Handlungsbedarf bei der umsatzsteuerlichen Organschaft

08.05.2013  — Online-Redaktion Verlag Dashöfer.  Quelle: Warth Klein Grant Thornton.

Am 7. März 2013 hat das BMF ein Schreiben veröffentlicht, mit dem die Voraussetzungen an eine umsatzsteuerliche Organschaft deutlich verschärft werden. Die neuen Grundsätze dürften bei vielen bestehenden umsatzsteuerlichen Organschaften Handlungsbedarf auslösen. Warth & Klein Grant Thornton informiert ausführlich über die Einzelheiten.

Am 7. März 2013 hat das Bundesministerium der Finanzen (BMF) ein Schreiben veröffentlicht, mit dem die Voraussetzungen an eine umsatzsteuerliche Organschaft deutlich verschärft werden. Danach setzt die organisatorische Eingliederung nunmehr voraus, dass die mit der finanziellen Eingliederung verbundene Möglichkeit der Beherrschung der Tochtergesellschaft durch die Muttergesellschaft in der laufenden Geschäftsführung tatsächlich wahrgenommen wird. Das BMF-Schreiben enthält dabei detaillierte Ausführungen zur personellen Verflechtung zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft, die nach der Verwaltungsauffassung regelmäßig vorliegen muss, um die Voraussetzung der organisatorischen Eingliederung zu erfüllen. Die neuen Grundsätze dürften bei vielen bestehenden umsatzsteuerlichen Organschaften Handlungsbedarf auslösen. Handlungsbedarf bei der umsatzsteuerlichen Organschaft

I. Allgemeines

Eine umsatzsteuerliche Organschaft liegt gemäß Paragraf 2 Absatz 2 Nummer 2 Umsatzsteuergesetz (UStG) vor, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse

  • finanziell,
  • wirtschaftlich und
  • organisatorisch
in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist.

Die Folge einer wirksamen umsatzsteuerlichen Organschaft: Die Organgesellschaft übt ihre gewerbliche oder berufliche Tätigkeit nicht selbständig aus und ist damit kein Unternehmer im Sinne von Paragraf 2 UStG. Als umsatzsteuerlicher Unternehmer fungiert ausschließlich der Organträger, der die Umsätze des gesamten Organkreises umsatzsteuerlich erklärt. Leistungen zwischen Organträger und Organgesellschaft sind als so genannte Innenumsätze nicht umsatzsteuerbar. Vorteilhaft ist dies, wenn der Organträger nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt ist.

II. BMF-Schreiben vom 7. März 2013

Das BMF hat mit Schreiben vom 7. März 2013 zur organisatorischen Eingliederung Stellung genommen, und dabei die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes aus dem Jahr 2011 berücksichtigt (Abschnitt 2.8 Abs. 7–11 UStAE n.F.).

Eine organisatorische Eingliederung liegt vor, wenn der Organträger durch organisatorische Maßnahmen sicherstellt, dass sein Wille in der Organgesellschaft auch tatsächlich ausgeführt wird und eine abweichende Willensbildung in der Organgesellschaft nicht stattfindet. Die mit der finanziellen Eingliederung verbundene Möglichkeit der Beherrschung der Organgesellschaft muss tatsächlich wahrgenommen werden. Die organisatorische Eingliederung setzt in aller Regel die personelle Verflechtung der Geschäftsführungen des Organträgers und der Organgesellschaft voraus. Das BMF unterscheidet dabei unterschiedliche Fallkonstellationen.

1. Vollständige Personenidentität

Eine organisatorische Eingliederung liegt grundsätzlich im Fall der Personalunion der Geschäftsführer von Organträger und Organgesellschaft vor.

2. Teilweise Personenidentität

Um die Voraussetzungen der organisatorischen Eingliederung zu erfüllen, kann grundsätzlich auch eine teilweise Personenidentität als ausreichend angesehen werden, wenn eine abweichende Willensbildung bei der Organgesellschaft ausgeschlossen ist:

a) Einzelne Geschäftsführer des Organträgers als Geschäftsführer der Organgesellschaft

Sind nur einzelne Geschäftsführer des Organträgers als Geschäftsführer in der Organgesellschaft tätig, ist dies für die organisatorische Eingliederung ausreichend.

b) Fremdgeschäftsführer neben Geschäftsführer des Organträgers als Geschäftsführer der Organgesellschaft

Ist neben einem Geschäftsführer des Organträgers ein weiterer Fremdgeschäftsführer für die Organgesellschaft tätig, müssen zusätzliche Voraussetzungen erfüllt sein, um von einer organisatorischen Eingliederung ausgehen zu können. Eine organisatorische Eingliederung liegt gemäß BMF vor, wenn eine Gesamtgeschäftsführungsbefugnis vereinbart wurde und die personenidentischen Geschäftsführer die Stimmenmehrheit besitzen. Bei einer Stimmenminderheit der personenidentischen Geschäftsführer oder bei Einzelgeschäftsführungsbefugnis der Fremdgeschäftsführer können zusätzliche Maßnahmen zur Herstellung einer organisatorischen Eingliederung führen, etwa:

  • der Organträger verfügt über ein umfassendes Weisungsrecht gegenüber den Geschäftsführern der Organgesellschaft und ist zur Bestellung und Abberufung aller Geschäftsführer berechtigt oder
  • es besteht ein schriftlich vereinbartes Letztentscheidungsrecht des personenidentischen Geschäftsführers.

