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Grundstückskaufvertrag: Verwalter kann für die Gemeinschaft die Auflassung erklären

16.07.2024  — Online-Redaktion Verlag Dashöfer.  Quelle: IBR Immobilien & Baurecht.

Bei Erwerb von Grundeigentum durch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, vertreten durch den Verwalter, ist für die Eintragung der Auflassung im Grundbuch kein Nachweis einer durch Mehrheitsbeschluss erfolgten Verwalterermächtigung erforderlich.

OLG München, Beschluss vom 11.07.2024: 34 Wx 155/24

BGB § 925; GBO §§ 19, 20, 29

  1. § 9b Abs. 1 WEG beinhaltet eine umfassende organschaftliche Vertretungsmacht des Verwalters für die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer.*)
  2. Bei Erwerb von Grundeigentum durch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, vertreten durch den Verwalter, ist für die Eintragung der Auflassung im Grundbuch kein Nachweis einer durch Mehrheitsbeschluss erfolgten Verwalterermächtigung erforderlich (Abgrenzung zu OLG München, Beschluss vom 16.11.2016 - 34 Wx 305/16, ZWE 2017, 93).*)
OLG München, Beschluss vom 11.07.2024 - 34 Wx 155/24

Tenor

Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1 wird die Zwischenverfügung des Amtsgerichts Laufen - Grundbuchamt - vom 3.5.2024 aufgehoben.

Gründe

I.

Die Beteiligten zu 2 und 3 sind im Grundbuch als Miteigentümerinnen von Grundbesitz zu je 1/2 eingetragen.

Mit notariellem Kaufvertrag vom 4.1.2024 verkauften die Beteiligten zu 2 und 3 den Grundbesitz an die Beteiligte zu 1, eine Eigentümergemeinschaft, zu deren Gunsten am 19.1.2024 eine Auflassungsvormerkung eingetragen wurde. Für die Beteiligte zu 1 handelte bei der Beurkundung die Hausverwaltung H. GmbH & Co. KG als Verwalterin. In der Urkunde vom 4.1.2024 wurde von den Beteiligten auch die Einigung über den Eigentumsübergang erklärt und der Notar bevollmächtigt, für sie die vorstehende Einigung zur grundbuchamtlichen Eintragung zu bewilligen und zu beantragen.

Mit Schreiben vom 19.3.2024 beantragte die Urkundsnotarin gemäß § 15 GBO den Vollzug der Auflassung und die Löschung der für den Käufer eingetragenen Auflassungsvormerkung. Beigefügt war dem Schreiben neben der notariellen Auflassungsbewilligung ein Protokoll der Eigentümerversammlung vom 30.9.2022 mit notariell beglaubigten Unterschriften des organschaftlichen Vertreters der Hausverwaltung, der Vorsitzenden des Verwaltungsbeirats und einer weiteren Miteigentümerin. Gemäß Ziffer 5 des Protokolls wurde die Hausverwaltung H. GmbH & Co. KG für den Zeitraum 1.1.2023 bis 31.12.2027 einstimmig zum Verwalter der Wohnungseigentümergemeinschaft bestellt.

Ferner beigefügt war ein Protokoll der Eigentümerversammlung vom 10.11.2023, wonach unter Ziffer 6 der Erwerb des Grundstücks von den Grundstücksnachbarn [= die Beteiligten zu 2 und 3] und der Zuschlag der Fläche zum Gemeinschaftseigentum mehrheitlich beschlossen wurde. Die Verwaltung wird gemäß dem Beschluss ferner beauftragt und, soweit dies rechtlich möglich ist auch bevollmächtigt, den Kaufvertrag im Namen der Wohnungseigentümergemeinschaft abzuschließen. Dieses Protokoll ist ebenfalls - jeweils unbeglaubigt - vom organschaftlichen Vertreter der Hausverwaltung, der Vorsitzenden des Verwaltungsbeirats und einer weiteren Miteigentümerin unterzeichnet.

