Jeder zweite Mittelständler fürchtet Verschlechterung der Wirtschaftslage

06.09.2011  — Online-Redaktion Verlag Dashöfer.  Quelle: Ernst und Young Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaft m.b.H..

Ernst & Young-Umfrage "Mittelstandsbarometer": Geschäftslage nach Börsencrash kaum eingetrübt / Aber deutlich pessimistischere Prognosen / Schuldenkrise wird Hauptrisiko / Unternehmen wollen dennoch mehr Mitarbeiter einstellen und stärker investieren / Nur jeder vierte Mittelständler kann freie Stellen problemlos besetzen / Umsatzeinbußen wegen Fachkräftemangel von 33 Milliarden Euro

Deutschlands Mittelständler blicken zunehmend sorgenvoll in die Zukunft. Die Geschäftsprognosen haben sich leicht eingetrübt, die Konjunkturerwartungen sind geradezu eingebrochen: 45 Prozent der mittelständischen Unternehmen prognostizieren aktuell eine Verschlechterung der Wirtschaftslage in Deutschland in den kommenden Monaten, nur 15 Prozent erwarten einen weiteren Aufschwung. Zu Beginn des Jahres gingen noch 61 Prozent von einer Verbesserung der Wirtschaftslage aus. Sorgen bereitet den Unternehmen vor allem die europäische Schuldenkrise, die zunehmend die Realwirtschaft beeinträchtigt – 63 Prozent der Unternehmer fürchten sogar eine neue Wirtschaftskrise. Noch aber trotzt der deutsche Mittelstand der erwarteten Konjunktureintrübung und stellt sogar die Weichen für weiteres Wachstum: Jeder vierte Mittelständler will zusätzliche Jobs schaffen, jeder dritte will mehr investieren. Das sind Ergebnisse des „Mittelstandsbarometers Sommer 2011“ der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft Ernst & Young. Die Studie wird halbjährlich durchgeführt, ihr liegt eine Umfrage unter 700 mittelständischen Unternehmen in Deutschland zugrunde.1

Die Geschäftslage im deutschen Mittelstand hat sich in den vergangenen Monaten leicht eingetrübt – ist aber nach wie vor sehr positiv: 94 Prozent der Mittelständler sind mit der aktuellen Geschäftslage zufrieden, fast jeder zweite (45 Prozent) bezeichnet sie sogar als uneingeschränkt gut. Das sind allerdings etwas weniger als noch zu Jahresbeginn, als 52 Prozent der Mittelständler rundum zufrieden waren. Die Talfahrt an den Weltbörsen hat bislang keine Spuren in der Umsatzentwicklung der Mittelständler hinterlassen: 11 Prozent der Unternehmen haben zwischen Mitte Juli und Mitte August ihren Umsatz gesteigert, ebenso viele berichten von leichten Umsatzrückgängen.

Die Zahl der Optimisten geht allerdings deutlich zurück: Derzeit erwarten 31 Prozent der Unternehmer eine Verbesserung der eigenen Geschäftslage, Anfang des Jahres gaben sich noch 52 Prozent optimistisch. Der Anteil der Unternehmen, die mit einer Verschlechterung der eigenen Lage rechnen, steigt von 5 auf 12 Prozent.

Noch deutlich stärker haben sich die Konjunkturerwartungen eingetrübt: Fast jeder zweite Mittelständler (45 Prozent) geht derzeit von einer Verschlechterung der Wirtschaftslage in den kommenden sechs Monaten aus, nur 15 Prozent setzen auf eine Fortsetzung des Aufschwungs.

„Der Aufschwung in Deutschland hat seinen Zenit überschritten, die Geschäftslage ist aber nach wie vor ausgesprochen gut“, stellt Peter Englisch, Leiter Mittelstand und Partner bei Ernst & Young, fest. Eine Wirtschaftskrise, vor der sich immerhin 63 Prozent der Mittelständler fürchten, sieht Englisch aber nicht: „Dass es früher oder später zu einer Abkühlung kommen musste, war klar. Es spricht aber viel dafür, dass wir eher eine Abschwächung des Wachstums als einen echten Abschwung oder gar eine Rezession erleben werden“.

Die massiv eingebrochenen Konjunkturerwartungen der Unternehmen spiegeln nach Englischs Meinung nicht die realen Wirtschaftsperspektiven sondern vielmehr die erhebliche Verunsicherung angesichts der schwelenden Schuldenkrise in Europa wider: „Solange es den europäischen Regierungen nicht gelingt, die Märkte zu beruhigen und glaubwürdige Lösungen des Schuldenproblems zu präsentieren, wird die Berg- und Talfahrt an den Börsen weitergehen und die Verunsicherung der Unternehmen wachsen“, prognostiziert Englisch und fasst zusammen: „Die Politik ist inzwischen zur Achillesverse der Konjunktur geworden“. Tatsächlich ist die europäische Schuldenkrise inzwischen aus Sicht der Mittelständler der wichtigste Risikofaktor: 82 Prozent der Befragten geben an, dass ihnen die hohen Staatsschulden und die daraus resultierende Schuldenkrise große Sorgen bereiten – 44 Prozent machen sich sogar sehr große Sorgen.

