09.08.2016 — Volker Hartmann. Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.
Bei einem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer, also einem Geschäftsführer, der über mehr als 50 % der Stimmrechte verfügt, gilt abweichend das Fälligkeitsprinzip. Das bedeutet, dass der Arbeitslohn lohnsteuerlich stets im Zeitpunkt der Fälligkeit als zugeflossen gilt. Das gilt auch dann, wenn der Arbeitslohn von der Gesellschaft tatsächlich noch nicht ausgezahlt worden ist.
Mit Urteil vom 14.04.16, VI R 13/14, hat sich der Bundesfinanzhof mit der Rechtsfrage auseinandergesetzt, wie Rückzahlungen des beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführers an seinen Arbeitgeber zu behandeln sind, wenn dieser irrtümlich zu hohe Bezüge auszahlt.
Der Bundesfinanzhof stellte klar, dass die Rückzahlung von Arbeitslohn erst im Zeitpunkt des tatsächlichen Abflusses einkünftemindernd zu berücksichtigen ist. Auch bei beherrschenden Gesellschaftern ist der Abfluss einer Arbeitslohnrückzahlung erst im Zeitpunkt der Leistung und nicht bereits im Zeitpunkt der Fälligkeit der Rückforderung anzunehmen. Das bedeutet, dass bei der Rückzahlung von Arbeitslohn wie bei klassischen Arbeitnehmern auch das Zuflussprinzip und nicht das Fälligkeitsprinzip gilt.
Im hier streitigen Sachverhalt wurde im Rahmen einer Lohnsteueraußenprüfung festgestellt, dass der Arbeitgeber im Prüfungszeitraum irrtümlich Tantiemen und Urlaubsgeldansprüche des beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführers in unzutreffender Höhe ausgezahlt hatte. Die Gesellschaft forderte die überzahlten Beträge vom Gesellschafter-Geschäftsführer zurück.
Wenn ein beherrschender Gesellschafter-Geschäftsführer höhere Bezüge erhält als im Anstellungsvertrag vereinbart, liegt grundsätzlich eine verdeckte Gewinnausschüttung vor. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung liegt eine verdeckte Gewinnausschüttung im Sinne von § 20 Absatz 1 Nr. 1 Satz 2 EStG immer dann vor, wenn eine Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung einen Vermögensvorteil zuwendet und diese Zuwendung ihren Anlass im Gesellschaftsverhältnis hat. Dies ist der Fall, wenn ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsführer diesen Vorteil einem Nichtgesellschafter nicht zugewendet hätte.
Im hier vorliegenden Streitfall kommt der Bundesfinanzhof zu dem Ergebnis, dass hinsichtlich der versehentlich überhöht ausgezahlten Tantiemen und Urlaubsgelder keine verdeckte Gewinnausschüttung vorliegt. Es handelt sich vielmehr um Lohnzahlungen, die der Lohnversteuerung zu unterwerfen sind. Der Arbeitgeber erbrachte diese Leistungen, um seiner vermeintlichen arbeitsvertraglichen Verpflichtung zu genügen. Die überhöhten Zahlungen an den Arbeitnehmer gründeten dagegen nicht im Gesellschaftsverhältnis. Hierbei spielt es keine Rolle, dass der Arbeitgeber die Beträge unrichtig ermittelte und dementsprechend überhöhte Tantieme- und Urlaubsgeldzahlungen leistete. Nach gefestigter Rechtsprechung gehören auch versehentliche Überweisungen des Arbeitgebers zum steuerpflichtigen Arbeitslohn. Es konnten im hier streitigen Sachverhalt keine Anhaltspunkte dafür festgestellt werden, dass der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer die Überzahlungen aufgrund seiner Stellung als Gesellschafter zuwandte.
Nach Maßgabe von § 11 Absatz 2 Satz 1 EStG sind Ausgaben grundsätzlich in dem Kalenderjahr abzusetzen, in dem sie geleistet worden sind. Das hier normierte Abflussprinzip gilt auch für zurückgezahlten Arbeitslohn.
Daher ist die Rückzahlung des Arbeitslohns in dem Kalenderjahr steuerlich zu berücksichtigen, in dem die Rückzahlung tatsächlich geleistet wurde. Daher sind die vom Arbeitgeber zurückgeforderten Tantiemen und Urlaubsgelder erst in dem Kalenderjahr einkünftemindernd als negativer Arbeitslohn zu berücksichtigen, in dem die Arbeitslohnrückzahlung erfolgt ist.
Wie bereits dargelegt, ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs bei beherrschenden Gesellschaftern der Zufluss eines Vermögensvorteils nicht erst im Zeitpunkt der Zahlung oder im Zeitpunkt der Gutschrift auf dem Konto des Gesellschafter-Geschäftsführers, sondern bereits im Zeitpunkt der Fälligkeit der Forderung anzunehmen, sofern der Anspruch eindeutig, unbestritten und fällig ist und sich gegen eine zahlungsfähige Gesellschaft richtet. Die Rechtsprechung begründet dies damit, dass ein beherrschender Gesellschafter es regelmäßig selbst in der Hand hat, ihm zustehende Beträge zur Auszahlung gelangen zu lassen.
Dies gilt jedoch nicht im umgekehrten Fall, wenn die Gesellschaft als Arbeitgeber einen Anspruch gegen einen beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer hat. Nach Auffassung des Bundesfinanzhofs liegt hier keine die Zuflussfiktion rechtfertigende Beherrschungssituation vor. Der beherrschende Gesellschafter-Geschäftsführer beherrscht die Gesellschaft, die beherrschte Gesellschaft aber nicht den beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer. Die beherrschte Gesellschaft hat es regelmäßig nicht in der Hand, sich Beträge, die ihr der beherrschende Gesellschafter-Geschäftsführer schuldet, auszahlen zu lassen. Daher kann in diesem Fall nicht davon ausgegangen werden, dass der beherrschten Gesellschaft Forderungen gegen den beherrschenden Gesellschafter auf Rückzahlung des überzahlten Arbeitslohns bereits im Zeitpunkt der Fälligkeit zugeflossen sind. Auch bei einem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer ist der Abfluss einer Arbeitslohnrückzahlung erst im Zeitpunkt der tatsächlichen Leistung, also im Zeitpunkt des Zahlungsabflusses, und nicht bereits im Zeitpunkt der Fälligkeit der Forderung anzunehmen.
Der Autor:
Volker Hartmann ist Diplom-Finanzwirt, Lohnsteueraußenprüfer und Betriebsprüfer im aktiven Dienst der Hamburger Finanzverwaltung. Volker Hartmann hat langjährige Prüfungserfahrungen, insbesondere bei Kapitalgesellschaften aller Branchen und Größen. Er ist seit vielen Jahren Referent und Autor beim Verlag Dashöfer. Seine Seminare zeichnen sich durch eine besondere Praxisnähe aus.
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