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Einheitliches EU-Vertragsrecht soll Einkäufe erleichtern

05.07.2010  — Online-Redaktion Verlag Dashöfer.  Quelle: none.

Verträge sind die Grundbausteine für die Beziehungen zwischen Unternehmen und Verbrauchern. Das Vertragsrecht ist das Fundament des europäischen Binnenmarkts. Unternehmen – vor allem kleinere und mittlere Unternehmen – werden bei ihren Verkäufen ins EU-Ausland jedoch durch das unterschiedliche Vertragsrecht der 27 EU-Mitgliedstaaten behindert.

Nur 8 % der Verbraucher kaufen Waren online in anderen Mitgliedstaaten (Verbraucherbarometer 3. Ausgabe), und 61 % der Kaufangebote schlagen fehl, weil Unternehmen sich weigern, in das Land des Verbrauchers zu liefern. Dies ist weitgehend auf rechtliche Barrieren und Unsicherheit bezüglich des anzuwendenden Rechts zurückzuführen. Die Europäische Kommission hat in einem Grünbuch mehrere Optionen für eine kohärentere Gestaltung des Vertragsrechts vorgestellt, um so einen Teil der Probleme in den Griff zu bekommen und das Potenzial des Binnenmarkts freizusetzen. Ziel ist mehr Rechtssicherheit für Unternehmen und eine einfachere Regelung für Verbraucher. Zu diesem Grünbuch läuft eine öffentliche Konsultation bis zum 31. Januar 2011.

„Ich möchte, dass ein polnischer, deutscher oder spanischer Verbraucher bei einem italienischen, finnischen oder französischen Unternehmen online genauso sicher einkaufen kann wie zuhause“, erklärte die Vizepräsidentin der EU-Kommission Viviane Reding, die für das Ressort Justiz zuständig ist. „Und ich möchte, dass Europas kleine und mittlere Unternehmen ihre Waren und Leistungen Verbrauchern in anderen Mitgliedstaaten anbieten können, ohne die Vertragsrechtssysteme aller anderen 26 EU-Mitgliedstaaten aus dem Effeff beherrschen zu müssen. Ich rufe die Verbraucher und Unternehmen aller 27 Mitgliedstaaten auf, sich aktiv an der öffentlichen Konsultation der Kommission zu beteiligen. Die europäische Wirtschaft macht zurzeit ohne Zweifel eine Krise durch, aber gleichzeitig bietet sich uns eine historische Chance, die Kosten grenzübergreifender Geschäfte zu senken und so das Wirtschaftswachstum anzukurbeln. Es ist deshalb nun an der Zeit für einen Quantensprung hin zu einem europäischeren Vertragsrecht.“

Ohne Verträge können Unternehmen keine Waren verkaufen und Verbraucher keine Waren kaufen. Durch einen Vertrag wird eine Vereinbarung zwischen Parteien förmlich fixiert. Ein Vertrag kann über ein breites Spektrum an Leistungen geschlossen werden, z. B. über den Kauf von Waren oder die Erbringung einer Leistung wie die Buchung eines Flugs oder die Vergabe eines Darlehens. Beispiel: Ein irischer Verbraucher kauft online einen MP3-Player von einem französischen Einzelhändler. Hierbei handelt es sich um einen Verbrauchervertrag, für den irisches Vertragsrecht gilt, wenn der französische Einzelhändler seine Website auf irische Verbraucher ausgerichtet hat.

Die Wirtschaftsbeziehungen im europäischen Binnenmarkt beruhen auf einer Vielzahl von Verträgen, die unterschiedlichen einzelstaatlichen Vertragsrechtssystemen unterliegen. Das Nebeneinander divergierender Systeme kann zusätzliche Transaktionskosten verursachen und die Rechtsunsicherheit für Unternehmen und Verbraucher gleichermaßen verstärken. Verbraucher wie Unternehmen sehen sich erheblichen Hürden gegenüber, wenn sie die Vorteile des EU-Binnenmarkts nutzen wollen. Transaktionskosten (Kosten, die durch die Anpassung der Geschäftsbedingungen, der Geschäftspolitik oder durch Übersetzungen verursacht werden) und Rechtsunsicherheit aufgrund des Umgangs mit ausländischem Vertragsrecht erschweren vor allem kleinen und mittleren Unternehmen, die 99 % aller Unternehmen in der EU ausmachen, die Expansion im Binnenmarkt.

