13.08.2013 — Udo Cremer, Dirk J. Lamprecht, Oliver Glück. Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.
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Der Anwendungsbereich des § 6 Abs. 2 und Abs. 2a EStG beschränkt sich auf Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die bestimmte Wertgrenzen nicht überschreiten.
Ein geringwertiges Wirtschaftsgut liegt vor, wenn
es sich um ein abnutzbares bewegliches Wirtschaftsgut des Anlagevermögens handelt,
es selbstständig nutzungsfähig ist und
die Anschaffungs- oder Herstellungskosten oder der Einlagewert die in Abschnitt S. 3 genannten Betragsgrenzen nicht übersteigen.
Ein Wirtschaftsgut ist einer selbstständigen Nutzung nach § 6 Abs. 2 Sätze 2 und 3 EStG nicht fähig, wenn es nach seiner betrieblichen Zweckbestimmung nur zusammen mit anderen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens genutzt werden kann und die in den Nutzungszusammenhang eingefügten Wirtschaftsgüter technisch aufeinander abgestimmt sind (z.B. Drucker oder Monitore). Das gilt auch, wenn das Wirtschaftsgut aus dem betrieblichen Nutzungszusammenhang gelöst und in einen anderen betrieblichen Nutzungszusammenhang eingefügt werden kann.
Auszug aus dem ABC der selbstständig nutzungsfähigen Wirtschaftsgüter (H 6.13 EStH):
Bestecke in Gaststätten, Hotels, Kantinen (BFH vom 19. November 1953 – BStBl. 1954 III S. 18),
Einrichtungsgegenstände in Läden, Werkstätten, Büros, Hotels, Gaststätten, auch als Erstausstattung und in einheitlichem Stil (BFH vom 29. Juli 1966 – BStBl. 1967 III S. 61),
Fässer / Flaschen (BFH vom 1. Juli 1981 – BStBl. 1982 II S. 246),
Grundausstattung einer Kfz-Werkstatt mit Spezialwerkzeugen (BFH vom 17. Mai 1968 – BStBl. II S. 571),
Instrumentarium eines Arztes, auch als Grundausstattung (BFH vom 17. Mai 1968 – BStBl. II S. 566),
Kisten (BFH vom 1. Juli 1981 – BStBl. 1982 II S. 246),
Lampen als selbstständige Wirtschaftsgüter (Steh-, Tisch- und Hängelampen; BFH vom 17. Mai 1968 – BStBl. II S. 567),
Leergut (BFH vom 1. Juli 1981 – BStBl. 1982 II S. 246),
Möbel in Hotels und Gaststätten, auch als Erstausstattung (BFH vom 17. Mai 1968 – BStBl. II S. 566),
Müllbehälter eines Müllabfuhrunternehmens, auch Systemmüllbehälter,
Musterbücher und -kollektionen im Tapeten- und Buchhandel (BFH vom 25. November 1965 – BStBl. 1966 III S. 86),
Paletten zum Transport und zur Lagerung von Waren (BFH vom 9. Dezember 1977 – BStBl. 1978 II S. 322 und vom 25. August 1989 – BStBl. 1990 II S. 82),
Regale, die aus genormten Stahlregalteilen zusammengesetzt und nach ihrer betrieblichen Zweckbestimmung in der Regel auf Dauer in dieser Zusammensetzung genutzt werden (BFH vom 26. Juli 1979 – BStBl. 1980 II S. 176) sowie Regale, die zu Schrankwänden zusammengesetzt sind (BFH vom 9. August 2001 – BStBl. 2002 II S. 100),
Wäsche in Hotels (BFH vom 17. Mai 1968 – BStBl. II S. 566).
Auszug aus dem ABC der nicht selbstständig nutzungsfähigen Wirtschaftsgüter (H 6.13 EStH):
Beleuchtungsanlage als Lichtband zur Beleuchtung in Fabrikräumen und Werkhallen (BFH vom 5. Oktober 1956 – BStBl. III S. 376) oder zur Beleuchtung einzelner Stockwerke eines Wohnhauses (BFH vom 5. März 1974 – BStBl. II S. 353),
Bestuhlung in Kinos und Theatern (BFH vom 5. Oktober 1966 – BStBl. III S. 686),
Bohrer i.V.m. Werkzeugmaschinen (Maschinenwerkzeuge),
Drehbank mit als Antrieb eingebautem Elektromotor (BFH vom 14. Dezember 1966 –BStBl. 1967 III S. 247),
Elektromotor zum Einzelantrieb einer Maschine, einer Drehbank oder eines Webstuhls (BFH vom 16. Dezember 1958 – BStBl. 1959 III S. 77),
Ersatzteile für Maschinen usw. (BFH vom 17. Mai 1968 – BStBl. II S. 568),
Kühlkanäle (BFH vom 17. April 1985 – BStBl. 1988 II S. 126),
Maschinenwerkzeuge und -verschleißteile (BFH vom 6. Oktober 1995 – BStBl. 1996 II S. 166),
Peripheriegeräte einer PC-Anlage; dies gilt nicht für sog. Kombinations-Geräte und für externe Datenspeicher (BFH vom 19. Februar 2004 – BStBl. II S. 958),
Regalteile (BFH vom 20. November 1970 – BStBl. 1971 II S. 155; zu Regalen aus genormten Stahlregalteilen siehe Beispiele für selbstständig nutzungsfähige Wirtschaftsgüter).
