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Aufsichtsratsvergütung neu definiert

29.10.2012  — Online-Redaktion Verlag Dashöfer.  Quelle: Towers Watson GmbH.

Fokus auf Nachhaltigkeit und Unabhängigkeit der Chefaufseher / Unternehmen passen Vergütungsstrukturen an / Bezüge steigen um durchschnittlich 8 Prozent Towers-Watson-Studie „Aufsichtsratsvergütung DAX 2012“

Die Chefaufseher der DAX-Unternehmen werden für 2012 im Durchschnitt 312.000 Euro verdienen. Das sind rund 8 Prozent mehr als im Vorjahr, wie eine aktuelle Studie von Towers Watson zeigt. Der Anstieg hängt zum einen mit dem Unternehmenserfolg zusammen, ist die Vergütung der Aufsichtsräte doch häufig an Kennzahlen wie das Ergebnis pro Aktie gekoppelt. Zum anderen spiegeln sich hier der individuelle Arbeitsaufwand (z. B. für die Mitgliedschaft in Ausschüssen) sowie Veränderungen in der Zusammensetzung der Vergütung wider. So haben einige Unternehmen ihre Aufsichtsratsvergütung auf eine erhöhte Festvergütung ohne Boni/Tantieme umgestellt oder die langfristige variable Vergütung ausgebaut.

Zu diesen Ergebnissen kommt die Towers-Watson-Studie „Aufsichtsratsvergütung DAX 2012“. Sie untersucht die Aufsichtsratsvergütungen der im DAX notierten Unternehmen. Die Studie wurde zum elften Mal in Folge durchgeführt und bietet die aktuellste Vergütungsprognose. Sie beruht auf Berechnungen von Towers Watson auf Basis von Analystenschätzungen zur Geschäftsentwicklung für 2012 sowie auf den Satzungen der Unternehmen. Die Berechnungen wurden im Vorfeld den Investor-Relations-Abteilungen der DAX-Unternehmen vorgelegt.

Fixe und variable Bestandteile: Kontroverse Diskussion um Vergütungsstruktur

„Die Vergütungslandschaft im DAX ist in Bewegung – und dies spiegelt die aktuelle, sehr kontroverse Diskussion wider“, erläutert Olaf Lang, Leiter des Beratungsbereichs Talent & Rewards von Towers Watson, Frankfurt. „Im Kern geht es darum, inwieweit Aufsichtsräte, die für die langfristigen Geschicke des Unternehmens mitverantwortlich sind, den Geschäftserfolg auch an ihrer Vergütung merken sollen. Das heißt, sie werden mit einer auf den nachhaltigen Unternehmenserfolg abgestimmten langfristigen variablen Vergütung belohnt, müssen aber bei Misserfolgen auch entsprechende Einbußen in ihrer Vergütung hinnehmen.“ Andere Stimmen hingegen befürworten eine rein feste Aufsichtsratsvergütung – unabhängig davon, ob das Unternehmen rote oder schwarze Zahlen schreibt.

Lang bezieht in dieser Diskussion klar Stellung: „Aufsichtsräte sind die Vertreter der Aktionäre – und diese sind in der Regel an einer langfristig positiven Geschäftsentwicklung interessiert. Daher macht es Sinn, dass Aufsichtsräte nicht nur qua Vorschrift mit den Aktionären ‚an einem Strang ziehen‘. Vielmehr sollten sie auch für einen – im Sinne der Aktionäre – nachhaltigen Unternehmenserfolg honoriert werden“, so Lang. Befürworter einer rein festen Aufsichtsratsvergütung halten dem jedoch entgegen, dass Aufsichtsräte zu einer unabhängigen Tätigkeit verpflichtet sind, und dass eine erfolgsabhängige Vergütung dem widerspräche. Lang hinterfragt diese Meinung: „Ist ein Aufsichtsrat unabhängig, nur weil er ein ausschließlich festes Honorar erhält?“ Der Towers-Watson-Berater erklärt seine Haltung folgendermaßen: „Unabhängig heißt, dass ein Aufsichtsrat frei von Interessenskonflikten agieren soll. Dazu ist er durch Gesetz und Corporate Governance Kodex ohnehin verpflichtet. Eine variable Vergütung steht dem keineswegs entgegen, sofern sie auf die langfristige Unternehmensentwicklung abstellt und an objektiv nachvollziehbare Kriterien (wie zum Beispiel EBIT, Gewinn vor Steuern oder die Steigerung des Aktienkurses im Branchenvergleich) gekoppelt wird.“

Langs Kollege Helmuth Uder, Leiter der Beratung zu Vorstands- und Aufsichtsratsvergütung bei Towers Watson, ergänzt: „Aufsichtsräte sind – anders als beispielsweise Wirtschaftsprüfer – nicht eine unternehmensexterne dritte Kontrollinstanz, sondern ein Organ des Unternehmens, das wesentlich für Strategie und Geschäftsentwicklung mitverantwortlich ist. Gerade deshalb sollte – wie bei Unternehmensvorständen auch – ein Teil ihrer Vergütung an die Erreichung vorab definierter langfristiger Unternehmensziele geknüpft werden.“

Neugestaltung der Aufsichtsratsvergütung nach Änderung im Corporate Governance Kodex

In der Folge dieser Grundsatzdiskussionen waren im Mai 2012 die Vorschriften zur Aufsichtsratsvergütung im Deutschen Corporate Governance Kodex angepasst worden. So wurde klar und deutlich festgelegt, dass variable Vergütungselemente auf eine nachhaltige Unternehmensentwicklung ausgerichtet sein sollen. Die zuvor enthaltene explizite Empfehlung, dass die Aufsichtsratsvergütung auch kurzfristig erfolgsorientierte Elemente enthalten solle, wurde hingegen gestrichen.

