17.04.2012 — Volker Hartmann. Quelle: FibuGate.
Der Bundesfinanzhof hat mit drei Urteilen vom 09.06.11 den Begriff der regelmäßigen Arbeitsstätte neu definiert. Diese neue BFH-Rechtsprechung wirkt sich insbesondere auf den Ansatz eines geldwerten Vorteils für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte bei der Dienstwagenbesteuerung aus. Wie die Reaktionen auf die neue BFH-Rechtsprechung in unseren Seminaren und auf unsere Newsletter-Beiträge gezeigt haben, herrscht bei der Lohn- und Gehaltsabrechnung in Einzelfällen große Verunsicherung, ob und ggf. wo ein Arbeitnehmer seine regelmäßigen Arbeitsstätte hat und was der Arbeitgeber zu tun hat, um die entsprechenden Nachweise zu erringen, so z.B. bei Arbeitnehmer, die von ihrem Home-Office oder im Außendienst tätig sind.
Als regelmäßigen Arbeitsstätte ist grundsätzlich der Ort anzusehen, an dem der Arbeitnehmer den wesentlichen Teil seiner Arbeitsleistung erbringt. Dies ist um Regelfall der Betrieb. Während sich nach den einschlägigen Regelungen in den Lohnsteuerrichtlinien (vgl. R 9.4 Absatz 3 LStR 2011) die regelmäßige Arbeitsstätte allein nach quantitativen Gesichtspunkten bestimmt, ist die regelmäßigen Arbeitsstätte nach der neuen BFH-Rechtsprechung nach qualitativen Gesichtspunkten zu bestimmen. In diesem Zusammenhang ist nicht nur danach zu schauen, wie oft der Arbeitnehmer eine bestimmte Betriebstätte aufsucht, sondern auch danach, welcher konkreten Tätigkeit er dort nachgeht. So hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass der Betrieb dann nicht als regelmäßige Arbeitsstätte anzusehen ist, wenn der Arbeitnehmer diese zwar regelmäßig jeden Tag, aber lediglich zu Kontrollzwecken aufsucht, ohne dort seiner eigentlichen beruflichen Tätigkeit nachzugehen (vgl. BFH-Urteil vom 09.06.11, VI R 58/09).
Nach dem Wortlaut der Lohnsteuerrichtlinien (R 9.4 Absatz 3 LStR) ist insbesondere
Aus dem Leserkreis erreichte uns die Anfrage, ob und an welchem Ort die regelmäßige Arbeitsstätte bei einem Arbeitnehmer anzusehen ist, der seinen Wohnsitz aus privaten Gründen vom Ort des Betriebssitzes weg in ein anderes Bundesland verlegt und seiner Tätigkeit als leitender Angestellter teilweise von seinem Home-Office aus nachgeht. Fraglich ist, ob In diesem Zusammenhang der Betriebssitz als regelmäßige Arbeitsstätte anzusehen ist, wenn der Arbeitnehmer diese nur sporadisch und nicht regelmäßig aufsucht.
Nach Maßgabe des BMF-Schreibens vom 15.12.11 kann aus Vereinfachungsgründen immer dann von einer regelmäßigen Arbeitsstätte ausgegangen werden, wenn der Arbeitnehmer entweder einer betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers dauerhaft zugeordnet ist oder dort aufgrund der arbeitsvertraglichen Vereinbarungen
Wenn von dieser grundsätzlichen Betrachtungsweise abgewichen werden soll und der Arbeitgeber zum Ergebnis kommt, dass der Betrieb nicht als regelmäßige Arbeitsstätte anzusehen ist, muss er dies entsprechend nachweisen bzw. durch geeignete Unterlagen glaubhaft machen.
Unabhängig davon, wie oft der Arbeitnehmer den Betrieb seines Arbeitgebers aufsucht, ist nach Ansicht des Autors von einer regelmäßigen Arbeitsstätte auszugehen, wenn es sich um einen Arbeitnehmer mit leitender Funktion handelt, also z.B. um einen Geschäftsführer oder einen leitenden Angestellten mit Personalverantwortlichkeit. In diesem Zusammenhang ist umstritten, ob ein Arbeitnehmer mit Führungsverantwortung den wesentlichen Teil seines Aufgabengebietes außerhalb des Betriebs, nämlich im Außendienst oder in seinem Home-Office erbringen kann.
Während die Finanzverwaltung bei Bau- und Montagearbeitern im Regelfall von einer Auswärtstätigkeit (Einsatzwechseltätigkeit) ausgeht und die Auffassung vertritt, diese Arbeitnehmer hätten keine regelmäßige Arbeitsstätte im Betrieb, haben Arbeitnehmer mit Leitungs-funktion, z.B. Bauingenieure, ihre regelmäßige Arbeitsstätte stets im Betrieb. Hinzu kommt, dass diese Arbeitnehmergruppen - im Gegensatz zu „einfachen“ Bau- und Montagearbeitern - oft auch über einen voll ausgestatteten Büro- oder Arbeitsraum im Betrieb verfügen.