30.06.2015 — Timm Haase. Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.
Im verhandelten Fall hatte sich ein selbständiger EDV-Berater über ein Internetportal bei zwei verschiedenen Agenturen für die Ausführung eines Projektes beworben. Auftraggeber beider Vermittlungsagenturen war dasselbe Unternehmen. Agentur 1 vermittelte dem EDV-Berater ein Interview bei dem Hauptauftraggeber, welches für den Berater positiv verlief. Schlussendlich kam der Auftrag allerdings zwischen Agentur 2 und dem Hauptauftraggeber sowie dem EDV-Berater zustande. Agentur 1 drohte dem Berater daraufhin mit Schadenersatz wegen Vertragsbruchs. Der Berater bilanzierte daraufhin zum Bilanzstichtag eine Rückstellung, die jedoch das Finanzamt nicht anerkennen wollte.
Der EDV-Berater bilanzierte im vorliegenden Fall eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten. Der Ansatz einer Verbindlichkeitsrückstellung ist dabei an drei kumulativ zu erfüllende Voraussetzungen geknüpft:
Insbesondere am zweiten Kriterium, der Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme, hat das Finanzgericht ernsthafte Zweifel geäußert. Nach seiner Auffassung ist ein Ansatz einer Rückstellung für Schadenersatzverpflichtungen, die sich aus einem Vertragsverhältnis ergeben, nur dann zulässig, wenn der Steuerpflichtige ernsthaft von dem Bestehen einer Verpflichtung ausgehen musste sowie die Inanspruchnahme wahrscheinlich war.
Im Ergebnis versagte das Finanzgericht den Ansatz der Rückstellung mit der Begründung, dass der EDV-Berater am Bilanzstichtag nicht ernsthaft von der Geltendmachung der Sanktionen ausgehen musste. Vielmehr lag lediglich die bloße Möglichkeit der Inanspruchnahme vor, die jedoch keine ausreichend hohe Wahrscheinlichkeit aufwies.
Nach ständiger Rechtsprechung müssen für die Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme mehr Gründe dafür als dagegen sprechen. Zudem darf der Steuerpflichtige im Hinblick auf eine Inanspruchnahme aufgrund des im HGB verankerten Vorsichtsprinzips nicht die pessimistischste Annahme wählen. Das Kriterium der Wahrscheinlichkeit kann sich dabei auf betriebsindividuelle oder branchenübliche Erfahrungen der Vergangenheit stützen. Die Feststellung der Wahrscheinlichkeit ist im Wesentlichen einzelfallbezogen, wobei auf den Steuerpflichtigen die Beweislast entfällt.
Quelle: FG Baden-Württemberg Urteil vom 19.3.2015, 13 K 540/13
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