14.02.2012 — Volker Hartmann. Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.
Im letzten Beitrag haben wir uns mit der Frage auseinandergesetzt, ob der Arbeitgeber aufgrund veränderter Rechtsprechung dazu verpflichtet ist, bereits erteilte Lohn- und Gehaltsabrechnungen rückwirkend zu korrigieren.
Im Gegensatz zu Gesetzesänderungen wirkt sich neue Finanzrechtsprechung nicht nur auf zukünftige Sachverhalte aus. Neue Rechtsprechung ist grundsätzlich auf alle noch nicht bestandskräftigen Fälle anzuwenden. Bitte beachten Sie, dass Urteile der Finanzgerichte häufig nicht endgültig sind. In vielen Fällen wird gegen ein Finanzgerichtsurteil Revision eingelegt. Dies führt in der Regel zu einem weiteren Verfahren vor dem Bundesfinanzhof. Es kann durchaus sein, dass der Bundesfinanzhof die Auffassung einer Partei bestätigt, es kann aber auch sein, dass dieser eine gegenteilige Auffassung vertritt.
Das Finanzamt ist im Rahmen einer Lohnsteueraußenprüfung grundsätzlich nicht an die Rechtsprechung eines Finanzgerichtes gebunden. Das bedeutet, dass sich das Finanzamt bei einer Lohnsteueraußenprüfung über die Rechtsauffassung eines Finanzgerichtes hinwegsetzen kann - im Gegensatz zur Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, die für das Finanzamt grundsätzlich Bindungswirkung entfaltet. In diesem Fall ist das Finanzamt dazu verpflichtet, dieses Urteil anzuerkennen.
Das gilt jedoch nicht, wenn das Bundesfinanzministerium die Finanzverwaltung im Rahmen eines Nichtanwendungserlasses anweist, ein bestimmtes Urteil über den Einzelfall hinausgehend nicht anzuwenden. In diesem Fall darf das Finanzamt die Rechtsprechung des Bundesfinanzhof nicht anwenden.
Weil die Auswirkungen der Rechtsprechung nicht immer eindeutig vorhersehbar sind und um ein hektisches Hin- und Herr-Korrigieren zu vermeiden, führen viele Arbeitgeber keine Korrektur aufgrund veränderter Rechtsprechung durch. Sie machen ihre Arbeitnehmer lediglich auf die veränderte Rechtsprechung aufmerksam und weisen darauf hin, dass bestimmte Sachverhalte im Rahmen der Einkommensteuererklärung abschließend steuerlich gewürdigt werden können. In diesem Fall ist eine Bestätigung des Arbeitgebers mit einer kurzen Sachverhaltsdarstellung zwingend erforderlich.
Bitte beachten Sie, dass eine Korrektur im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung nur möglich ist, soweit diese noch nicht bestandskräftig ist. Bestandskraft tritt grundsätzlich immer dann ein, wenn ein Steuerbescheid erteilt und dagegen kein Einspruch eingelegt worden ist. Eine Änderung nach diesem Zeitpunkt ist nur noch möglich, wenn eine steuerliche Korrekturvorschrift angewendet werden kann, z.B. bei einer offenbaren Unrichtigkeit (z.B. Zahlendreher) oder bei Bekanntwerden einer neuen Tatsache. Eine neue Tatsache liegt aufgrund neuer Rechtsprechung jedoch nicht vor, weil der Sachverhalt an sich bekannt ist und sich lediglich die steuerliche Beurteilung dieses Sachverhaltes geändert hat.