17.02.2016 — Online-Redaktion Verlag Dashöfer. Quelle: Taylor Wessing Deutschland.
Eine aktuelle Entscheidung des Landessozialgerichts Hamburg vom 23. September 2015 (Az.: L 2 AL 64/13) könnte dies zukünftig leichter umsetzbar machen.
Die Überlassung eigener Arbeitnehmer stellt für viele Unternehmen eine Ergänzung des eigentlichen Geschäftsfeldes dar. Insbesondere wenn üblicherweise auf Basis von Werk- oder Dienstverträgen gearbeitet wird, kann die Überlassung eigener Mitarbeiter eine interessante Möglichkeit sein, das eigene Portfolio abzurunden. Der organisatorische Aufwand solcher Überlassungen ist jedoch insbesondere für solche Unternehmen nur dann wirtschaftlich vertretbar, wenn die Abrechnung der überlassenen Mitarbeiter auf Grundlage entsprechender Zeitarbeitstarifverträge erfolgen kann und nicht der Abwicklungsaufwand und die rechtlichen Unsicherheiten einer Arbeitnehmerüberlassung auf Grundlage des gesetzlichen „equal treatment“ Prinzips in Kauf genommen werden müssen.
Die Ersetzung des „equal treatment“ Grundsatzes durch Zeitarbeitstarifverträge hat der Gesetzgeber im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz ausdrücklich vorgesehen. Allerdings wurde festgelegt, dass lediglich „im Geltungsbereich“ der entsprechenden Tarifverträge deren Anwendung auch nicht tarifgebundenen Unternehmen möglich ist. Wann der „Geltungsbereich“ eröffnet ist, wurde bislang nicht höchstrichterlich geklärt. Die Bundesagentur für Arbeit als zuständige Erlaubnisbehörde vertritt die Auffassung, dass hierfür mehr als 50 % der Arbeitszeit im jeweiligen Unternehmen (bzw. zumindest in einer selbständigen Betriebsabteilung) auf den Bereich der Arbeitnehmerüberlassung entfallen müssen. Wer demnach nur im untergeordneten Umfang Arbeitnehmerüberlassung betreibt, könnte nicht ohne weiteres durch die Inbezugnahme entsprechender Tarifverträge vom „equal treatment“ Grundsatz abweichen.
In dem vom Landessozialgericht Hamburg zu entscheidenden Fall betrieb das betroffene Unternehmen nur in ganze geringem Umfang Arbeitnehmerüberlassung, hatte jedoch gleichwohl in den Arbeitsverträgen die BAP-DGB Tarifverträge in Bezug genommen. Die Bundesagentur für Arbeit verband im Rahmen einer Betriebsprüfung die Erlaubnis des Unternehmens zur Arbeitnehmerüberlassung mit der Auflage, dass das Unternehmen in den Arbeitsverträgen keine Inbezugnahme von Zeitarbeitstarifverträgen mehr vornehmen dürfe, solange nicht nachgewiesen sei, dass zumindest in einer selbständigen Betriebsabteilung überwiegend Arbeitnehmerüberlassung betrieben werde. Nach Ansicht der Bundesagentur für Arbeit war das Unternehmen nicht berechtigt, den gesetzlichen „equal treatment“ Grundsatz durch die Anwendung von Tarifverträgen zu umgehen. Hiergegen klagte das betroffene Unternehmen.
Das Landessozialgericht stellte für die Prüfung zwei Kriterien auf. Zunächst prüfte es, ob sich aus dem Tarifvertrag selbst Gründe gegen eine Verwendung durch das klagende Unternehmen ergeben. In einem zweiten Schritt wurde sodann geprüft, ob die Regelung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes gegen die wirksame Inbezugnahme des Tarifvertrages sprechen.
Bezüglich des ersten Kriteriums kam das Landessozialgericht zu dem Ergebnis, dass weder die Satzung des BAP als zuständiger Arbeitgeberverband für die in Bezug genommenen Tarifverträge, noch dessen tatsächliche Handhabung in Mitgliedschaftsfragen gegen eine Mitgliedschaft des klagenden Unternehmens gesprochen hätte. Das Unternehmen sei als Zeitarbeitsunternehmen im Sinne des tarifvertraglich geregelten Anwendungsbereiches anzusehen, auch wenn der Verleih von Arbeitnehmern nur in sehr geringem Umfang erfolgt sei. Ein entsprechender Wille des Arbeitgeberverbandes, nur solche Unternehmen aufzunehmen, die überwiegend Arbeitnehmerüberlassung betrieben, sei nicht erkennbar. Anders wäre die Sachlage beispielsweise zu beurteilen, wenn arbeitsvertraglich auf den Haustarifvertrag eines anderen Unternehmens verwiesen werden würde, welcher üblicherweise für andere Unternehmen gerade nicht offenstehen soll.
Auch das zweite Kriterium, wonach sich das klagende Unternehmen auch nach dem Willen des Gesetzgebers im „Geltungsbereich“ eines entsprechenden Tarifvertrages befinden müsse, bejahte das Landessozialgericht mit ähnlichen Erwägungen. Auch von Seiten des Gesetzgebers seien keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass sich nach seinem Willen im „Geltungsbereich“ eines Tarifvertrages im Sinne des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes nur solche Unternehmen befinden könnten, welche überwiegend Arbeitnehmerüberlassung betrieben. Wäre dies gewollt gewesen, so hätte das Erfordernis, dass „überwiegend“ Arbeitnehmerüberlassung betrieben werden müsse, ausdrücklich ins Gesetz aufgenommen worden können, was das Gericht anhand eines Verweises auf die entsprechende Regelungstechnik im Arbeitnehmerentsendegesetz belegt.
Das Landessozialgericht kam demnach zu dem Ergebnis, dass grundsätzlich auch Mischbetriebe, bei denen die Arbeitnehmerüberlassung nur einen geringen Teil der Geschäftstätigkeit ausmacht, wirksam durch die vertragliche Inbezugnahme des BAP-DGB Zeitarbeitstarifvertrages vom „equal treatment“ Grundsatz abweichen können. Es ist davon auszugehen, dass das Gericht hinsichtlich der iGZ-DGB Tarifverträge zu dem gleichen Ergebnis gekommen wäre.
Die Entscheidung des Landessozialgerichts Hamburg vereinfacht die Argumentation in Auseinandersetzungen mit der Bundesagentur für Arbeit bei der Frage, ob die Inbezugnahme von Zeitarbeitstarifverträgen bei Mischbetrieben die Anwendung des „equal treatment“ Grundsatzes wirksam verhindern kann. Allerdings muss beachtet werden, dass solche Auseinandersetzungen mit dem Risiko verbunden sind, dass das Bundessozialgericht die Auffassung der Bundesagentur für Arbeit bestätigt und der Entscheidung des Landessozialgerichts Hamburg nicht folgt.
Wenn möglich sollte in Mischbetrieben demnach weiterhin auf die Variante zurückgegriffen werden, eine selbständige Betriebsabteilung zu gründen, welche sodann überwiegend mit dem Verleih von Arbeitnehmern beschäftigt ist. In einer solchen Konstellation herrscht Einigkeit darüber, dass diese selbständige Betriebsabteilung durch die Einbeziehung von Zeitarbeitstarifverträgen wirksam vom „equal treatment“ Grundsatz abweichen kann, selbst wenn bei einer unternehmensweiten Betrachtung die Arbeitnehmerüberlassung nur eine untergeordnete Rolle spielt.
Landessozialgericht Hamburg, Urteil vom 23. September 2015 (Az.: L 2 AL 64/13)