Rückgängigmachung eines Investitionsabzugsbetrags (Kommentar von Udo Cremer)

15.10.2019  — Udo Cremer.  Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.

Wenn der Investitionsabzugsbetrag versagt wird, muss vor Gericht die Inanspruchnahme des Abzugs nach § 7g Abs. 1 EStG geprüft werden. Doch das reicht nicht aus, wie ein BFH, Urteil (X R 13/17) zeigt, das Udo Cremer für Sie kommentiert.

Wurde der vom Steuerpflichtigen geltend gemachte Investitionsabzugsbetrag vom FA versagt, hat das FG nicht nur die Voraussetzungen für dessen Inanspruchnahme nach § 7g Abs. 1 EStG zu prüfen. Gleichzeitig muss es auch klären, ob einem gewinnmindernden Abzug die in § 7g Abs. 3 Satz 1 EStG angeordnete Rückgängigmachung des Investitionsabzugsbetrags entgegensteht, wenn zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem FG der dreijährige Investitionszeitraum (möglicherweise ohne Anschaffung des begünstigten Wirtschaftsgutes) bereits abgelaufen war.

Die Kläger sind Eheleute, die für das Streitjahr (2009) zur Einkommensteuer zusammenveranlagt werden. Der Kläger erzielt als Wirtschaftsinformatiker gewerbliche Einkünfte; seinen Gewinn ermittelt er durch Einnahmen-Überschussrechnung. Im Rahmen seiner Gewinnermittlung für das Streitjahr machte er einen Investitionsabzugsbetrag (IAB) in Höhe von insgesamt 70.000 € geltend. Die begünstigten Wirtschaftsgüter bezeichnete der Kläger wie folgt: "Beleuchtungsanlagen neue Büroräume", "Elektroinstallation Schulungsraum", "Klimagerät für EDV-Anlagen", "Konferenztisch mit Stühlen für Besprechungs-/Schulungsraum", "Mobiliar Empfangsbereich neue Büroräume, Photovoltaikanlage", "Trennwände Schulungsraum", "Tresor- und Alarmanlage".

Die Höhe der voraussichtlichen Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten dieser Wirtschaftsgüter bezifferte er mit 175.000 €. Nach einer Außenprüfung beim Einzelunternehmen des Klägers änderte das FA den ursprünglichen Einkommensteuerbescheid 2009 zum Nachteil der Kläger ab. Im Rahmen des nachfolgenden Einspruchsverfahrens setzte das FA nach entsprechendem Verböserungshinweis die Einkommensteuer für 2009 u.a. deshalb höher fest, weil der bei der Veranlagung gewährte IAB mangels Nachweises der beabsichtigten Investitionen zu versagen sei.

Mit ihrer u.a. gegen die Einkommensteuerfestsetzung für 2009 gerichteten Klage machten die Kläger geltend, der IAB sei zu Recht in Anspruch genommen worden. Der Kläger habe den IAB in seiner Gewinnermittlung für das Jahr 2009 deklariert und seine Investitionsabsicht dargelegt. Zudem seien die angegebenen Wirtschaftsgüter in den Folgejahren zum Teil tatsächlich angeschafft worden. Während der mündlichen Verhandlung vor dem FG am 6. Juni 2016 erklärte das FA, eine tatsächliche Anschaffung derjenigen Wirtschaftsgüter, für die der IAB gebildet worden sei, sei nicht nachgewiesen worden. Der Prozessbevollmächtigte der Kläger gab an, lediglich die Wirtschaftsgüter „Beleuchtungsanlagen für neue Büroräume", "Elektroinstallation im Schulungsraum", "Konferenztisch mit Stühlen für den Besprechungs-/Schulungsraum" sowie die "Photovoltaikanlage" seien angeschafft worden.