3. Keine Personenidentität

Sofern keine personelle Verflechtung in der Geschäftsführung des Organträgers und der Organgesellschaft besteht, kann in Ausnahmefällen dennoch eine organisatorische Eingliederung vorliegen. Voraussetzung ist jedoch, dass institutionell abgesicherte unmittelbare Eingriffsmöglichkeiten in den Kernbereich der laufenden Geschäftsführung der Organgesellschaft gegeben sind. Hiervon ist auszugehen, wenn zwischen Organträger und Organgesellschaft ein Beherrschungsvertrag im Sinne von Paragraf 291 Aktiengesetz besteht oder die Organgesellschaft gemäß den Paragrafen 319 und 320 Aktiengesetz in die Gesellschaft des Organträgers eingegliedert wurde. Das BMF erkennt darüber hinaus schriftliche Vereinbarungen wie etwa eine Geschäftsführerordnung oder Konzernrichtlinien an, sofern durch diese der Organträger seine Entscheidungsbefugnis gegenüber Dritten nachweisen und den Geschäftsführer der Organgesellschaft bei Verstößen gegen seine Anweisungen haftbar machen kann.

4. Sonderfall: Leitende Angestellte

Eine organisatorische Eingliederung kann auch vorliegen, wenn leitende Angestellte des Organträgers als Geschäftsführer der Organgesellschaft tätig sind. Möglich ist dies, weil die Durchsetzung des Willens des Organträgers gewährleistet ist, da der leitende Angestellte aufgrund des arbeitsrechtlichen Anstellungsverhältnisses mit dem Organträger - dies ist eine zwingende Voraussetzung - an dessen Weisungen gebunden ist. Mit der Folge, dass das arbeitsrechtliche Direktionsrecht es ausschließt, dass der leitende Angestellte im Rahmen seiner Befugnis als Geschäftsführer der Organgesellschaft vom Willen des Organträgers abweicht und er im Übrigen bei weisungswidrigem Verhalten als Geschäftsführer der Organgesellschaft abberufen werden kann. Gemäß BMF-Schreiben ist es jedoch nicht ausreichend, wenn als Prokurist der Organgesellschaft ein leitender Mitarbeiter des Organträgers bestellt wird, ansonsten aber der einzige Geschäftsführer der Organgesellschaft weder Mitglied der Geschäftsführung noch leitender Angestellter des Organträgers ist.

Übergangsregelung

Bis zum 31. Dezember 2013 besteht ein Übergangszeitraum. Die neuen Grundsätze des BMF gelten zwar schon rückwirkend zum 01. Januar 2013. Soweit die vermeintlich am Organkreis beteiligten Unternehmer vor dem 01. Januar 2013 unter Berufung auf Abschnitt 2.8 Absatz 7 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses (in der bis zu diesem Stichtag geltenden Fassung) übereinstimmend von einer organisatorischen Eingliederung ausgegangen sind, wird es für vor dem 01. Januar 2014 ausgeführte Umsätze nicht beanstandet, wenn diese weiterhin übereinstimmend eine organisatorische Eingliederung annehmen.

Praxishinweis

Unternehmer sollten die Zeit bis zum Jahresende nutzen, um bestehende umsatzsteuerliche Organschaften an die neuen Kriterien des BMF anzupassen. Sofern die Voraussetzungen fraglich sind, sollten die gebotenen gesellschaftsrechtlichen Maßnahmen ergriffen werden. Warth & Klein Grant Thornton unterstützt Sie gerne zu allen Fragestellungen rund um das Thema umsatzsteuerliche Organschaft.


Warth & Klein Grant Thornton ist eine der größten partnerschaftlich geführten Wirtschaftsprüfungsgesellschaften in Deutschland mit über 750 Mitarbeitern an elf Standorten. Sie betreut einen repräsentativen Querschnitt der deutschen Wirtschaft mit Unternehmen und Institutionen aus nahezu allen Branchen sowie private Vermögensinhaber. Die Services umfassen Wirtschaftsprüfung, Steuerberatung, Corporate Finance & Advisory Services sowie Private Finance. Bei grenzüberschreitenden Aufgabenstellungen arbeitet sie seit mehr als zehn Jahren mit „Grant Thornton International“ zusammen, einer weltweit tätigen Dachorganisation unabhängiger Wirtschaftsprüfungsgesellschaften.
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