12.10.2021 — Volker Hartmann. Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.
Nach Maßgabe von § 3 Nr. 45 EStG sind die Vorteile eines Arbeitnehmers
§ 3 Nr. 45 EStG
Urteil Finanzgericht München vom 20.11.20, 8 K 2656 / 19
Das Finanzgericht München hatte sich jüngst mit der Rechtsfrage auseinandersetzen müssen, wie lohnsteuerlich zu verfahren ist, wenn ein Arbeitgeber ein Handy zunächst vom Arbeitnehmer erworben hat, dem Arbeitnehmer danach das Handy zur privaten Nutzung überlässt und ihm die Kosten für seinen Handyvertrag erstattet. Streitig war, ob die Handy-Überlassung steuerfrei nach § 3 Nr. 45 EStG ist oder ob es sich um einen Gestaltungsmissbrauch im Sinne von § 42 AO (Abgabenordnung) handelt.
Im hier streitigen Sachverhalt hat der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer das Handy zuvor für einen symbolischen Kaufpreis von 1 Euro erworben und danach dem Arbeitnehmer kostenlos überlassen. In diesem Zusammenhang wurde eine zivilrechtlich wirksame vertragliche Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer abgeschlossen.
Das Finanzamt ging im Rahmen einer Lohnsteueraußenprüfung von einem Gestaltungsmissbrauch im Sinne von § 42 AO aus und unterwarf die vom Arbeitnehmer übernommenen Kosten als lohnsteuerpflichtigen geldwerten Vorteil der Lohnversteuerung. Nach Verwaltungsauffassung (siehe H 3.45 LStH, Beispiel 2) kommt für die Übernahme der Verbindungsentgelte nach dem Kauf eines Mobiltelefons vom Arbeitnehmer keine Steuerbefreiung der Verbindungsentgelte nach § 3 Nr. 45 EStG in Betracht.
Das Finanzgericht widerspricht jedoch der Auffassung der Finanzverwaltung, dass der Kaufvertrag einem Fremdvergleich nicht standhält und daher ein Gestaltungsmissbrauch vorliegt.
Das vom Arbeitnehmer erworbene Gerät ist dem Arbeitgeber gemäß § 39 AO als eigenständiges Wirtschaftsgut zuzurechnen, da der Arbeitgeber sowohl zivilrechtliches als auch wirtschaftliches Eigentum an dem Mobiltelefon hatte. Anzeichen für ein Scheingeschäft liegen hier nicht vor.
Der Steuerfreiheit gemäß § 3 Nr. 45 EStG steht auch nicht entgegen, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer für den von ihm abgeschlossenen und auf seinen Namen laufenden Mobilfunkvertrag die Verbindungsentgelte übernahm. Nach Auffassung des Gerichts kommt allein darauf an, dass der Arbeitgeber die Verbindungsentgelte letztendlich getragen hat. Der Arbeitgeber hat sich mit einer ergänzenden vertraglichen Vereinbarung verpflichtet, die für das überlassene Mobiltelefon entstehenden Kosten (Grundgebühr, Verbindungsentgelte oder auch Flatrategebühr) zu übernehmen und hat diese auch tatsächlich in der vereinbarten Höhe getragen.
Ein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten nach § 42 Abgabenordnung liegt vor, wenn eine unangemessene rechtliche Gestaltung gewählt wird, die beim Steuerpflichtigen oder einem Dritten im Vergleich zu einer angemessenen Gestaltung zu einem gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil führt. Dies gilt nicht, wenn der Steuerpflichtige für die gewählte Gestaltung außersteuerliche Gründe nachweist, die nach dem Gesamtbild der Verhältnisse beachtlich sind. Diese gesetzliche Missbrauchsdefinition übernimmt die bisherige, von der BFH-Rechtsprechung entwickelte Definition. Missbrauch liegt danach vor, wenn die gewählte Gestaltung gemessen an dem angestrebten Ziel unangemessen, d.h. ungewöhnlich ist und der Steuerminderung dienen soll und nicht durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche außersteuerliche Gründe zu rechtfertigen ist.
