07.08.2012 — Volker Hartmann. Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.
Bei einer Dauer der Entsendung bis zu 183 Tagen liegt das Besteuerungsrecht nach Maßgabe der jewiligen Dopelbesteuerungsabkommen beim Wohnsitzstaat des Arbeitnehmers. In diesem Fall ist der Arbeitgeber dazu verpflichtet, Steuerabzugsbeträge einzubehalten und an das zuständige Betriebstättenfinanzamt abzuführen. Bei einer Entsendung von mehr als 183 Tagen liegt das Besteuerungsrecht im regelfall beim Tätigkeitsstaat. In diesem Fall braucht der Arbeitgeber entsprechend keine Steuerabzugsbeträge einzubehalten. Der Arbeitnehmer ist jedoch dazu verpflichtet, seine Lohneinkünfte im ausländicschen Staat zu versteuern.
Nach Maßgabe der sog. Rückfallklausel in § 50d Absatz 8 EStG kommt eine endgültige Steuerfreistellung des Arbeitslohnes im Inland immer nur dann in Betracht, wenn der Arbeitnehmer im Veranlagungsverfahren nachweisen kann, dass der ausländische Staat auf sein Besteuerungsrecht verzichtet hat oder dass eine Versteuerung im ausländischen Staat durchgeführt worden ist. Kann der Arbeitnehmer diesen Nachweis nicht erbringen, ist der Arbeitslohn nach Auffassung der deutschen Finanzverwaltung im Veranlagungsverfahren der inländischen Besteuerung zu unterwerfen.
Diese derzeitige Rechtsauffassung der Finanzverwaltung ist verfassungsrechtlich sehr umstritten. Bei der Rückfallklausel in § 50d Absatz 8 EStG handelt es sich um einen sog. Treaty Override.
Bei einem Treaty Override handelt es sich um eine nationale steuergesetzliche Regelung, bei der sich ein nationaler Steuergesetzgeber über die bestehende völkerrechtliche Vereinbarungen, hier einem Doppelbesteuerungsabkommen, völkerrechtswidrig hinwegsetzt.
Mit BFH-Beschluss vom 10.01.12 - I R 66/09 hat sich der Bundesfinanzhof im Rahmen eines im Rahmen eines Normenkontrollverfahrens an das Bundesverfassungsgericht gewandt. In diesem Zusammenhang soll das Bundesverfassungsgericht darüber entscheiden, ob die vorstehend genannte gesetzliche Regelung gegen das Grundgesetz verstößt.
Im hier streitigen Sachverhalt war ein Arbeitnehmer eines inländischen Arbeitgebers über einen Zeitraum von rund 9 Monaten im Ausland beschäftigt. Nach dem geltenden Doppelbesteuerungsabkommen mit der Türkei lag das Besteuerungsrecht beim türkischen Fiskus. Weil der Arbeitnehmer nicht anchweisen konnte, dass eine Versteuerung des Arbeitslohnes in der Türkei erfolgt ist, behandelte der deutsche Fiskus den Arbeitslohn mit Verweis auf § 50d Absatz 8 EStG als steuerpflichtig.