Jobmotor Mittelstand läuft dennoch weiter rund

Noch aber stehen beim deutschen Mittelstand die Zeichen weiter auf Wachstum: Die Auftragslage ist nach wie vor sehr gut, die Kapazitätsauslastung ebenfalls. Und trotz der eingetrübten Geschäftsprognosen will der Mittelstand nicht nur mehr investieren, sondern auch zusätzliche Mitarbeiter einstellen: Gut jeder vierte will die Belegschaft aufstocken, nur 9 Prozent planen einen Personalabbau.

Per Saldo ist daher mit einem weiteren, wenn auch gebremsten Anstieg der Beschäftigtenzahl im deutschen Mittelstand zu rechnen. „Der Jobmotor Mittelstand läuft nach wie vor rund“, beobachtet Englisch. „Sollte sich die Situation an den Börsen in den kommenden Monaten beruhigen, könnte das deutsche Jobwunder anhalten, was wiederum den privaten Konsum fördern und der Konjunktur zusätzliche Kraft verleihen würde“.

Dabei dürften immer mehr Unternehmen allerdings Probleme haben, ihre Vakanzen rasch zu füllen: Immerhin 73 Prozent der Mittelständler berichten von Schwierigkeiten bei der Suche nach neuen Mitarbeitern. Jeder neunte bezeichnet es sogar als sehr schwierig, ausreichend qualifizierte Mitarbeiter zu finden – und eine Entspannung der Lage ist nicht in Sicht: Die Mehrheit der deutschen Mittelständler (65 Prozent) erwartet, dass es in den kommenden drei Jahren (noch) schwieriger wird, geeignete Fach- und Führungskräfte zu finden.

Fachkräftemangel kostet Milliarden

Immer mehr Unternehmen müssen Aufträge ablehnen, weil ihnen Personal fehlt. So beklagt mehr als die Hälfte der befragten mittelständischen Unternehmen (60 Prozent) Umsatzeinbußen aufgrund fehlender Fachkräfte – 15 Prozent der befragten Unternehmen berichten sogar von erheblichen Einbußen von mehr als 5 Prozent. Der deutschen Wirtschaft entsteht durch nicht realisierte Umsätze ein erheblicher Schaden: Auf Basis der Befragungsergebnisse lässt sich für den gesamten deutschen Mittelstand (Unternehmen mit Umsätzen von 5 bis 250 Millionen Euro) hochrechnen, dass es zu Einnahmeausfällen bzw. nicht realisierten Umsätzen in Höhe von 33 Milliarden Euro im Jahr2 kommt.

„Der Schaden, der durch den Fachkräftemangel verursacht wird, ist bereits heute beträchtlich“, kommentiert Jens Maßmann, Managing Partner Performance & Reward bei Ernst & Young. „Er wird aber in Zukunft noch deutlich steigen und sich zu einem erheblichen Problem für die deutsche Wirtschaft auswachsen. Und gerade die mittelständischen Unternehmen drohen im verschärften Wettbewerb um ein knapper werdendes Arbeitskräftepotenzial ins Hintertreffen zu geraten“.

Vertriebsmitarbeiter gesucht – Gehaltserhöhungen aber unwahrscheinlich

Besonders in den Bereichen Vertrieb/Kundendienst und in der Produktion fehlen derzeit Fachkräfte: Fast jeder zweite deutsche Mittelständler (46 Prozent) sucht Vertriebsmitarbeiter, immerhin 38 Prozent haben Stellen in der Produktion zu besetzen. Um im Wettbewerb um knappe Talente zu bestehen, setzen die Unternehmen derzeit vor allem auf Trainings- und Weiterbildungsmaßnahmen für die eigene Belegschaft – in der Hoffnung, so die Mitarbeiter an das Unternehmen zu binden. Gehaltserhöhungen oder die Anwerbung ausländischer Fachkräfte stehen hingegen nur für eine Minderheit der Mittelständler auf der Agenda.

Um zu verhindern, dass sich der Fachkräftemangel zu einem existenziellen Problem entwickelt, müssen die Unternehmen rechtzeitig gegenzusteuern und tragfähige Strategien entwickeln. Dabei sei Kreativität gefragt, so Maßmann: „Ob stärkere innerbetriebliche Weiterbildung, Kooperationen mit Hochschulen oder anderen Mittelständlern aus der Region, flexible Arbeitszeiten, Stärkung der eigenen Attraktivität als Arbeitgeber durch die Einrichtung eines Betriebskindergartens – es gibt viele Möglichkeiten, wie Unternehmen ihre Attraktivität steigern können“. Relativ viele Mittelständler setzen zumindest einige dieser Maßnahmen bereits um: Derzeit bieten beispielsweise fast die Hälfte der Unternehmen flexible Arbeitszeitmodelle, gut jeder dritte Mittelständler setzt auf ein familienfreundliches Umfeld und Kinderbetreuungsangebote – aber nur 16 Prozent der Unternehmen kooperieren mit anderen Unternehmen.

1 Die Befragung fand zwischen dem 15. und 22. August 2011 statt.
2 Nur im Mittelstand (Unternehmen mit 30 bis 2.000 Mitarbeitern) ohne Kleinunternehmen bzw. Großunternehmen.

Download der Studie

Lesen Sie die Ergebnisse des Ernst & Young Mittelstandsbarometers Deutschland - September 2011 (272 KB, 22 Seiten).

Quelle: Ernst & Young GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft
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