„Die aktuellen Änderungen in den Vergütungssystemen einiger DAX-Unternehmen spiegeln die aktuelle Diskussion und die beiden gegensätzlichen Meinungen deutlich wider“, berichtet Ralph Lange, Practice Leader Executive Compensation bei Towers Watson. Insgesamt haben sechs Unternehmen im DAX die Struktur und Höhe der Aufsichtsratsvergütung in 2012 angepasst. Fünf Unternehmen haben auf eine reine Festvergütung umgestellt, während ein Unternehmen die variablen Vergütungselemente stärker langfristig ausrichtet. Einen Schritt in Richtung Nachhaltigkeit ist ein weiteres Unternehmen gegangen, in dem die Aufsichtsratsmitglieder sich selbst verpflichtet haben, 25 Prozent der festen Vergütung in Aktien des Unternehmens zu investieren und diese Aktien über die Dauer des Mandats zu halten. Weitere Überarbeitungen der Vergütungssysteme sind zu erwarten: „Auf die Neufassung des Corporate Governance Kodex werden weitere Unternehmen mit Anpassungsmaßnahmen reagieren“, ist Ralph Lange überzeugt.

Individueller Arbeitsaufwand stärker honoriert

Die Höhe der Gesamtvergütung eines Aufsichtsrats setzt sich aus dem Fixgehalt, den variablen, am Unternehmenserfolg ausgerichteten Vergütungselementen sowie dem Honorar für die Mitgliedschaft in Ausschüssen (z. B. dem Prüfungsausschuss oder dem Präsidialausschuss) und Sitzungsgeldern zusammen. Die höchsten Vergütungen werden vor allem von den sehr großen Unternehmen – wo Aufsichtsräte für sehr viele Mitarbeiter und sehr hohe Umsatzzahlen eine Mitverantwortung tragen – gezahlt (VW: 923.000 Euro, Siemens: 584.000 Euro, BMW: 505.000 Euro; jeweils Vergütung des Aufsichtsratsvorsitzenden).

Darüber hinaus werden der individuelle Arbeitsaufwand und der jeweilige Verantwortungsumfang der einzelnen Aufsichtsratsmitglieder in der Vergütung berücksichtigt. So erhält der Aufsichtsratsvorsitzende weiterhin eine höhere Vergütung als der stellvertretende Vorsitzende und ordentliche Mitglieder. Neu zeichnet sich ab, dass die Ausschusstätigkeit stärker nach Aufgabe, Rolle und Aufwand differenziert vergütet wird. Aufsichtsratsmitglieder, die in Ausschüssen mitwirken, erhalten eine zusätzliche Vergütung, wobei auch hier der Ausschussvorsitzende höhere Bezüge als der Stellvertreter oder ein ordentliches Mitglied des entsprechenden Ausschusses erhält. Zudem ist ein deutlicher Trend zu erkennen, dass die Vergütung für den Prüfungsausschuss höher ausgestaltet wird, als für die restlichen Ausschüsse.

Diversity langsam, aber stetig ausgebaut

Der weiterhin niedrige Frauenanteil innerhalb der DAX-Aufsichtsratsgremien (17 Prozent) ist gegenüber 2011 geringfügig gestiegen (+3 Prozentpunkte). Auch die Internationalität der Anteilseigner ist noch nicht hinreichend abgebildet. 53 Prozent des Grundkapitals der DAX-Unternehmen liegen in den Händen ausländischer Investoren. Jedoch stellen die nicht-deutschen Aufsichtsratsmitglieder nur rund ein Viertel (26 Prozent) aller Aufseher. „Unternehmen sind für das Thema ‚Diversity’ sensibilisiert und berücksichtigen es bei der Besetzung frei werdender Aufsichtsratsmandate“, so Towers-Watson-Experte Uder. „Da die Mandate aber meist für eine Laufzeit von fünf Jahren vergeben werden, ist nicht zu erwarten, dass die Diversitäts-Anregung des Corporate Governance Kodex von heute auf morgen umgesetzt werden kann.“

Niedrige Vergütung im internationalen Vergleich

Im internationalen Vergleich verdienen die DAX-Aufseher weiterhin deutlich weniger als ihre Kollegen in der Schweiz (SLI: 1.821.000 Euro) und Großbritannien (FTSE 100: 492.000 Euro). Allerdings sind diese auch intensiver in die Unternehmensführung eingebunden, was das höhere Vergütungsniveau teilweise erklärt. Denn in einem Dualen System aus Aufsichtsrat und Vorstand mit getrennten Verantwortlichkeiten und Mitgliedschaften wie in Deutschland erwachsen andere berufliche Anforderungen als in einem Single-Board-System wie in der Schweiz mit Kontrolleuren und operativ tätigen Managern in einem Gremium.

Information zur Studie

„Aufsichtsratsvergütung DAX 2012“ analysiert die aktuellen Vergütungen von Aufsichtsratsvorsitzenden in DAX-Unternehmen. Grundlage der Auswertungen sind öffentlich verfügbare Quellen, insbesondere Satzungen und Hauptversammlungsbeschlüsse aus dem Jahr 2012. In die Analyse einbezogen wurden: die jährlich garantierten festen Bezüge, die Aufsichtsratstantieme für 2012 (basierend auf Analystenschätzungen für 2012), die Langfristvergütungen für 2012 sowie Sitzungsgelder und Ausschussvergütungen.

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