Entnahme einbringungsgeborener Anteile

24.01.2012  — Udo Cremer.  Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.

Der Inhaber im Betriebsvermögen gehaltener einbringungsgeborener Anteile muss keinen Entnahmegewinn versteuern, wenn er die Anteile verschenkt (entgegen BMF-Schreiben vom 25. März 1998, BStBl I 1998, 268, Tz. 21.12). Unser Autor Udo Cremer erläutert die Sachlage.

Die Kläger sind Eheleute, die für das Streitjahr 2002 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Der Kläger war ursprünglich Alleingesellschafter der S-GmbH. Die GmbH-Anteile sind in den 1970er Jahren gegen Einbringung des vormaligen Einzelunternehmens des Klägers zu Buchwerten entstanden. Außerdem ist der Kläger Eigentümer eines Grundstücks, das er an die S-GmbH verpachtet hat; es liegt eine Betriebsaufspaltung vor. Im Mai 2002 übertrug der Kläger der Klägerin unentgeltlich 15 % der Anteile an der S-GmbH; dem leitenden Mitarbeiter D übertrug er weitere 2,5 % der Anteile. Das FA unterwarf im Rahmen eines Änderungsbescheids zur Einkommensteuer für das Streitjahr die Differenz zwischen dem Teilwert und dem Buchwert der übertragenen Anteile (719.794 EUR) der Besteuerung als Entnahmegewinn des Klägers und bezog sich dafür auf BMF-Schreiben vom 25.3.1998 (BStBl I 1998, 268, Tz. 21.12). Die deswegen erhobene Klage hatte Erfolg; das FG Düsseldorf hat den Änderungsbescheid aufgehoben. Sein Urteil vom 11.11.2009 15 K 4209/08 E ist in EFG 2010, 458 abgedruckt.

In der Revision beantragt das FA, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen (BFH-Urteil vom 12.10.2011, I R 33/10). Die Revision ist im Ergebnis begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung. Die Vorinstanz hat zwar zu Recht angenommen, dass durch die unentgeltliche Übertragung von Geschäftsanteilen der S-GmbH auf die Klägerin kein steuerbarer Entnahmegewinn des Klägers entstanden ist. Im Hinblick auf die Übertragung auf D bedarf es jedoch weiterer tatrichterlicher Feststellungen dazu, ob es sich um eine schenkweise Übertragung oder um die Leistung von Arbeitslohn gehandelt hat.

Die Anteilsübertragung auf die Klägerin führt nicht zur Besteuerung eines Entnahmegewinns des Klägers.

Die an die Klägerin übertragenen Geschäftsanteile befanden sich vor der Übertragung im Betriebsvermögen des Klägers, der im Rahmen der Betriebsaufspaltung als Besitzunternehmer fungierte. Das ist zwischen den Beteiligten nicht im Streit und bedarf keiner weiteren Erörterung. Des Weiteren stellt die schenkweise Übertragung der Geschäftsanteile auf die Klägerin begrifflich eine Entnahme i.S. von § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG 2002 dar. Denn dadurch hat der Kläger die Geschäftsanteile aus dem bisherigen betrieblichen Zusammenhang gelöst und in das Privatvermögen der Klägerin überführt. Jedoch bewirkt die Entnahme nicht, dass der Kläger den Differenzbetrag zwischen den Anschaffungskosten der Geschäftsanteile und deren Teilwert zum Entnahmezeitpunkt als Entnahmegewinn zu versteuern hätte; vielmehr bleibt es bei dem Ansatz mit den Anschaffungskosten. Denn die Entnahmeregeln des EStG sind auf die Geschäftsanteile der S-GmbH nicht anzuwenden, weil es sich bei diesen um einbringungsgeborene Anteile i.S. von § 21 Abs. 1 Satz 1 UmwStG 2002 handelt, für die die besonderen Gewinnrealisierungsregeln des § 21 Abs. 1 und 2 UmwStG 2002 gelten.

Gemäß der Legaldefinition des § 21 Abs. 1 Satz 1 UmwStG 2002 sind einbringungsgeborene Anteile solche Anteile an einer Kapitalgesellschaft, die der Veräußerer oder bei unentgeltlichem Erwerb der Rechtsvorgänger durch eine Sacheinlage unter dem Teilwert erworben hat. Unstreitig hatte der Kläger die Anteile an der S-GmbH durch eine Sacheinlage gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1 UmwStG 2002 erworben. Die Anteile unterliegen folglich, was die Besteuerung des Anteilseigners betrifft, dem Regime des § 21 UmwStG 2002. Wie auch das FA nicht in Abrede stellt, unterfällt die Entnahme aus dem Betriebsvermögen keinem der in § 21 Abs. 1 und 2 UmwStG 2002 geregelten Realisierungstatbestände. Insbesondere ist die schenkweise Übertragung der einbringungsgeborenen Anteile auf Dritte keine "Veräußerung" i.S. von § 21 Abs. 1 Satz 1 UmwStG 2002; denn diese setzt eine entgeltliche Übertragung voraus.

Nach dem gesetzlichen Konzept wird die Besteuerung der in den einbringungsgeborenen Anteilen enthaltenen stillen Reserven im Falle des unentgeltlichen Erwerbs vielmehr dadurch gesichert, dass gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 UmwStG 2002 die Anteile auch in der Hand des Erwerbers noch dem Regime des § 21 UmwStG 2002 unterliegen und damit steuerverhaftet bleiben. Die Entstrickungstatbestände für einbringungsgeborene Anteile sind in § 21 UmwStG 2002 abschließend geregelt. Es ist daneben kein Raum für die Anwendung des allgemeinen Realisationstatbestands der Entnahme gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 EStG 2002. Das gilt jedenfalls insoweit, als, wie im Streitfall, der Buchwert der Anteile zum Entnahmezeitpunkt die nach Maßgabe von § 20 Abs. 4 UmwStG 2002 anzusetzenden Anschaffungskosten nicht unterschreitet.

Udo Cremer Der Autor:

Udo Cremer ist geprüfter Bilanzbuchhalter (IHK) und hat die Steuerberaterprüfung mit Erfolg abgelegt. Er ist als Dozent für Steuer- und Wirtschaftsrecht tätig und veröffentlicht seit mehreren Jahren praxisorientierte Fachbücher zu den Themen Buchführung, Kostenrechnung, Preiskalkulation, Kennzahlen, Jahresabschluss und Steuerrecht. Daneben wirkt er als Autor an zahlreichen Fachzeitschriften und Loseblattsammlungen im Bereich der Buchhaltung und des Steuerrechts mit.

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