Das FG gab der Klage mit dem in EFG 2017, 1430 veröffentlichten Urteil hinsichtlich des Streitjahres statt. Der Kläger könne einen IAB in Höhe von 70.000 € ansetzen. Für die Bildung eines IAB werde nach § 7g Abs. 1 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung nicht vorausgesetzt, dass die geplante Investition später tatsächlich durchgeführt werde. Die Nichtdurchführung der Investition innerhalb des Investitionszeitraums führe nur dazu, dass der Abzug nach § 7g Abs. 3 EStG rückgängig gemacht werden müsse. Mit seiner Revision rügt das FA, das FG habe einen IAB zugesprochen, obwohl im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung bereits die Voraussetzungen für eine Rückgängigmachung nach § 7g Abs. 3 EStG vorgelegen hätten. So sei der dreijährige Investitionszeitraum (2010 bis 2012) abgelaufen gewesen, ohne dass der Kläger die beabsichtigten Investitionen (auch nach eigenem Bekunden) in dem von ihm geltend gemachten Umfang durchgeführt habe.

Die Revision ist begründet (BFH, Urteil vom 20.3.2019, X R 13/17). Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, soweit das FG der Klage bezüglich der Einkommensteuer 2009 stattgegeben hat, und zur Zurückverweisung der nicht spruchreifen Sache an das FG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung.

Zwar ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das FG das Vorliegen der Voraussetzungen des § 7g Abs. 1 EStG bezüglich der vom Kläger angegebenen Wirtschaftsgüter (mit Ausnahme der Photovoltaikanlage) bejaht hat. Das Urteil ist dennoch aufzuheben, soweit darin der Klage bezüglich des Einkommensteuerbescheids 2009 stattgegeben wurde. Das FG hat rechtsfehlerhaft nicht geprüft, ob bzw. in welcher Höhe einem gewinnmindernden Abzug die in § 7g Abs. 3 Satz 1 EStG angeordnete Rückgängigmachung des IAB entgegensteht, da zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem FG der dreijährige Investitionszeitraum möglicherweise ohne Anschaffung der begünstigten Wirtschaftsgüter bereits abgelaufen war.

Das FG hat in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise angenommen, dass die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des IAB nach § 7g Abs. 1 EStG (mit Ausnahme des auf die Photovoltaikanlage entfallenden IAB) im Streitjahr grundsätzlich vorlagen. Im Rahmen der Zurückverweisung wird das FG im zweiten Rechtsgang in tatsächlicher Hinsicht aber noch zu ermitteln haben, ob es sich bei der Photovoltaikanlage (falls diese tatsächlich angeschafft wurde) überhaupt um ein bewegliches und damit begünstigtes Wirtschaftsgut i.S. des § 7g Abs. 1 Satz 1 EStG handelt. Darüber hinaus bedarf es wegen der Zuordnung des auf die Photovoltaikanlage entfallenden IAB der Klärung, ob die gewerbliche Tätigkeit als Wirtschaftsinformatiker einerseits und der Betrieb der Photovoltaikanlage andererseits nach dem Gesamtbild der Verhältnisse einen einheitlichen Gewerbebetrieb bilden oder ob nicht vielmehr ungleichartige, sich nicht ergänzende Tätigkeiten und damit zwei selbständige Betriebe vorliegen.

Das Urteil ist aufzuheben, soweit darin der Klage bezüglich des Einkommensteuerbescheids 2009 stattgegeben wurde. Das FG hat rechtsfehlerhaft nicht geprüft, ob bzw. in welcher Höhe einem gewinnmindernden Abzug die in § 7g Abs. 3 Satz 1 EStG angeordnete Rückgängigmachung des IAB entgegensteht, da zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem FG der dreijährige Investitionszeitraum möglicherweise ohne Anschaffung der benannten Wirtschaftsgüter bereits abgelaufen war. Die gewinnerhöhende Hinzurechnung des für das begünstigte Wirtschaftsgut in Anspruch genommenen IAB ist nach § 7g Abs. 2 Satz 1 EStG im Wirtschaftsjahr der Anschaffung oder Herstellung dieses Wirtschaftsguts vorzunehmen.