Die Kommission hat deshalb in einem heute angenommenen Grünbuch verschiedene Optionen vorgeschlagen, wie das Vertragsrecht in der EU kohärenter gestaltet werden kann:
  • Die Veröffentlichung (nicht verbindlicher) Mustervertragsklauseln im Internet, die im europäischen Binnenmarkt verwendet werden könnten.
  • Ein (wahlweise verbindlicher oder nicht verbindlicher) Bezugsrahmen (Toolbox), auf die die Gesetzgeber in der EU bei der Erarbeitung neuer Rechtsvorschriften im Interesse der Klarheit und Kohärenz zurückgreifen könnten.
  • Eine Empfehlung zum Vertragsrecht, in der die EU-Mitgliedstaaten dazu aufgefordert würden, ein Europäisches Vertragsrecht in ihre nationalen Rechtsordnungen aufzunehmen. Ein ähnlicher Ansatz wurde in den Vereinigten Staaten mit Erfolg praktiziert, wo ein einheitliches Handelsgesetzbuch mit einer einzigen Ausnahme von allen 50 Staaten übernommen wurde.
  • Ein fakultatives Europäisches Vertragsrecht (sogenannte 28. Regelung – neben den 27 Vertragsrechtssystemen der Mitgliedstaaten), für das sich die Verbraucher und Unternehmen frei entscheiden könnten. Diese fakultative Regelung würde als Alternative zu den bestehenden einzelstaatlichen Vertragsrechtssystemen der Mitgliedstaaten in allen Amtssprachen angeboten. Sie könnte wahlweise nur auf grenzübergreifende oder auch auf innerstaatliche Vertragsverhältnisse Anwendung finden. Sie müsste ein hohes Verbraucherschutzniveau garantieren und die Rechtssicherheit während der gesamten Vertragslaufzeit gewährleisten.
  • Harmonisierung des einzelstaatlichen Vertragsrechts im Wege einer EU-Richtlinie.
  • Vollständige Harmonisierung des einzelstaatlichen Vertragsrechts im Wege einer EU-Verordnung.
  • Einführung eines kompletten Europäischen Zivilgesetzbuchs, das an die Stelle des vertraglichen Schuldrechts der Mitgliedstaaten tritt.

Hintergrund

Im Rahmen ihrer Strategie Europa 2020, die Kommissionspräsident José Manuel Barroso am 3. März 2010 der Öffentlichkeit vorgestellt hat (IP/10/225), geht die Kommission jetzt die Engpässe im Binnenmarkt an, um die wirtschaftliche Erholung zu beschleunigen. Gearbeitet wird an harmonisierten Regeln für Verbraucherverträge, EU-weiten Mustervertragsklauseln und an einem fakultativen Europäischen Vertragsrecht. Die Ausarbeitung eines fakultativen Vertragsrechtsinstruments gehört auch zu den wichtigsten Vorhaben der Digitalen Agenda für Europa, die am 19. Mai 2010 vorgestellt wurde.

Das Europäische Parlament befürwortete ein solches Vertragsrechtsinstrument in seiner Entschließung vom 25. November 2009. Auch der frühere Binnenmarkt- und Wettbewerbskommissar Mario Monti strich in seinem Binnenmarkt-Bericht vom 9. Mai die Vorteile eines optionalen „28. Vertragsrechtssystems“ für Verbraucher und Unternehmen heraus.

Am 12. Mai berief die Kommission die erste Sitzung einer neuen Expertengruppe ein, die den Auftrag hat, aus dem Entwurf für einen Gemeinsamen Referenzrahmen(es handelt sich dabei um den ersten Entwurf eines Europäischen Vertragsrechts, der in den letzten Jahren im Rahmen des Forschungsrahmenprogramms der EU entwickelt worden ist) ein einfaches, benutzerfreundliches Instrument zu machen, das auf die Bedürfnisse der Verbraucher und die realen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zugeschnitten ist (IP/10/595). Die Expertengruppe, der Juristen aus Lehre und Praxis aus ganz Europa angehören, trifft sich zurzeit einmal im Monat in Brüssel. Die öffentliche Konsultation, die heute beginnt, soll dazu beitragen, dass sich die Gruppe mit den wichtigsten vertragsrechtlichen Problemen auseinandersetzt, mit denen Verbraucher und Unternehmen konfrontiert sind.

Die Konsultation läuft bis zum 31. Januar 2011. Die Ergebnisse werden der Kommission bei der Ausarbeitung von Vorschlägen im nächsten Jahr helfen.


Quelle: Europäische Kommsission
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