung dieses Kraftwerks für 619.267,25 € netto vor. Das FA berücksichtigte den geltend gemachten Investitionsabzugsbetrag im Einkommensteuerbescheid 2008.

Mit der Einkommensteuererklärung 2009 machte der Kläger einen weiteren Verlust aus dem geplanten Gewerbebetrieb Photovoltaikanlage in Höhe von 90.000 € durch die entsprechende Aufstockung des 2008 angesetzten Investitionsabzugsbetrages. Das FA lehnte die Aufstockung des Investitionsabzugsbetrages im Einkommensteuerbescheid 2009 unter Hinweis auf Tz. 6 des BMF-Schreibens zu Zweifelsfragen des Investitionsabzugsbetrages vom 8. Mai 2009 (BStBl. I, 2009, 633) ab; ein Investitionsabzugsbetrag könne nur in einem Jahr geltend gemacht werden.

Den Gewerbebetrieb Photovoltaikanlage meldete der Kläger 2010 bei der Stadt P. an. In diesem Jahr erfolgte auch die Anschaffung des Photovoltaikkraftwerks mit tatsächlichen Anschaffungskosten von 648.367,55 € einschließlich Stromanschluss. Die gegenüber der verbindlichen Bestellung erhöhten Kosten erklären sich durch die erweiterte Fläche der im September 2010 in Betrieb genommenen Anlage. Nachdem der Einkommensteuerbescheid 2009 nach einem zwischenzeitlichen Gewinnfeststellungsbescheid mit hier nicht streitigen Einkünften aus einer GbR unter Aufrechterhaltung des Vorbehalts der Nachprüfung geändert wurde, legten die Kläger Einspruch ein, mit dem sie unter anderem unter Berufung auf ein nicht rechtskräftiges Urteil des hiesigen 16. Senats vom 20. Juli 2010 (16 K 116/10) beantragten, die Aufstockung des Investitionsabzugsbetrages zu berücksichtigen. Mit Einspruchsbescheid vom 27. Juli 2012 wies das FA den Einspruch der Kläger unter Aufrechterhaltung des Vorbehalts der Nachprüfung zurück, nachdem der Bundesfinanzhof im Verfahren X R 25/10 das Urteil des hiesigen 16. Senats vom 20. Juli 2010 ohne Entscheidung der streitigen Rechtsfrage aufgehoben hatte.

Mit der Klage verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter und führen zur Begründung aus, dass im Rahmen der Ansparabschreibung nach § 7g EStG a. F. die Aufstockung einer zunächst gebildeten Rücklage bis zum gesetzlichen Höchstbetrag zulässig gewesen sei. Mit der Neuregelung habe der Gesetzgeber eine Vereinfachung, Ausweitung und Überschaubarkeit der bisherigen Vorschriften erreichen wollen, die zuvor mögliche Aufstockung gerade nicht explizit ausgeschlossen und die Bildung der nun mehrigen Investitionsabzugsbeträge nicht einschränken wollen. Die Entlastung der Finanzverwaltung sei hingegen nicht Ziel der Neuregelung gewesen.

Die Klage ist begründet (FG Niedersachsen, Urteil vom 19.12.2012 – 2 K 189/12). Der angefochtene Einkommensteuerbescheid und der ihn bestätigende Einspruchsbescheid sind rechtswidrig und verletzen die Kläger in ihren Rechten. Die Revision gegen dieses Urteil ist zugelassen.

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Nach § 7g Abs. 1 EStG i. d. F. des Unternehmenssteuerreformgesetzes 2008 (BGBl. I 2007, 1912) können Steuerpflichtige für die künftige Anschaffung oder Herstellung eines abnutzbaren beweglichen Wirtschaftsguts des Anlagevermögens bis zu 40 Prozent der voraussichtlichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten gewinnmindernd abziehen (Investitionsabzugsbetrag). Der Investitionsabzugsbetrag kann nur in Anspruch genommen werden, wenn der Betrieb am Schluss des Wirtschaftsjahrs, in dem der Abzug vorgenommen wird, bestimmte Größenmerkmale nicht überschreitet (Nr. 1), der Steuerpflichtige beabsichtigt, das begünstigte Wirtschaftsgut voraussichtlich in den dem Wirtschaftsjahr des Abzugs folgenden drei Wirtschaftsjahren anzuschaffen oder herzustellen, mindestens bis zum Ende des dem Wirtschaftsjahr der Anschaffung oder Herstellung folgenden Wirtschaftsjahres in einer inländischen Betriebsstätte des Betriebs ausschließlich oder fast ausschließlich betrieblich zu nutzen (Nr. 2) und der Steuerpflichtige das begünstigte Wirtschaftsgut in den beim Finanzamt einzureichenden Unterlagen seiner Funktion nach benennt und die Höhe der voraussichtlichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten angibt (Nr. 3).