In § 6 Abs. 2 und Abs. 2a EStG werden verschiedene Betragsgrenzen definiert (150 Euro, 410 Euro und 1.000 Euro), die unterschiedliche Möglichkeiten des sofortigen oder zumindest beschleunigten Betriebsausgabenabzugs eröffnen.
Die Anschaffungskosten und die Herstellungskosten entsprechen der allgemeinen handelsrechtlichen Definition des § 255 HGB unter Beachtung von steuerrechtlichen Sonderregelungen, R 6.2 EStR (Anschaffungskosten) und R 6.3 (Herstellungskosten). D.h. z.B., dass in die Anschaffungskosten auch die Anschaffungsnebenkosten einzubeziehen und Anschaffungspreisminderungen abzuziehen sind. Vgl. die Beiträge → Anschaffungskosten und → Herstellungskosten. Etwaige Zuschüsse sind ggf. abzuziehen*.
Nach § 9b Abs. 1 EStG gehört der Vorsteuerbetrag, soweit dieser bei der Umsatzsteuer abgezogen werden kann, nicht zu den Anschaffungs- und Herstellungskosten. Gem. R 9b EStR 2005 gilt dies auch bei Nichtabzugsfähigkeit der Vorsteuer: für die Frage, ob bei den geringwertigen Anlagegütern die Grenzen von 150, 1.000 oder 410 Euro überschritten sind, ist stets – d.h. unabhängig davon, ob der Vorsteuerbetrag umsatzsteuerrechtlich abziehbar ist – von den Anschaffungs- oder Herstellungskosten abzüglich eines darin enthaltenen Vorsteuerbetrags auszugehen. Die Abschreibung erfolgt für den Fall der Nichtabzugsfähigkeit jedoch von den um die Vorsteuer erhöhten Anschaffungskosten.
Einlagen sind nach § 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG mit dem Teilwert für den Zeitpunkt der Zuführung anzusetzen. Sie sind jedoch höchstens mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten anzusetzen, wenn das zugeführte Wirtschaftsgut innerhalb der letzten drei Jahre vor dem Zeitpunkt der Zuführung angeschafft oder hergestellt worden ist. Ist die Einlage ein abnutzbares Wirtschaftsgut, so sind die Anschaffungs- oder Herstellungskosten um Absetzung für Abnutzung zu kürzen, die auf den Zeitraum zwischen der Anschaffung oder Herstellung des Wirtschaftsguts und der Einlage entfallen, § 6 Abs. 1 Nr. 5 Satz 2 EStG. Zum Vorsteuerabzug vgl. § 15a UStG.
Betragen die Anschaffungs- oder Herstellungskosten nicht mehr als 410 Euro, können diese im Geschäftsjahr der Anschaffung, Herstellung oder Einlage in voller Höhe als Betriebsausgaben abgezogen werden, § 6 Abs. 2 Satz 1 EStG. Wird die 410-Euro-Regelung angewandt, unterliegen Wirtschaftsgüter über 410 Euro den üblichen Abschreibungsmethoden; d.h. für Wirtschaftsgüter zwischen 410 und 1.000 Euro kann dann nicht die im Folgenden beschriebene alternative Poolabschreibung angewandt werden.
§ 6 Abs. 2 Satz 4 EStG fordert, diejenigen GWG, deren (Netto-)Wert 150 Euro übersteigt, mit folgenden Daten in ein laufend zu führendes Verzeichnis (GWG-Verzeichnis) aufzunehmen: Anschaffungs- / Herstellungs- / Einlagedatum sowie Anschaffungs- oder Herstellungskosten bzw. Einlagewert. Falls diese Daten bereits aus der Buchführung ersichtlich sind, kann auf das GWG-Verzeichnis verzichtet werden, § 6 Abs. 2 Satz 5 EStG.
Liegen die Anschaffungs- oder Herstellungskosten oder der Einlagewert des Wirtschaftsguts über 150 Euro, aber nicht über 1.000 Euro, so kann – alternativ zur oben genannten 410-Euro-Regelung – das Wirtschaftsgut in einem Sammelposten erfasst werden. Der Sammelposten ist dann im Wirtschaftsjahr der Bildung und in den folgenden vier Wirtschaftsjahren mit jeweils 1/5 gewinnmindernd aufzulösen (mit anderen Worten: linear mit einem Abschreibungssatz von 20 Prozent p.a. abzuschreiben)*; eine zeitanteilige Abschreibung (auf Tages- oder Monatsbasis) im Zugangsjahr erfolgt nicht. Scheidet ein solches Wirtschaftsgut aus dem Betriebsvermögen aus (Gründe z.B.: Verkauf, Verschrottung, Diebstahl, Schwund oder außerplanmäßige Abschreibung), so wird der Sammelposten nicht vermindert, § 6 Abs. 2a Satz 3 EStG.
