Ordnungsmäßigkeit der Buchführung (Kommentar von Udo Cremer)

07.01.2014  — Udo Cremer.  Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.

Ist eine Buchführung als nicht ordnungsgemäß zu betrachten, wenn keine steuerrelevanten Buchführungsdaten als CD vorliegen? Diese Frage diskutiert unser Experte Udo Cremer.

Es wird festgestellt, dass die Buchführung der Klägerin nicht aus dem Grund als formal ordnungswidrig angesehen werden kann, da das Programm Sage-KHK Classic Line verwendet wird.

Die Klägerin ist eine Kommanditgesellschaft, an deren Kapital Herr S. H1. als Komplementär zu 98,5 % und seine Ehefrau F. H1. als Kommanditistin zu 1,5 % beteiligt sind. Die Klägerin erstellte ihre Buchführung seit vielen Jahren mit dem Buchführungsprogram „Sage-KHK Classic Line (DOS)“. Die Software arbeitet auf der Grundlage des Betriebssystems „MS-DOS“ oder „PC-DOS“. Das Programm ermöglicht nicht eine Datenspeicherung auf CD-ROMs oder DVDs, jedoch auf 3,5 Zoll-Disketten. Außerdem vermag das Programm nicht, WinIDEA- oder IDEA-fähige Daten zu erstellen. Wegen der Einzelheiten wird auf das von der Klägerin vorgelegte Handbuch des KHK-Programms verwiesen.

Das Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung E. führte bei der Klägerin aufgrund einer Prüfungsanordnung vom ....2004 und Prüfungserweiterungsanordnungen vom ....2004 und ....2007 eine Betriebsprüfung für die Jahre 1998 bis 2004 durch. In ihrem Betriebsprüfungsbericht vom ....2009 führten die Prüfer unter Tz. 2.1 aus: Es liegt eine EDV-Buchführung System „KHK Classic Line (DOS)“ vor. … Zu Beginn der Prüfung im Unternehmen am ....2006 sollten die steuerlich relevanten Daten für den Prüfungszeitraum - zusammen mit den zur Auswertung notwendigen Strukturinformationen (Datensatzbeschreibung) - auf maschinell verwertbaren Datenträgern (z. B.CD-ROM. DVD) vorgelegt werden. Dieser Hinweis auf den Erstzugriff per Datenträger wurde von der Firma nicht beachtet. Zu Beginn der Prüfung lag keine Daten-CD mit den steuerrelevanten Buchführungsdaten für die Jahre 2000 bis 2004 vor. Nach den von Frau U. erteilten Auskünften besteht wegen des Alters des eingesetzten Buchführungsprogramms keine Möglichkeit des Datenexportes auf externe Datenträger (CD/DVD). Ein direkter Datenzugriff würde die laufende Büroarbeit blockieren. … Spätestens ab dem 1.1.2002 stellt dies einen Verstoß gegen die Grundsätze der Überprüfbarkeit maschineller Buchführungssysteme im Rahmen von Außenprüfungen dar (§ 146 Abs. 5 AO i.V.m. § 147 Abs. 2 und 6 AO). … Der Einsatz der Prüfsoftware „WinIDEA“ war nicht möglich. Die Buchführung ist aus den vorgenannten Gründen für die Jahre 1998 bis 2004 formal nicht ordnungsgemäß. […]“

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Die Prüfer hielten die Buchführung der Klägerin auch aus anderen Gründen für nicht ordnungsgemäß und stellten hierzu in Tz. 2.1.1 und 2.2.1.1 bis 2.2.1.7 ihres Berichts u.a. eine nicht zeitnahe Erfassung der Geschäftsvorfälle und eine teilweise Verbuchung von Kosten der privaten Lebensführung als Betriebsausgaben dar. Aus der Ordnungswidrigkeit der Buchführung leiteten die Prüfer ihre Befugnis ab, die Besteuerungsgrundlagen gem. § 162 AO zu schätzen. Anhand einer Mehr- und Wenigerrechnung ergaben sich diverse Hinzuschätzungen. Das FA schloss sich der Auffassung der Betriebsprüfer an und erließ entsprechend geänderte Steuerbescheide, die Gegenstand anderer anhängiger Gerichtsverfahren sind. Nachdem es zwischen der Klägerin und dem Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung E. zu den beschriebenen Streitigkeiten über die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung bei Verwendung des Buchführungsprogramms „KHK Classic Line“ gekommen war, gab die Klägerin für die Veranlagungszeiträume ab 2005 keine Steuererklärungen mehr ab.

U.a. vor diesem Hintergrund - und wegen der möglicherweise unzutreffend verbuchten Privatausgaben - leitete das Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung C1. im Dezember 2006 gegen Herrn S. H1. ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren ein, im Zuge dessen es einen steuerstrafrechtlichen Ermittlungsbericht vom ....2010 erstellte. Zudem führte das Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung C1. ab Oktober 2009 bei der Klägerin und ihren Gesellschaftern eine steuerliche Prüfung der Jahre 2005 bis 2008 durch. Im Bericht vom ....2010 über die steuerlichen Feststellungen gelangte es zu dem Ergebnis, dass eine Schätzungsbefugnis für die Jahre 2005 bis 2008 eröffnet sei und unter Berücksichtigung der Umsätze der Klägerin sowie geschätzter Betriebsausgaben von folgenden Gewinnen … im Bereich der Gesamthand der Klägerin auszugehen sei. Die Klägerin hat bereits am 15.10.2009 Klage erhoben und begehrt festzustellen, dass ihre Buchführung nicht aus dem Grund als formal ordnungswidrig angesehen werden könne, weil sie das Programm Sage-KHK Classic Line verwende.

