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Abschlussbericht der Reformkommission 'Bau von Großprojekten'

02.07.2015  — Online-Redaktion Verlag Dashöfer.  Quelle: Baudienst.

Hui und Pfui: Unterschiedliche Bewertungen von Baugewerbe und Bauindustrie

Arbeit war wichtig – Schlussfolgerungen falsch?

Der Zentralverband Deutsches Baugewerbe sieht die Sachlage kritisch. „Es war richtig, dass sich eine hochrangig besetzte Kommission mit den Problemen rund um große Bauprojekte der öffentlichen Hand befasst hat. Leider gehen die Schlussfolgerungen der Kommission, die sich auch in dem Abschlussbericht niederschlagen, in eine völlig falsche Richtung.“ So die Aussage von Präsident Hans-Hartwig Loewenstein zu Beginn der Abschlusssitzung der Reformkommission. Loewenstein gehörte der Kommission an, die über zwei Jahre beraten hat.

„Die Probleme der öffentlichen Hand, große Bauprojekte zu bewältigen sind angesichts des Berliner Flughafens und der Elbphilharmonie offensichtlich geworden. Allerdings wurden oftmals die falschen Schlussfolgerungen in Hinblick auf die Miseren gezogen und die Ursachen des Scheiterns bei den Bauunternehmen gesehen. Deshalb haben wir auch sehr aktiv in der Kommission mitgearbeitet“, so Loewenstein weiter.

Die wichtigste Erkenntnis, die die Mitglieder der Kommission gewonnen haben, sei: Die Bauherrenkompetenz hat auf seiten der öffentlichen Hand stark gelitten, und zwar auf allen staatlichen Ebenen, d.h. die öffentliche Hand hat derzeit nicht immer ausreichend Ressourcen, große Projekte erfolgreich zu steuern, unabhängig davon, ob diese konventionell oder an einen Generalunternehmer vergeben werden.

 

Die zweite Erkenntnis sei, dass die öffentliche Hand in den vergangenen Jahren verstärkt gegen den zentralen Grundsatz verstößt, nämlich zuerst zu planen und dann zu bauen. Oftmals wurden während der Bauphase noch Planungen verändert, was nicht vorhersehbare Auswirkungen auf Bautermine und Kosten hat.

„Die Schlussfolgerung, die die Mehrheit der Reformkommission allerdings aus diesen Erkenntnissen zieht, nämlich große Projekte verstärkt über öffentlich-private Partnerschaften oder über Design&Build-Verträge abzuwickeln, ist falsch, zumal die zugrunde liegenden Vertragsmodelle und Wirtschaftlichkeitsberechnungen völlig intransparent sind“, erklärte Loewenstein. „Diese Vorschläge gehen auch am deutschen Baumarkt mit seinem leistungsfähigen Mittelstand vorbei. Denn nur große internationale Konzerne sind mit Unterstützung durch internationales Finanzkapital in der Lage, solche Riesenprojekte von mehreren Milliarden zu stemmen.“

Aus Sicht des Baugewerbes ist die öffentliche Hand daher aufgefordert, ihre Bauherrenkompetenz wieder auf- und auszubauen und für die heutigen Anforderungen zu wappnen. Denn ohne entsprechende Fachkunde kann die öffentliche Hand solche Projekte weder planen, noch Angebote beurteilen und erst recht nicht die Verträge managen. Darüber hinaus gilt es, Projekte erst komplett zu planen, bevor ausgeschrieben wird und Aufträge vergeben werden. „Dann wird sich schnell zeigen, dass die mittelständischen Bauunternehmen hervorragend aufgestellt sind, diese Aufträge kostengünstig und zeitnah abzuwickeln. Dieser Weg ist für alle Beteiligten, öffentliche Hand, Auftragnehmer wie auch die Steuerzahler und Nutzer der beste!“, erklärte Loewenstein abschließend.

Mehr Termintreue und Kostensicherheit, bessere Konfliktlösungsmechanismen?

Positiver bewertet es der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie (HDB). Eine „neue Kultur des Vertrauens und der partnerschaftlichen Zusammenarbeit zwischen öffentlichen Auftraggebern und privaten Auftragnehmern“ hat der Präsident des HDB Prof. Thomas Bauer anlässlich der Vorstellung des Abschlussberichts der Reformkommission „Bau von Großprojekten“ in Berlin angemahnt. Mehr Kostensicherheit und Termintreue bei der Umsetzung von Großprojekten sei möglich, wenn die „Kultur des Gegeneinanders“ zwischen Auftraggebern und Auftrag­nehmern aus der Zeit der Baukrise ein für alle Mal überwunden werde.

Mit ihren Handlungsempfehlungen habe die Kommission praktikable Wege aufgezeigt, wie künftig Großprojekte termintreuer und kostensicherer umgesetzt werden könnten. Als besonders wichtig hebt Bauer die Stärkung der Bauherrenkompetenz auf Auftraggeberseite, die verbindliche Einführung eines systematischen Risikomanagements sowie die Einführung interner und externer Konfliktlösungsmechanismen, wie z. B. der Adjudikation auf Verlangen einer Seite, hervor. Darüber hinaus empfiehlt Bauer aber auch den Rückgriff auf die zusammengefasste Vergabe immer dann, wenn die Projektmanagement­kompetenz auf Auftraggeberseite begrenzt sei, die Erprobung von Modellen der Partnerschaftlichen Projektzusammenarbeit, u. a. um künftig Planen und Bauen besser aufeinander abzustimmen, aber auch weitere konsequente Schritte auf dem Weg zur Digitalisierung der Bauwirtschaft durch Building-Information-Modeling, um die einzelnen Phasen des Wertschöpfungsprozesses besser miteinander zu verzahnen.

Mit der Vorlage dieser Empfehlungen sei jedoch erst „die halbe Strecke“ zurückgelegt, erklärte Bauer. Es komme jetzt darauf an, diese Empfehlungen in Taten umzusetzen. Dazu müssten – neben dem federführenden Bundesverkehrs­ministerium – weitere Ministerien, darunter das Bundesfinanzministerium, das Bundeswirtschaftsministerium, das Bundesministerium für Umwelt und Bau sowie das Justizministerium „ins Boot“ geholt werden. Die Bauindustrie sei bereit, diesen Umsetzungsprozess mit Rat und Tat zu begleiten.

 

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