Die tatsächliche Nutzungsdauer der im Sammelposten befindlichen Wirtschaftsgüter spielt keine Rolle. Für den Fall, dass die betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauern der überwiegenden geringwertigen Anlagenzugänge unter fünf Jahren liegen, ist die Sammelbewertung für die Steueroptimierung nicht geeignet.
Werden die Anschaffungs- oder Herstellungskosten oder auch der Einlagewert von 150 Euro (§ 9b EStG) nicht überschritten, sind diese GWG sofort als Betriebsausgaben zu erfassen, § 6 Abs. 2a Satz 4 EStG.
Macht das Unternehmen von der Sammelbewertung nach § 6 Abs. 2a EStG Gebrauch, gilt dies nach § 6 Abs. 2a Satz 5 EStG einheitlich für alle in einem Wirtschaftsjahr angeschafften, hergestellten oder eingelegten Wirtschaftsgüter; d.h., es kann nicht für einzelne Wirtschaftsgüter die Sammelbewertung, für andere die 410-Euro-Regelung angewandt werden.
Allerdings kann steuerlich jedes Jahr erneut zwischen den beiden Alternativen gewählt werden; eine Ansatz- bzw. Bewertungsstetigkeit wie im HGB greift hier nicht. Das Unternehmen kann hier eine Strategie anwenden, die von den üblicherweise angeschafften GWG abhängt. Werden z.B. zahlreiche Laptops für unter 410 Euro erworben, bietet sich die Sofortabschreibung nach der 410-Euro-Regelung an. Werden hingegen eher Möbel wie z.B. Schreibtische für 800 Euro angeschafft, ist die Poolabschreibung die Methode der Wahl, da die Abschreibungsdauer pauschal gegenüber der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer wesentlich auf fünf Jahre verkürzt wird.
Für die Anschaffung oder Herstellung geringwertiger Wirtschaftsgüter wird eine Investitionszulage nach § 2 Abs. 1 Satz 2 InvZulG 2010 nicht gewährt.
Der Sammelposten nach § 6 Abs. 2a EStG ist kein Wirtschaftsgut, sondern stellt eine reine Rechengröße dar, so dass der Sammelposten nicht Gegenstand einer Teilwertabschreibung sein kann.
Nachträgliche Anschaffungs- oder Herstellungskosten von GWG i.S.d. § 6 Abs. 2a EStG erhöhen den Sammelposten des Wirtschaftsjahrs, in dem die Aufwendungen entstehen, R 6.13 Absatz 5 Satz 2 EStR. Fallen hingegen die nachträglichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten bereits im Wirtschaftsjahr der Investition an und übersteigt die Summe der (gesamten) Anschaffungs- oder Herstellungskosten in diesem Wirtschaftsjahr die Betragsgrenze von 1.000 Euro, kann § 6 Abs. 2a EStG nicht angewendet werden. Es erfolgt ein Zugang eines Wirtschaftsguts, das planmäßig abgeschrieben wird.
Die Regelungen zur Behandlung der GWG gelten sowohl für das notwendige wie auch für das gewillkürte Betriebsvermögen.
Eine GmbH schafft im Juli des Geschäftsjahrs 2013 75 Laptops für die Außendienstmitarbeiter an. Der Nettopreis je Laptop beträgt 400 Euro; Anschaffungsnebenkosten in Form von Versandkosten sind vernachlässigbar.
Alternative 1: Anwendung der 410-Euro-Regelung
Die GmbH macht von der 410-Euro-Regelung Gebrauch und behandelt die 30.000 Euro (75 Stück à 400 Euro) als sofort abzugsfähige Betriebsausgaben, die den Gewinn in 2013 entsprechend mindern. In den Folgejahren der Nutzung fallen entsprechend keine weiteren Abschreibungen an.
Alternative 2: Sammelposten
Die GmbH bildet in 2013 einen Sammelposten in Höhe von 30.000 Euro. In 2013 und in den Folgejahren 2014 bis 2017 werden linear 6.000 Euro Abschreibungen (20 Prozent von 30.000 Euro) verbucht.
Alternative 3: Behandlung als „normales“ Anlagevermögen (ohne GWG-Regelung)
Die GmbH aktiviert die Laptops bei Zugang im Juli 2013 mit 30.000 Euro innerhalb der Betriebs- und Geschäftsausstattung.
Die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer für Laptops beträgt laut amtlicher AfA-Tabelle drei Jahre, der lineare Abschreibungssatz entsprechend 33,3 Prozent (= 10.000 Euro p.a.). In 2013 kann eine anteilige Abschreibung für sechs Monate in Höhe von 5.000 Euro vorgenommen werden.