Die Klage ist zulässig und hat Erfolg (FG Münster Urteil vom 15. 1. 2013 - 13 K 3764/09). Gem. § 41 Abs. 1 der FGO kann durch Klage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage). Die von der Klägerin begehrte Feststellung, dass die Buchführung der Klägerin nicht aus dem Grund als formal ordnungswidrig angesehen werden kann, dass das Programm Sage-KHK Classic Line verwendet wird, bezieht sich auf ein Rechtsverhältnis i.S.d. § 41 Abs. 1 FGO. Als Rechtsverhältnis ist eine bestimmte, aus einem konkreten Sachverhalt resultierende, auf Grund von Rechtsnormen geordnete rechtliche Beziehung zwischen Personen oder zwischen Personen und Sachen zu verstehen. Dies ist im Streitfall anzunehmen. Denn eine formelle Ordnungswidrigkeit der Buchführung hat weitreichende Folgen für die Beziehung zwischen der Klägerin einerseits und verschiedenen Finanzbehörden und Strafverfolgungsbehörden andererseits.

Die Klägerin besitzt das gem. § 41 Abs. 1 FGO erforderliche besondere Feststellungsinteresse. Für ein berechtigtes Interesse im Sinne des § 41 Abs. 1 FGO genügt jedes konkrete, vernünftigerweise anzuerkennende schutzwürdige Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art, sofern die begehrte Feststellung geeignet ist, in einem der genannten Bereiche zu einer Verbesserung der Position des Klägers zu führen, wobei dies vom Rechtsschutzsuchenden substantiiert darzulegen ist. Die Ausführungen im Betriebsprüfungsbericht vom ....2009, denen sich das FA zunächst anschloss, wonach die mit dem Buchführungsprogramm Sage-KHK Classic Line erstellte Buchführung der Klägerin bereits deshalb als formal nicht ordnungsgemäß anzusehen sei, weil die Klägerin keine Daten-CD‘s mit den steuerrelevanten Buchführungsdaten vorlegen und die Prüfungssoftware IDEA bzw. WinIDEA von den Betriebsprüfern nicht eingesetzt werden konnte, sind sachlich unrichtig. Gem. § 147 Abs. 1 Nr. 1 AO sind u.a. Bücher und Aufzeichnungen, Inventare, Jahresabschlüsse, Lageberichte, die Eröffnungsbilanz sowie sonstige Organisationsunterlagen geordnet aufzubewahren. Sind diese Unterlagen mit Hilfe eines Datenverarbeitungssystems erstellt worden, hat die Finanzbehörde gem. § 147 Abs. 6 Satz 1 AO im Rahmen einer Außenprüfung das Recht, Einsicht in die gespeicherten Daten zu nehmen und das Datenverarbeitungssystem zur Prüfung dieser Unterlagen zu nutzen. Gem. Satz 2 dieser Vorschrift kann sie im Rahmen einer Außenprüfung auch verlangen, dass die Daten nach ihren Vorgaben maschinell ausgewertet oder ihr die gespeicherten Unterlagen und Aufzeichnungen auf einem maschinell verwertbaren Datenträger zur Verfügung gestellt werden. Die Kosten trägt gem. § 147 Abs. 6 Satz 3 AO der Steuerpflichtige.

Aus den zitierten Vorschriften ergibt sich - entgegen der im Betriebsprüfungsbericht vom ....2009 vertretenen Rechtsauffassung - lediglich, dass der Steuerpflichtige für diejenigen Datenverarbeitungssysteme, die er tatsächlich verwendet, die Einsicht und Prüfung gestatten muss und eine maschinelle Auswertung bzw. einen maschinell verwertbaren Datenträger zur Verfügung stellen muss. Hingegen ergibt sich aus § 147 Abs. 6 AO nicht, dass der Steuerpflichtige auch Datenverarbeitungssysteme, die er wegen des Alters des Programms nicht verwendet, oder Datenträger, die sein System nicht erstellen kann, zur Verfügung stellen müsste. Dementsprechend besagt § 147 Abs. 6 AO auch nicht, dass ein Datenverarbeitungssystem CD-Rom‘s erstellen können muss, dass Disketten nicht genügen oder dass die maschinelle Datenauswertung IDEA- oder WinIDEA-fähig sein muss, obwohl das Programm wegen seines Alters solche Daten nicht unterstützt. Ebenso kann sich aus dem Fehlen dieser Datenträger bzw. Daten nicht die Ordnungswidrigkeit der Buchführung oder sonstige Nachteile für den Steuerpflichtigen ergeben, wenn und soweit die geforderten Datenträger bzw. Daten von dem verwendeten Buchführungsprogramm wegen seines Alters nicht hergestellt werden können.

Der Autor:

Udo Cremer ist geprüfter Bilanzbuchhalter (IHK) und hat die Steuerberaterprüfung mit Erfolg abgelegt. Er ist als Dozent für Steuer- und Wirtschaftsrecht tätig und veröffentlicht seit mehreren Jahren praxisorientierte Fachbücher zu den Themen Buchführung, Kostenrechnung, Preiskalkulation, Kennzahlen, Jahresabschluss und Steuerrecht. Daneben wirkt er als Autor an zahlreichen Fachzeitschriften und Loseblattsammlungen im Bereich der Buchhaltung und des Steuerrechts mit.

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