Dass der Kläger bereits im Vorjahr für das geplante Kraftwerk einen Investitionsabzugsbetrag von 110.000 € in Anspruch genommen hatte, steht entgegen der Auffassung des FA der Aufstockung dieses Betrages auf den, 40 % der geplanten Investitionskosten noch unterschreitenden, (absoluten) Höchstbetrag des Investitionsabzugsbetrages von 200.000 € nicht entgegen. Diese entsprechend Tz. 6 des BMF-Schreibens vom 8. Mai 2009 vertretene Auffassung, dass ein in einem Jahr für ein Wirtschaftsgut in Anspruch genommener Investitionsabzugsbetrag in einem nachfolgenden Wirtschaftsjahr nicht aufgestockt werden könne, überzeugt das Gericht nicht. Das FG folgt der in der Literatur weit überwiegend vertretenen Auffassung, wonach diese Aufstockung möglich ist. Dass § 7g EStG an mehreren Stellen unter Verwendung des bestimmten Artikels im Singular von dem Investitionsabzugsbetrag spricht, heißt jedenfalls nicht zwangsläufig, dass damit die sukzessive Bildung oder Aufstockung des einen Abzugsbetrages für ein Wirtschaftsgut über den dreijährigen Investitionszeitraum ausgeschlossen wäre. Auch ein im Folgejahr aufgestockter Investitionsabzugsbetrag für ein Wirtschaftsgut ist der eine - wenn auch aus zwei oder mehr Teilbeträgen gebildete – Abzugsbetrag.

Wie aus dem Vergleich zu der vorgenannten Regelung des § 7g Abs. 1 Satz 4 EStG (Summe der Beträge, die … insgesamt abgezogen … wurden) und des S. 3 (Abzugsbeträge können) ergibt, kann die Verwendung des bestimmten Artikels im Singular auch als bloße sprachliche Abgrenzung der wirtschaftsgutbezogenen Voraussetzungen zur jahres- und betriebsbezogenen Summe mehrerer Investitionsabzugsbeträge für verschiedene Wirtschaftsgüter verstanden werden. An diesen Erwägungen ändert auch die Formulierung des § 7g Abs. 1 Satz 2 Nr. 2a EStG nichts, wonach der Steuerpflichtige die Absicht haben muss, das Wirtschaftsgut in den dem Wirtschaftsjahr des Abzugs folgenden drei Wirtschaftsjahren herzustellen. Auch diese Formulierung schließt es nicht aus, den mit entsprechender Investitionsabsicht gebildeten Abzugsbetrag später aufzustocken; auch sie enthält einen letztlich offenen Wortlaut und ist nicht durch eine Formulierung wie „einmaligen Abzugs“ eingeschränkt. Mit ihrem Wortlaut ließe sich genauso vereinbaren, dass die Absicht der Anschaffung eines Wirtschaftsgutes innerhalb von drei Jahren nach der erstmaligen (teilweisen) Bildung eines Investitionsabzugsbetrages bestehen muss oder für jeden gebildeten Teilabzugsbetrag gesondert zu betrachten ist.

Der Autor:

Udo Cremer ist geprüfter Bilanzbuchhalter (IHK) und hat die Steuerberaterprüfung mit Erfolg abgelegt. Er ist als Dozent für Steuer- und Wirtschaftsrecht tätig und veröffentlicht seit mehreren Jahren praxisorientierte Fachbücher zu den Themen Buchführung, Kostenrechnung, Preiskalkulation, Kennzahlen, Jahresabschluss und Steuerrecht. Daneben wirkt er als Autor an zahlreichen Fachzeitschriften und Loseblattsammlungen im Bereich der Buchhaltung und des Steuerrechts mit.

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