Das Motiv, Steuern zu sparen, macht eine steuerliche Gestaltung noch nicht unangemessen. Eine rechtliche Gestaltung ist erst dann unangemessen, wenn der Steuerpflichtige die vom Gesetzgeber vorausgesetzte Gestaltung zum Erreichen eines bestimmten wirtschaftlichen Ziels nicht gebraucht, sondern dafür einen ungewöhnlichen Weg wählt, auf dem nach den Wertungen des Gesetzgebers das Ziel nicht erreichbar sein soll.
Unangemessene Gestaltungen sind zumeist umständlich, kompliziert, unökonomisch, widersinnig oder undurchsichtig und nicht selten unpraktikabel und wenig effektiv. Der Steuerpflichtige muss mit Umgehungsabsicht gehandelt haben.
Diese Tatbestandsmerkmale liegen hier jedoch nicht vor. Daher kann in dem Verkauf des Mobiltelefons des Arbeitnehmers an den Arbeitgeber zu einem Kaufpreis von 1 Euro kein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten im Sinne des § 42 AO gesehen werden.
Bei Arbeitgeber und Arbeitnehmer handelt es sich hier nicht um nahe Angehörige, sondern um Dritte, bei denen anzunehmen ist, dass sie bei einem Rechtsgeschäft ihre jeweiligen wirtschaftlichen Interessen gegenüber der anderen Vertragspartei vertreten.
Im hier streitigen Sachverhalt sind die steuerlichen Auswirkungen in Höhe von insgesamt 94,90 Euro zwar eher von untergeordneter Bedeutung. Es ist festzuhalten, dass die Rechts- und Beratungskosten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ein Vielfaches über dem Streitwert gelegen haben.
Es mag dahingestellt bleiben, ob die Veräußerung eines Sony Ericsson K800i zum Preis von 1 Euro einem Fremdvergleich standhält. Aus Sicht des Autors eher problematisch ist, dass das Mobilfunkgerät nach der Veräußerung an den Arbeitgeber zwar dem Arbeitgeber zuzurechnen ist, nicht aber der Mobilfunkvertrag, der weiterhin auf den Namen des Arbeitnehmers lautet und dieser weiterhin Leistungsempfänger der Mobilfunkdienstleistungen ist. Diese werden vom Mobilfunkbetreiber direkt und unmittelbar an den Arbeitnehmer und nicht an den Arbeitgeber erbracht.
Aufgrund der zum 01.01.21 in Kraft getretenen Gesetzesänderung geht die Rechtsprechung des Finanzgerichts München ins Leere. Nach Maßgabe von § 8 Absatz 1 Satz 2 EStG gehören zu den Einnahmen in Geld auch zweckgebundene Geldleistungen, nachträgliche Kostenerstattungen, Geldsurrogate und andere Vorteile, die auf einen Geldbetrag lauten. Da der Arbeitnehmer im hier streitigen Sachverhalt die Kosten für den auf seinem Namen lautenden Mobilfunkvertrag von seinem Arbeitgeber erstattet bekommt, liegt hier eine entsprechend Kostenerstattung des Arbeitgebers vor. Steuerfrei ist entsprechend lediglich die Überlassung des Handys, nicht jedoch die vom Arbeitnehmer verauslagten Gebühren für seinen Mobilfunkvertrag.
Darüber hinaus handelt es sich auch in dem hier vorliegenden Fall lediglich um das Urteil eines Finanzgerichts, welches für die Finanzverwaltung grundsätzlich nicht bindend ist. Für die Finanzverwaltung sind grundsätzlich nur höchstrichterliche Urteile des Bundesfinanzhofs bindend. Bis zum Vorliegen höchstrichterlicher Rechtsprechung verbleibt es daher bei einem nicht unerheblichen Maß an Rechtsunsicherheit. Es ist daher zur Vermeidung unliebsamer Auseinandersetzungen mit dem Finanzamt empfehlenswert, sich eng an die einschlägigen vom Gesetzgeber vorgegebenen Rahmenbedingungen zu halten.
Der Autor:
Volker Hartmann ist Diplom-Finanzwirt, Lohnsteueraußenprüfer und Betriebsprüfer im aktiven Dienst der Hamburger Finanzverwaltung. Volker Hartmann hat langjährige Prüfungserfahrungen, insbesondere bei Kapitalgesellschaften aller Branchen und Größen. Er ist seit vielen Jahren Referent und Autor beim Verlag Dashöfer. Seine Seminare zeichnen sich durch eine besondere Praxisnähe aus.
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