Mit Zwischenverfügung vom 3.5.2024 beanstandete das Grundbuchamt das Fehlen der Unterschriftsbeglaubigungen auf dem WEG-Beschluss, welcher den Verwalter zur Vertretung der WEG ermächtigt.

Hiergegen wendet sich die von der Notarin im Auftrag der Beteiligten zu 1 eingelegte Beschwerde vom 17.5.2024, ergänzt mit Schreiben vom 24.5.2024. Eine Unterschriftsbeglaubigung unter dem Beschluss, welcher den Verwalter zum Erwerb des Grundstücks ermächtigt, sei gesetzlich nicht vorgeschrieben und daher nicht erforderlich. § 26 Abs. 4 WEG schreibe nur für den Nachweis der Verwaltereigenschaft ein beglaubigtes Protokoll vor. § 9b WEG enthalte für den Beschluss über die Ermächtigung zum Abschluss eines Kaufvertrags gerade keine entsprechende Formvorschrift. Auch aus § 29 GBO ergebe sich keine Pflicht, den Beschluss öffentlich beglaubigt vorzulegen. § 9b WEG beziehe sich allein auf den schuldrechtlichen Kaufvertrag, jedoch nicht auf die Auflassung. Letztere sei von der allgemeinen Vertretungsmacht des Verwalters gedeckt, so dass diese unabhängig vom Beschluss der Wohnungseigentümer wirksam erklärt sei. Eine Prüfungspflicht des Grundbuchamtes bestehe insoweit nicht.

Das Grundbuchamt hat der Beschwerde mit Beschluss vom 5.6.2024 nicht abgeholfen. Das Protokoll der Beschlussfassung zum Grundstückserwerb und zur Ermächtigung des Verwalters entspreche nicht der Form des § 29 GBO. Dies werde auch in der Literatur überwiegend so vertreten und sei auch vom Oberlandesgericht München so entschieden worden (Beschluss vom 16.11.2016 - 34 Wx 305/16).

II.

Die Beschwerde ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.

1. Die Beschwerde ist zulässig.

a) Sie ist insbesondere statthaft gemäß § 71 Abs. 1 GBO. Entscheidungen des Grundbuchamts i.S. dieser Bestimmung sind auch Zwischenverfügungen nach § 18 Abs. 1 Satz 1 GBO (Senat vom 11.4.2011, 34 Wx 160/11 = FGPrax 2011, 173; OLG Hamm FGPrax 2010, 177; Demharter GBO 33. Aufl. § 71 Rn. 1; Hügel/Kramer GBO 5. Aufl. § 71 Rn. 68).

b) Die im Eintragungsverfahren tätig gewordene Notarin gilt nach § 15 Abs. 2 GBO ebenso als ermächtigt, Beschwerde einzulegen (Senat NJW-RR 2021, 42/43; Demharter § 71 Rn. 74; Hügel/Kramer § 71 Rn. 226).

Die Beteiligte zu 1 ist beschwerdeberechtigt, weil sie als "gewinnender Teil" der erstrebten Rechtsänderung zum Kreis der nach § 13 Abs. 1 Satz 2 GBO Antragsberechtigten gehört (vgl. Hügel/Kramer § 71 Rn. 193).

2. Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg. Voraussetzung für den Erlass einer Zwischenverfügung ist nach § 18 Abs. 1 Satz 1 GBO, dass der begehrten Eintragung ein Hindernis entgegensteht. Dies ist bei der verfahrensgegenständlichen Zwischenverfügung nicht der Fall, weil es der geforderten Unterschriftsbeglaubigungen nicht bedarf.

