Neue BFH-Rechtsprechung bei Reisekosten zur Mahlzeitengestellung durch den Arbeitgeber

19.10.2021  — Volker Hartmann.  Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.

Wer Mitarbeiter im Außendienst beschäftigt, kommt am Thema Reisekosten und Verpflegung nicht vorbei. Doch was hat es für lohnsteuerliche Auswirkungen, wenn der Arbeitnehmer keine ständige Tätigkeitsstätte und die Verpflegung vom Arbeitgeber kostenlos zur Verfügung gestellt wird?

§ 9 Absatz 4a Satz 8 EStG
BFH-Urteil vom 12.07.21, VI R 27/19

Seit vielen Jahren hat sich im Reisekostenrecht der Begriff der Bewirtung auf Veranlassung des Arbeitgebers etabliert. In diesem Zusammenhang sind die vom Arbeitgeber gewährten Pauschalen für Verpflegungsmehraufwendungen zu kürzen, wenn ein Arbeitgeber einem Arbeitnehmer im Rahmen Tätigkeit außerhalb seiner ersten Tätigkeitsstätte, also im Rahmen einer Auswärtstätigkeit, eine Mahlzeit zur Verfügung stellt. Die Rechtsgrundlage für diese Regelung findet sich in § 9 Absatz 4a Satz 8 EStG.

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Streitig war, ob die Kürzung der Pauschalen für Verpflegungsmehraufwendungen auch dann in Betracht kommt, wenn ein Arbeitnehmer im Rahmen einer Auswärtstätigkeit von seinem Arbeitgeber kostenlose Mahlzeiten erhält und keine erste Tätigkeitsstätte hat. Der Bundesfinanzhof hat mit Urteil vom 12.07.21, VI R 27/19, diese Rechtsunsicherheit nunmehr beseitigt.

Der streitige Sachverhalt

Im hier streitigen Sachverhalt hatte ein Marinesoldat seinen Arbeitsplatz auf einem Schiff der Bundesmarine. Ein Seeschiff ist wie andere Fahrzeuge auch kraft ausdrücklicher gesetzlicher Regelung nicht als erste Tätigkeitsstätte anzusehen, weil es sich bei einem Fahrzeug nicht um eine ortsfeste betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers handelt.

Während der Tätigkeit des Arbeitnehmers an Bord stellte der Arbeitgeber unentgeltliche Mahlzeiten bereit. Im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung machte der Arbeitnehmer für diese Tage Verpflegungsmehraufwendungen als Werbungskosten geltend. Das Finanzamt kürzte die Pauschalen nach Maßgabe von § 9 Absatz 4a Satz 8 EStG um jeweils 20 % für ein Frühstück bzw. jeweils 40% für ein Mittag- oder Abendessen (4,80 Euro bzw. 9,60 Euro, seit 01.01.20 5,60 Euro bzw. 11,20 Euro).

BFH-Urteil vom 12.07.21, VI R 27/19

Der Bundesfinanzhof bestätigte mit Urteil vom 12.07.21, VI R 27/19, die Rechtsauffassung des Finanzamts, wonach der Arbeitnehmer nur dann Anspruch auf ungekürzte Pauschalen für Verpflegungsmehraufwendungen hat, wenn der Arbeitgeber ausnahmsweise keine kostenlosen Mahlzeiten zur Verfügung stellt, wie es im hier streitigen Sachverhalt z.B. an Hafentagen der Fall war. Hierbei spielt es keine Rolle, ob der Arbeitnehmer über eine erste Tätigkeitsstätte verfügt. Nach Maßgabe von § 9 Absatz 4a Satz 4 EStG gilt die Kürzungsregelung für Arbeitnehmer ohne erste Tätigkeitsstätte entsprechend.

Bis 31.12.13, also vor Inkrafttreten der Reisekostenreform 2014, war bei einer Bewirtung auf Veranlassung des Arbeitgebers bei der Lohn- und Gehaltsabrechnung durch den Arbeitgeber ein geldwerter Vorteil zu versteuern. Im Rahmen der Lohn- und Gehaltsabrechnung konnte der Arbeitnehmer ungekürzte Verpflegungsmehraufwendungen erhalten, obwohl er aufgrund der Mahlzeitengestellung durch den Arbeitgeber tatsächlich gar keine Mehraufwendungen hatte.

Auswirkungen für die Praxis

Die gesetzliche Neuregelung im Rahmen der Reisekostenreform sollte zur Vereinfachung des Reisekostenrechts beitragen. Tatsächlich ist diese Bürokratieentlastung nicht bei allen Arbeitgebern angekommen, weil es grundsätzlich keine Rolle spielt, ob ein geldwerter Vorteil zu versteuern ist oder die Pauschalen für Verpflegungsmehraufwendungen zu kürzen sind.

Darüber hinaus muss der Arbeitgeber bei der Reisekostenabrechnung hinterfragen, ob der Arbeitnehmer im Rahmen einer Auswärtstätigkeit direkt und unmittelbar durch den Arbeitgeber oder mittelbar durch einen Dritten beköstigt worden ist. Darüber hinaus muss der Arbeitgeber klären, ob es sich bei der Beköstigung um eine echte Mahlzeit (Frühstück, Mittagessen oder Abendessen), eine unechte Mahlzeit, z.B. einen Snack oder einen Imbiss oder um eine nicht ins Gewicht fallende Beköstigung (z.B. ein kleines Stück Obst, einen Schokoriegel oder eine kleine Tüte Salzgebäck) handelt.

An dieser Stelle wird deutlich, wie kompliziert das deutsche Steuerrecht ist und wie schwierig die Gratwanderung zwischen Verwaltungsvereinfachung und Steuergerechtigkeit.

Der Autor:

Volker Hartmann

Volker Hartmann ist Diplom-Finanzwirt, Lohnsteueraußenprüfer und Betriebsprüfer im aktiven Dienst der Hamburger Finanzverwaltung. Volker Hartmann hat langjährige Prüfungs­erfahrungen, insbesondere bei Kapitalgesellschaften aller Branchen und Größen. Er ist seit vielen Jahren Referent und Autor beim Verlag Dashöfer. Seine Seminare zeichnen sich durch eine besondere Praxisnähe aus.

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