Die Vorschrift betrifft den "Regelfall", dass der Steuerpflichtige den Abzugsbetrag ordnungsgemäß in Anspruch genommen hat und später das begünstigte Wirtschaftsgut anschafft oder herstellt. Nach § 7g Abs. 3 Satz 1 EStG ist der Abzug nach § 7g Abs. 1 EStG hingegen rückgängig zu machen, soweit der IAB nicht bis zum Ende des dritten auf das Wirtschaftsjahr des Abzugs folgenden Wirtschaftsjahres nach § 7g Abs. 2 EStG hinzugerechnet wurde. § 7g Abs. 3 EStG ist zwingend anzuwenden, soweit eine begünstigungsfähige Investition unterblieben ist. Nach diesen Maßstäben hätte das FG zum Zeitpunkt seiner Entscheidung am 6. Juni 2016 im Hinblick auf § 7g Abs. 3 EStG feststellen müssen, ob die für die Bildung des IAB benannten Wirtschaftsgüter tatsächlich bis zum Ende des dritten auf das Wirtschaftsjahr des Abzugs folgenden Wirtschaftsjahres (hier: 2012) angeschafft wurden.

Soweit eine Anschaffung (wie der Kläger für einen Teil der in Rede stehenden Wirtschaftsgüter behauptet) innerhalb des Investitionszeitraumes (2010 bis 2012) erfolgt sein sollte, hätte der Kläger jeweils den für das begünstigte Wirtschaftsgut in Anspruch genommenen IAB im Jahr der Anschaffung gewinnerhöhend hinzurechnen müssen. Dies ist nicht erfolgt. Soweit die begünstigten Wirtschaftsgüter allerdings nicht innerhalb des Investitionszeitraums angeschafft worden sein sollten, wäre der für das Streitjahr grundsätzlich anzuerkennende IAB wegen § 7g Abs. 3 EStG wieder rückgängig zu machen. Durch die vorliegend gegebene Besonderheit einer zeitgleichen Prüfung gegenläufiger Vorschriften (§ 7g Abs. 1 EStG einerseits und § 7g Abs. 3 EStG andererseits) zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des FG kommt im Streitfall eine vollständige, zumindest aber teilweise Neutralisierung des IAB in Betracht.

Die hiernach wegen der möglichen Gewinnauswirkung für das Streitjahr erforderliche Prüfung des § 7g Abs. 3 Satz 1 EStG hat das FG unterlassen, obwohl der Prozessbevollmächtigte des Klägers in der mündlichen Verhandlung selbst vorgetragen hatte, es seien nicht alle begünstigten Wirtschaftsgüter angeschafft worden.

Der erkennende Senat kann selbst nicht abschließend beurteilen, inwieweit im Streitfall die Voraussetzungen für eine Änderung nach § 7g Abs. 3 Satz 1 EStG gegeben sind, da das FG hierzu nicht die erforderlichen Feststellungen getroffen hat. Im Übrigen ergibt sich aus den vom Kläger vorgelegten Unterlagen nicht eindeutig, dass die angeblich angeschafften Wirtschaftsgüter ("Beleuchtungsanlagen für neue Büroräume", "Elektroinstallation im Schulungsraum", "Konferenztisch mit Stühlen für den Besprechungs-/Schulungsraum" sowie die "Photovoltaikanlage") tatsächlich Bestandteil seines Anlagevermögens wurden. Kaufvertragsunterlagen oder sonstige Nachweise hat der Kläger hierfür nicht beigebracht. Die Sache ist deshalb zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuverweisen.

Der Autor:

Udo Cremer

Udo Cremer ist geprüfter Bilanzbuchhalter (IHK) und hat die Steuer­beraterprüfung mit Erfolg abgelegt. Er ist als Dozent für Steuer- und Wirtschaftsrecht tätig und veröffentlicht seit mehreren Jahren praxis­orientierte Fachbücher zu den Themen Buchführung, Kostenrechnung, Preiskalkulation, Kennzahlen, Jahresabschluss und Steuerrecht. Daneben wirkt er als Autor an zahlreichen Fachzeitschriften und Loseblatt­sammlungen im Bereich der Buchhaltung und des Steuerrechts mit.

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