Geringwertige Wirtschaftsgüter nach Handelsrecht

13.08.2013  — Udo Cremer, Dirk J. Lamprecht, Oliver Glück.  Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.

Unsere Experten Udo Cremer, Dirk J. Lamprecht und Oliver Glück erläutern die GWG-Regelung.

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Handelsrecht

Geringwertige Wirtschaftsgüter (kurz: GWG) bezeichnen Wirtschaftsgüter bzw. Vermögensgegenstände ausschließlich des Anlagevermögens, deren Anschaffungs- oder Herstellungskosten gering sind; was „gering“ ist, wurde durch das Einkommensteuergesetz zu verschiedenen Zeitpunkten unterschiedlich definiert. Die GWG-Regelungen sehen Erleichterungen bei der Bilanzierung und Abschreibung bestimmter Anlagegüter vor.

Das Thema GWG betrifft lediglich einen Teil des Anlagevermögens: abnutzbare, bewegliche Vermögensgegenstände, die einer selbstständigen Nutzung fähig sind*. D.h., Immobilien fallen ebenso wie immaterielle Vermögenswerte wie Patente oder Lizenzen nicht unter die Regelung. Software hingegen stellt ein selbstständig nutzbares bewegliches Wirtschaftsgut dar, sofern es sich um sog. Trivialprogramme handelt (z.B. Textverarbeitungsprogramm, Präsentationssoftware etc.), siehe auch den Beitrag → EDV-Software.

Da die GWG-Regelung auf steuerliche Vorschriften zurückzuführen ist, werden die wesentlichen Aspekte im Kapitel Steuerrecht behandelt, sofern nicht handelsrechtliche Besonderheiten (z.B. hinsichtlich der Anhangangaben) zu beachten sind.

1 Anwendungsbereich

Die Regelungen, die geringwertige Wirtschaftsgüter betreffen, finden sich in § 6 Abs. 2 und Abs. 2a EStG. Das Handelsrecht sieht geringwertige Wirtschaftsgüter bzw. deren abweichende Bilanzierung nicht explizit vor. Das Vollständigkeitsgebot des § 246 Abs. 1 Satz 1 HGB verlangt, sämtliche Vermögensgegenstände (auch solche von geringem Wert) in den Jahresabschluss aufzunehmen, sofern nicht gesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Die Regelungen zu den GWG basieren auf Handelsbrauch, dem Wesentlichkeitsgrundsatz und den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (GoB). Auf dieser Grundlage sind die steuerlichen GWG-Regelungen aus § 6 Abs. 2 und Abs. 2a EStG auch im Handelsrecht anwendbar.

Es handelt sich um ein Wahlrecht: die GWG-Regelung muss nicht angewandt werden; vielmehr können die GWG auch wie für das Anlagevermögen üblich aktiviert und über die Nutzungsdauer abgeschrieben werden.

2 Ansatz dem Grunde nach

Grundsätzlich sind die steuerrechtlichen Regelungen auch für die Handelsbilanz anwendbar, jedoch führt die sog. Poolbewertung zu einem Abweichen vom Grundsatz der Einzelbewertung, § 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB. Auch wird die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage eines Unternehmens u.U. verfälscht dargestellt, da der Sammelposten zwingend über fünf Wirtschaftsjahre hinweg aufgelöst wird, ohne dass Wertveränderungen berücksichtigt werden, die sich beispielsweise aufgrund des Ausscheidens oder einer außerplanmäßigen Abschreibung eines Wirtschaftsguts ergeben.

3 Ansatz der Höhe nach

Werden die steuerrechtlichen Regelungen übernommen, bestimmen sich die Anschaffungs- oder Herstellungskosten bzw. der Einlagewert der GWG nach den handelsrechtlichen Regelungen.

4 Beispiel

Eine GmbH schafft im Juli des Geschäftsjahrs 2013 75 Laptops für die Außendienstmitarbeiter an. Der Nettopreis je Laptop beträgt 400 Euro; Anschaffungsnebenkosten in Form von Versandkosten sind vernachlässigbar.

  • Alternative 1: Anwendung der 410-Euro-Regelung

    Die GmbH macht von der 410-Euro-Regelung Gebrauch und behandelt die 30.000 Euro (75 Stück à 400 Euro) als sofort abzugsfähige Betriebsausgaben, die den Gewinn in 2013 entsprechend mindern. In den Folgejahren der Nutzung fallen entsprechend keine weiteren Abschreibungen an.

  • Alternative 2: Sammelposten

    Die GmbH bildet in 2013 einen Sammelposten in Höhe von 30.000 Euro. In 2013 und in den Folgejahren 2014 bis 2017 werden linear 6.000 Euro Abschreibungen (20 Prozent von 30.000 Euro) verbucht.

  • Alternative 3: Behandlung als „normales“ Anlagevermögen (ohne GWG-Regelung)

    Die GmbH aktiviert die Laptops bei Zugang im Juli 2013 mit 30.000 Euro innerhalb der Betriebs- und Geschäftsausstattung.

    Die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer für Laptops beträgt laut amtlicher AfA-Tabelle drei Jahre, der lineare Abschreibungssatz entsprechend 33,3 Prozent (= 10.000 Euro p.a.). In 2013 kann eine anteilige Abschreibung für sechs Monate in Höhe von 5.000 Euro vorgenommen werden.

5 Anhangangaben

Nach § 284 Abs. 2 Nr. 1 HGB sind die angewandten Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden im Anhang anzugeben. Sofern von der GWG-Regelung in Ausübung des Wahlrechts Gebrauch gemacht wird, ist die Angabe zu den auf das Anlagevermögen angewandten Abschreibungsmethoden verpflichtend.

Das Stetigkeitsgebot* ist zu beachten, d.h., es kann handelsrechtlich nicht von Jahr zu Jahr neu entschieden werden, ob die GWG-Regelung angewandt wird oder nicht. Eine Änderung der Methode ist zu begründen; zudem sind die Auswirkungen auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage aufzuzeigen, § 284 Abs. 2 Nr. 3 HGB.

Da es sich bei GWG um Anlagevermögen handelt, fallen diese unter die Regelung des § 268 Abs. 2 HGB, wonach bei mittelgroßen und großen Kapitalgesellschaften* die Entwicklung des Anlagevermögens im Anhang, i.d.R. in einem Anlagenspiegel, darzustellen ist. Vgl. Beitrag → Anlagenspiegel.

Stand: 07/2013
Quelle: Verlag Dashöfer GmbH
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