E-Bilanz - gelungene Entlastung oder Stückwerk?

11.10.2011  — Online-Redaktion Verlag Dashöfer.  Quelle: Fachverlag Verlagsgruppe Handelsblatt.

Experten-Standpunkte zum Start der elektronischen Bilanz 2012

Vom kommenden Frühjahr an können bilanzierungspflichtige Unternehmen die elektronische Übermittlung ihrer Bilanz an die Finanzverwaltung nutzen. Anstelle der Verpflichtung, die viel diskutierte E-Bilanz bereits 2012 verpflichtend anzuwenden, hat der Gesetzgeber den Unternehmen zahlreiche Erleichterungen gewährt. Auch bei der Gliederungstiefe der Taxonomie wurde eine Kompromisslinie gefunden, um die pünktliche Einführung dieses zentralen Bestandteils der E-Government-Strategie nicht zu gefährden. Ist das "Bürokratie-Monster" E-Bilanz, das viele befürchteten, damit entschärft? Welche Unsicherheiten bleiben? Vier Experten unterzogen die aktuellen Regelungen in der Zeitschrift Der Betrieb einer kritischen Analyse.

Der Kölner Wirtschaftswissenschaftler Prof. Dr. Norbert Herzig setzt sich mit den Verfahrenserleichterungen im Bereich der Taxonomie auseinander. Mit der Schaffung einer großen Anzahl von Auffangpositionen falle es Unternehmen leichter, ihre Bilanzierung an das neue System anzupassen. Dennoch sieht Herzig weiteren Klärungsbedarf: "Wie sich zeigt, schwelt der Konflikt zwischen einer möglichst weitgehenden Standardisierung von Steuerbilanz / GuV und einer möglichst geringen Einflussnahme auf das Buchungsverhalten weiter. (...) Auch wenn die aktuellen Entwicklungen Grund zu der Annahme geben, dass der Konflikt vorerst zu Gunsten eines möglichst geringen Bürokratieaufbaus entschieden werden soll, ist angesichts der vorstehenden Überlegungen im Sinne der Rechtssicherheit eine weitere Konkretisierung im endgültigen Anwendungsschreiben notwendig."

Kritisch geht Sven Fuhrmann, Leiter des National Tax Office bei Deloitte, mit der E-Bilanz ins Gericht. Insbesondere die Ausdehnung des Anwendungsbereichs auch auf Bilanzen aus Anlass von Betriebsveräußerungen und -aufgaben oder Änderungen der Gewinnermittlungsart sei nicht durch die zugrundeliegenden Gesetzesparagrafen gedeckt. Seine Kritik: Die E-Bilanz läuft aus dem Ruder. Klarheit vermisst Fuhrmann in der rechtlichen Bewertung, ob die Wahlmöglichkeit, die Anwendung der E-Bilanz um ein Jahr zu verschieben, als grundsätzliche Verlagerung des Anwendungszeitpunktes oder als Härtefallregelung zu werten ist: "Sofern das BMF klarstellt, dass es sich um eine Härtefallklausel handelt, sollte unter Verwendung von Beispielen definiert werden, wann die Härtefallklausel zur Anwendung kommen soll."

Robert Risse, Leiter der Steuerabteilung bei der Henkel & Co. KGaA in Düsseldorf, wertet die vielfältigen Erleichterungen der aktuellen Regelung positiv, vermisst jedoch ein ganzheitliches und schlüssiges Konzept der Finanzverwaltung für eine steuerliche Compliance: "An kritischen Punkten verbleibt der Umstand des Stückwerks. Als Teil eines Ganzen, eines umfassenden behördlichen Risikomanagements wird die Taxonomie bislang nicht verstanden und nicht als solche von der Finanzverwaltung erläutert. § 5b EStG ist deshalb nicht die Rechtsgrundlage für ein finanzbehördliches Risikomanagement." Er fordert die Finanzverwaltung auf, mit der Wirtschaft offen die geplanten Auswertungen aus den Daten der E-Bilanz zu diskutieren.

Ingetraut Meurer, Ministerialrätin im Bundesministerium der Finanzen, verteidigt die jetzt gefundenen Kompromisslinien. Die Pilotphase habe gezeigt, dass die elektronische Übermittlung von Bilanz und GuV technisch möglich ist. "Dem vielfach geäußerten Petitum, die Gliederungstiefe der Taxonomie zu reduzieren, wird entsprochen." Sie betont die Vorteile, die sich aus der medienbruchfreien Übertragung der Daten an die Finanzverwaltung ergeben: "Von der elektronischen Übermittlung wird nicht nur das reine Veranlagungsverfahren, sondern auch das Betriebsprüfungsverfahren profitieren und die Vorteile werden auch den Steuerpflichtigen zugute kommen; letztlich wird das Besteuerungsverfahren gleichmäßiger und gerechter." Der Aufwand für Betriebsprüfungen im Unternehmen sinke, weil diese aufgrund der elektronisch übermittelten Daten durch die Finanzverwaltung genauer und intensiver als bisher vorbereitet werden könnten, erwartet die Ministerialrätin.

Quelle: Fachverlag der Verlagsgruppe Handelsblatt

nach oben