a) Im Fall der Übertragung eines Grundstücks durch Auflassung (§ 20 GBO, § 925 BGB) erfordert das materielle Konsensprinzip des § 20 GBO, dass - zusätzlich zu der Bewilligung des verlierenden Teils (§ 19 GBO, formelles Konsensprinzip) - eine materiell-rechtliche Einigung, die den Verfahrensvorschriften der §§ 20, 29 GBO genügt, nachgewiesen wird. Wird ein Beteiligter durch einen Bevollmächtigten vertreten, sind die gesetzliche Vertretungsmacht bzw. die Wirksamkeit und der Umfang einer Vollmacht vom Grundbuchamt selbständig zu prüfen (Senat vom 7.11.2018, 34 Wx 395/17 = DNotZ 2019, 197; OLG Frankfurt ZEV 2015, 648; Demharter § 19 Rn. 74b; Hügel/Reetz Vertretungsmacht Rn. 127).

b) Die Vertretungsberechtigung der Hausverwaltung H. GmbH & Co. KG für die Beteiligte zu 1 im Rahmen der Auflassungserklärung ergibt sich vorliegend aus § 9b Abs. 1 Satz 1 WEG in Verbindung mit dem Protokoll der Eigentümerversammlung vom 30.9.2022.

aa) Seit Inkrafttreten des WEMoG zum 1.12.2020 regelt § 9b Abs. 1 WEG eine inhaltlich umfassende Vertretungsmacht des Verwalters für die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. § 9b WEG begründet die organschaftliche Vertretungsmacht, die den Verwalter zur Abgabe von Willenserklärungen für die Gesellschaft entsprechend § 164 BGB befugt (Staudinger/Jacoby BGB Neubearb. 2023 § 9b WEG Rn. 9; Dötsch/Schultzky/Zschieschack WEG-Recht 2021 Kap. 3 Rn. 62). Der Verwalter vertritt kraft Gesetzes - grundsätzlich unbeschränkt und gemäß § 9b Abs. 1 Satz 3 WEG unbeschränkbar - die Gemeinschaft. Eine Beschränkung des gesetzlich geregelten Umfangs der Vertretungsmacht ist im Außenverhältnis nicht möglich (BeckOGK WEG/Greiner Stand: 1.6.2024 § 9b Rn. 2; MüKoBGB/Burgmair 9. Aufl. WEG § 9b Rn. 3).

Ausgenommen hiervon ist nach § 9b Abs. 1 Satz 1 WEG lediglich der Abschluss von Grundstückskauf- oder Darlehensverträgen. Vertretungsmacht hat der Verwalter in diesen Fällen nur dann, wenn er durch Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft ermächtigt ist. Dies beschränkt sich allerdings nach dem klaren Wortlaut und der eindeutigen Begründung dieser Vorschrift allein auf das schuldrechtliche Rechtsgeschäft. Nicht betroffen von der Ausnahme ist das dingliche Geschäft, also insbesondere die Erklärung der Auflassung beim Grundstückskaufvertrag (Bremkamp/Echternach DNotZ 2021, 162, 164 f.; Dötsch/Schultzky/Zschieschack Kap. 3 Rn. 62; BT-Drucks. 19/22634, S. 43).

bb) Dementsprechend war die Hausverwaltung H. GmbH & Co. KG gemäß § 9b Abs. 1 WEG im Außenverhältnis zur Erklärung der Auflassung für die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer befugt, ohne dass es darauf ankommt, ob im Innenverhältnis diesbezüglich ein wirksamer Beschluss vorliegt. Die Bestellung der Hausverwaltung H. GmbH & Co. KG zum Verwalter wurde durch das Protokoll der Eigentümerversammlung vom 30.9.2022 nachgewiesen. Die vorgelegte Niederschrift entspricht den Anforderungen des § 26 Abs. 4 WEG, eine öffentlich beglaubigte Urkunde im Sinne des § 29 GBO liegt damit vor.

