Fremdkapitalzinsen

Stand: 20.11.2014

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Fremdkapitalzinsen als Herstellungskosten?

Das Handelsrecht stellt zunächst in § 255 Abs. 3 Satz 1 HGB als Grundsatz fest: Zinsen für Fremdkapital gehören nicht zu den Herstellungskosten. D.h., ein Einbezug von tatsächlich aufgewendeten Fremdkapitalzinsen (ganz abgesehen von im externen Rechnungswesen generell nicht berücksichtigungsfähigen kalkulatorischen Zinsen) in Form z.B. eines Gemeinkostenzuschlags in das Kalkulationsschema zur Ermittlung der Herstellungskosten kommt nicht in Betracht.

Allerdings sieht das HGB in § 255 Abs. 3 Satz 2 HGB eine Ausnahme von diesem Grundsatz vor, in deren Fall eine Aktivierung erfolgen kann. Danach dürfen Zinsen für Fremdkapital, das zur Finanzierung der Herstellung eines Vermögensgegenstands verwendet wird, angesetzt werden (Einbeziehungswahlrecht), sofern die Zinsen auf den Zeitraum der Herstellung entfallen. Durch das BilMoG ergaben sich keine Änderungen hinsichtlich dieser Regelung. Voraussetzung für die Aktivierung der Zinsen ist, dass das Fremdkapital einem Herstellungsvorgang sachlich und zeitlich zugerechnet werden kann.

§ 255 Abs. 3 HGB beschränkt sich explizit auf Zinsen, d.h. andere Aufwendungen im Zusammenhang mit der Kapitalbeschaffung wie z.B. Kreditprovisionen oder Bereitstellungszinsen fallen nicht darunter und können somit nicht aktiviert werden.

Das Bewertungswahlrecht bezieht sich dem Wortlaut nach ausschließlich auf Herstellungsvorgänge bzw. Herstellungskosten, während an anderen Stellen im HGB oftmals der Begriff Anschaffungs- und Herstellungskosten im Gleichklang genannt wird. Damit ist ein Einbezug von Fremdkapitalzinsen in die Anschaffungskosten im Regelfall ausgeschlossen.

Sofern es sich um Herstellungsvorgänge handelt, kann unter den genannten Voraussetzungen von dem Einbeziehungswahlrecht der Fremdkapitalzinsen in die Herstellungskosten Gebrauch gemacht werden.

Für die Aktivierung von Fremdkapitalzinsen kommen ausschließlich diejenigen in Betracht, die in dem Zeitraum von Beginn bis Ende der Herstellung anfallen. Dabei kann der Herstellungszeitraum auch vorbereitende Handlungen (z.B. Planung, behördliche Genehmigungsprozesse) umfassen, sofern der herzustellende Vermögensgegenstand bereits hinreichend konkretisiert ist; die Beschaffung von Werkstoffen zählt hingegen noch nicht zum Herstellungsvorgang, vgl. auch IDW RS HFA 31.

Der Herstellungszeitraum endet mit der Fertigstellung des Vermögensgegenstands, d.h. mit der Möglichkeit, ihn entsprechend seiner Bestimmung zu verwenden (Beispiel: ein Schiff ist abnahme- bzw. verkaufsfähig).

Das Wahlrecht des § 255 Abs. 3 Satz 2 HGB deckt neben den im Beispiel betrachteten Vermögensgegenständen des Vorratsvermögens auch Vermögensgegenstände des Anlagevermögens ab.

Sofern die genannten, an strenge Voraussetzungen geknüpften Ausnahmen nicht vorliegen bzw. das entsprechende Wahlrecht nicht ausgeübt wird, sind die Fremdkapitalzinsen (dazu gehören auch ähnliche Aufwendungen wie z.B. Kredit- und Bürgschaftsprovisionen, Bereitstellungsgebühren oder die Abschreibung bzw. Auflösung eines Disagios) als Zinsen und ähnliche Aufwendungen in der Gewinn- und Verlustrechnung nach dem Gesamtkostenverfahren (§ 275 Abs. 2 HGB) unter dem Posten Nr. 13. und in der Gewinn- und Verlustrechnung nach dem Umsatzkostenverfahren (§ 275 Abs. 3 HGB) unter dem Posten Nr. 12. zu verbuchen. Davon auf verbundene Unternehmens entfallende Zinsbeträge sind als Davon-Vermerk gesondert anzugeben.

Fremdkapitalzinsen als Anschaffungskosten?

Allerdings wird die Aktivierung von Fremdkapitalzinsen auch bei der Anschaffung von Vermögensgegenständen für zulässig gehalten, sofern die Anschaffungen längeren Fertigungs- bzw. Bauzeiten unterliegen, vgl. BFH-Urteil vom 19. April 1977, BStbl. II 1977, S. 600, BFH-Urteil vom 18. Februar 1993, BStBl. II 1994, S. 224.

Kosten der Finanzierung stellen im Grundsatz keine Anschaffungskosten bzw. Anschaffungsnebenkosten i.S.d. § 255 Abs. 1 Sätze 1 und 2 HGB dar. Als Ausnahme dazu gelten jedoch aufgenommene Darlehen, die dazu dienen, Anzahlungen oder Vorauszahlungen an einen Lieferanten bzw. Dienstleister (z.B. einen Bauträger) des Unternehmens zu leisten, der Anlagen mit längerfristiger Bauzeit (z.B. Bürogebäude oder Schiffsbau) erstellt. Die Finanzierungskosten müssen sich als Einzelkosten der neuen Anlage bzw. dem Bauprojekt zuweisen lassen.

Der Hintergrund bzw. die Begründung für diese Betrachtung besteht darin, dass in dem Fall davon ausgegangen wird, dass die kreditfinanzierten Anzahlungen bzw. Vorauszahlungen ansonsten vom Lieferanten aufzunehmende Finanzierungsmittel ersetzen und dadurch die Kosten des Lieferanten und damit letztlich die Anschaffungskosten für das Unternehmen gemindert werden.

Die Aktivierungsmöglichkeit besteht dann für den Zeitraum zwischen Anzahlung und dem Zeitpunkt des wirtschaftlichen Übergangs der Chancen und Risiken, z.B. dem Abnahmezeitpunkt.

Steuerrechtlicher Ansatz von Fremdkapitalzinsen

Bewertungswahlrechte, die in der Handelsbilanz ausgeübt werden können, ohne dass eine eigenständige (z.B. das Bewertungswahlrecht der Handelsbilanz verneinende) steuerliche Regelung besteht, schlagen sich aufgrund der auch nach BilMoG weiter bestehenden Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz auch bei dem steuerlichen Wertansatz nieder; dazu gehören auch ähnliche Aufwendungen wie z.B. Kredit- und Bürgschaftsprovisionen, Bereitstellungsgebühren oder die Abschreibung bzw. Auflösung eines Disagios.

Das bedeutet, sofern Zinsen handelsrechtlich in Ausübung des Aktivierungswahlrechts des § 255 Abs. 3 Satz 2 HGB in die Herstellungskosten eines Vermögensgegenstands einbezogen wurden, stellen diese auch steuerrechtlich gem. § 5 Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz EStG einen Bestandteil der Herstellungskosten dar.

Auszüge aus einem Beitrag von Oliver Glück

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