27.09.2021 — Online-Redaktion Verlag Dashöfer. Quelle: Ernst & Young GmbH.
42 Prozent der Kreditinstitute rechnen mit Ertragseinbußen, vier Prozent sogar mit starken. Das geht aus der Kreditmarktstudie 2021 der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft EY hervor, für die 100 Kreditmanager von Banken und Sparkassen befragt wurden.
Das wahre Ausmaß der Covid-19-Krise wird sich nach Einschätzung der Institute aber erst im kommenden Jahr zeigen: 49 Prozent rechnen im ersten Halbjahr 2022 und 29 Prozent im zweiten Halbjahr 2022 mit zunehmenden Insolvenzen von Unternehmen und Privathaushalten. Da helfen aus Sicht der Banken auch staatliche Finanzierungshilfen für die Kreditnehmer nicht immer: 29 Prozent halten lediglich Teilrückzahlungen für wahrscheinlich, zwei Prozent befürchten Totalausfälle.
Insgesamt gehen daher 74 Prozent der Kreditinstitute davon aus, dass sich die Kreditqualität verschlechtern wird – d.h. dass die Bonität der Kreditnehmer leidet und die Ausfallwahrscheinlichkeit steigt.
Ihre Kreditvergabe wollen die Banken nach eigener Aussage dennoch ausweiten: Bei 61 Prozent soll die Neukreditvergabe in den kommenden zwölf Monaten steigen, nur bei 13 Prozent soll sie sinken. Die individuelle Bereitschaft steht allerdings im krassen Widerspruch zur Einschätzung für die Branche insgesamt: 45 Prozent der Bankmanager erwarten, dass die Branche die Neukreditvergabe zurückfahren wird.
Auf die Bankkunden kommen in Zukunft in jedem Fall höhere Anforderungen zu: 63 Prozent der befragten Banken werden in den nächsten zwölf Monaten höhere Dokumentations- und Sicherheitenanforderungen stellen. 44 Prozent wollen bessere Bonitäten verlangen und 40 Prozent strengere Financial Covenants durchsetzen, d.h. die Einhaltung bestimmter Kennzahlen wie Eigenkapital, Ertrag oder Liquidität auf Seiten des Kreditnehmers. Das sind jeweils deutlich mehr als in der Befragung im Vorjahr.
Einige Banken wollen sogar neue Kreditlinien gar nicht erst gewähren (16 Prozent) oder bestehende Kreditlinien kündigen. Das hatte im Vorjahr kein einziges befragtes Kreditinstitut vor.
„Das dicke Ende der wirtschaftlichen Auswirkungen durch die Corona-Pandemie steht aus Sicht der deutschen Kreditinstitute erst noch bevor“, sagt Michael Berndt, Partner in der Finanzdienstleistungsberatung bei EY EMEIA. „Entsprechend sind die Banken stärker auf Sicherheit bedacht. Auf Bankkunden kommen in Zukunft höhere Anforderungen bei der Kreditvergabe hinzu. Das gilt im Übrigen auch für ökologische oder soziale Kriterien: Über ein Drittel der Banken achtet schon jetzt darauf, dass Kreditnehmer diese erfüllen. Der Anteil wird künftig deutlich steigen. Kunden, die die Anforderungen erfüllen, können sich weiter auf die Banken als Partner verlassen: Ein Großteil der Institute will die Kreditvergabe ausweiten.“
„Die Belastungen für die Kreditinstitute haben noch einmal zugenommen“, ergänzt Christoph Roessle, Partner Strategie- und Transaktionsberatung Finanzdienstleistungen bei EY EMEIA. „Die Europäische Zentralbank hält die Zinsen auf dem denkbar niedrigsten Niveau und der von der EU eingeführte sogenannte NPL-Backstop, mit dem der Bestand an notleidenden Krediten (Non Performing Loans) reduziert und eingeschränkt werden soll, verlangt den Banken eine strengere Risikovorsorge ab. Weil der Ausfall von Krediten angesichts von anstehenden Insolvenzen immer wahrscheinlicher wird, lastet auf den Banken ein großer Druck, das Volumen gefährdeter Kredite zu verringern.“
Um das Problem mit notleidenden Krediten in den Griff zu bekommen, setzen die Banken vor allem auf eine individuelle Betreuung ihrer Kunden: Zwei Drittel (65 Prozent) räumen einer aktiv betriebenen Restrukturierung die höchste Priorität ein. Ein Drittel (32 Prozent) will NPLs über Einzeltransaktionen und 22 Prozent wollen sie über Portfoliotransaktionen veräußern.
Trotz dieser Bemühungen rechnen zahlreiche Institute mit einem spürbaren Anstieg des Anteils notleidender Kredite am eigenen Kreditportfolio: Jeder fünfte Bankmanager erwartet einen Anstieg der NPL-Quote um mehr als 20 Prozent.
Vor diesem Hintergrund sind die Banken verstärkt dabei, ihre Prozesse zu automatisieren und zu digitalisieren: 60 Prozent der Banken messen der Transformation ihres Kreditgeschäftes eine hohe Bedeutung zu, für 29 Prozent hat sie immerhin noch etwas Bedeutung. Erst 21 Prozent haben in dem Zuge wesentliche Teile ihres Kreditprozesses automatisiert und digitalisiert. 56 Prozent setzen die notwendigen Schritte derzeit um und weitere 18 Prozent planen dies.
Allerdings fehlt bei 40 Prozent der Banken die dafür nötige IT-Infrastruktur. Für 16 Prozent stehen die hohen Investitionskosten im Weg. Und jeweils 14 Prozent sehen Probleme im eigenen Geschäftsmodell, im Vorsprung von Konkurrenzplattformen von FinTechs sowie in der Qualifikation ihrer Mitarbeiter.
„Die Veränderungen in der Bankenlandschaft sollten für die Institute Anlass sein, die gegenwärtige sowie die künftige Position im Markt neu zu gestalten“, erläutert Roessle. „Insbesondere im Bereich digitale Lösungen tut sich die deutsche Kreditwirtschaft vergleichsweise schwer und hat noch Rückstände aufzuholen. Aktuell sind die deutschen Banken vorrangig mit den Herausforderungen der COVID-19-Krise beschäftigt statt aktiv die Banken von morgen auf den Weg zu bringen.“Berndt sieht den Druck auf die Banken weiter wachsen: „Auf der einen Seite muss die Zahl der notleidenden Kredite möglichst effektiv und schnell bewältigt werden. Auf der anderen Seite zwingen die wachsende Konkurrenz innovativer und online orientierter Finanzdienstleister sowie gestiegene Kundenerwartungen die Institute zu einer zügigen Transformation ihres Kreditgeschäfts. Nötig sind unter anderem Systeme, die den gesamten Lebenszyklus eines Kredits digital und integriert abbilden sowie KI- und Big-Data-Analysen.“
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