cc) Soweit die Hausverwaltung gemäß der in § 9b Abs. 1 WEG geregelten Ausnahme zum Abschluss des Kaufvertrages eines wirksamen Beschlusses der Wohnungseigentümer bedurfte, ist das Grundbuchamt zu einer Prüfung dieses Beschlusses bzw. des wirksamen Abschlusses des Kaufvertrages nicht befugt. Das Grundbuchamt hat nur zu prüfen, ob die Auflassung ordnungsgemäß erklärt wurde. Ob das schuldrechtliche Kausalgeschäft unter Beachtung von § 925a BGB vorgelegen hat, unterliegt nicht seiner Prüfungskompetenz (Hügel/Hügel § 20 Rn. 64).

c) Angesichts der nunmehr in § 9b Abs. 1 WEG geregelten umfassenden Organvertretungsmacht des Verwalters für die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer hält der Senat nicht daran fest, dass im Grundbuchverfahren bei Erwerb von Grundeigentum durch die Gemeinschaft - vertreten durch den Verwalter - der Nachweis der durch Mehrheitsbeschluss erfolgten Verwalterermächtigung durch Protokollvorlage gemäß § 26 Abs. 3 WEG i.V.m. § 24 Abs. 6 WEG geführt werden muss (Senat vom 16.11.2016, 34 Wx 305/16 = ZWE 2017, 93). Die Entscheidung des Senats hatte ihre Grundlage in der vor dem Inkrafttreten des WEMoG eingeschränkten organschaftlichen Vertretungsmacht des Verwalters für die Gemeinschaft nach § 27 Abs. 3 Nrn. 1 bis 6 WEG in der damals gültigen Fassung. Auflassungserklärungen waren davon nicht umfasst und bedurften gemäß § 27 Abs. 3 Nr. 7 WEG a.F. eines Ermächtigungsbeschlusses durch die Eigentümergemeinschaft (Armbrüster NZG 2017, 441, 446). Zwar wird vereinzelt in der Literatur weiterhin ein solcher Nachweis gefordert (Hügel/Elzer WEG 3. Aufl. § 9b Rn. 9; Erman/Grziwotz BGB 17. Aufl. § 9b WEG Rn. 2). Mit der seit dem Inkrafttreten des WEMoG zum 1.12.2020 neu geregelten umfassenden organschaftlichen Vertretungsmacht des Verwalters für die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ist dem aber die Grundlage entzogen. Die Frage, ob dem Verwalter die Rechtshandlungen - mit Ausnahme der in § 9b Abs. 1 Satz 1 WEG genannten Verträge - durch einen Beschluss der Wohnungseigentümer gestattet sind und er deshalb die Gemeinschaft wirksam vertreten kann, stellt sich nicht mehr (Dötsch/Schultzky/Zschieschack Kap. 3 Rn. 62). Im Grundbuchverfahren ist damit der Nachweis der Vertretungsmacht anlässlich der Auflassung an den Verband entbehrlich (Hügel/Kral WEG Rn. 160; BeckOGK/Greiner § 9b Rn. 14; Bärmann/Becker WEG 15. Aufl. § 9b Rn. 61; BeckOK WEG/Leidner Stand: 2.4.2024 § 9b Rn. 15a; MüKoBGB/Burgmair § 9b Rn. 18). Ob und in welcher Form ein Nachweis im Beurkundungsverfahren zu erbringen ist (vgl. hierzu Bremkamp/Echternach DNotZ 2021, 162, 166 f.), bedarf hier keiner Erörterung.

III.

Eine Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens ist nicht erforderlich, weil die diesbezügliche Haftung der Beteiligten zu 1 aus § 22 Abs. 1 GNotKG aufgrund des Erfolgs des Rechtsmittels gemäß § 25 Abs. 1 GNotKG erloschen ist. Daher bedarf es auch keiner Geschäftswertfestsetzung.

Erlass des Beschlusses (§ 38 Abs. 3 Satz 3 FamFG): Übergabe an die Geschäftsstelle am 11.07.2024.

Bild: Romain Dancre (Unsplash, Unsplash Lizenz)

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