06.07.2015 — Online-Redaktion Verlag Dashöfer. Quelle: Taylor Wessing Deutschland.
Grundsätzlich ist die Entwendung von Arbeitgebereigentum, auch wenn es sich um geringwertige Sachen handelt, als wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung geeignet. So hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) z.B. die fristlose Kündigung einer Arbeitnehmerin für wirksam erachtet, die sich ohne Bezahlung ein Stück Bienenstichkuchen aus dem Warenbestand nahm und hinter der Bedienungstheke verzehrte (BAG v. 17.05.1984 – 2 AZR 3/83). Ebenso hatte das BAG im bekannten Fall „Emmely“ entschieden, dass grundsätzlich auch die Einlösung von an sich genommenen Pfandbons im Wert von EUR 1,30 eine fristlose Kündigung rechtfertigen können (BAG v. 10.06.2010 – 2 AZR 541/09).
In dem vom LAG Hamm nun zu entscheidenden Sachverhalt entnahm der Kläger am 14.05.2014 aus der Werkstatt der Beklagten zwanzig Unterlegscheiben, zwei Federringe und fünf selbstsichernde Muttern. Letztere sind nach einmaligen Gebrauch nicht mehr verwendbar. Beim Verlassen des Werksgeländes wurde der Kläger vom Geschäftsführer „auf frischer Tat ertappt“. Er räumte ein, dass er das Material mitgenommen habe, um zu Hause an seiner Waschmaschine „etwas auszuprobieren“. Er habe sich die Unterlegscheiben nur ausleihen und am nächsten Tag zurückbringen wollen.
Die Beklagte vertrat hingegen die Auffassung, der Kläger hätte einen Diebstahlsversuch unternommen. Sie hörte daraufhin den Betriebsrat zu einer beabsichtigten fristlosen Kündigung an, der dieser mit der Begründung widersprach, es sei betriebsüblich, sich nach Absprache mit dem Leiter der Instandhaltung Sachen auszuleihen. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis fristlos, hilfsweise ordentlich. Gegen diese Kündigung erhob der Kläger Kündigungsschutzklage.
Ebenso wie die Vorinstanz gab das LAG Hamm der Klage statt. Den Einwand der Beklagten, dass lediglich Werkzeuge nach Genehmigung ausgeliehen werden dürften sowie, dass der Mitarbeiter, den der Kläger hinsichtlich der Mitnahme der Gegenstände fragte, nicht zur Herausgabe von Firmeneigentum befugt war, ließ das LAG Hamm nicht gelten. Vielmehr stelle die Betriebsüblichkeit des Ausleihens von Sachen aus der Instandhaltung einen Rechtfertigungsgrund dar. Selbst wenn die betriebliche Übung ohne Wissen der Geschäftsführung entstanden sein sollte und auch wenn der die Erlaubnis erteilende Mitarbeiter keine entsprechende Kompetenz besessen habe, so rechtfertige das Handeln des Klägers keine außerordentliche Kündigung.
Vielmehr sei die Handlung dem Kläger nicht derart vorwerfbar, dass eine sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses gerechtfertigt und eine Weiterbeschäftigung unzumutbar wäre. Darüber hinaus sei es der Beklagten nicht gelungen, zu widerlegen, dass der Kläger sich die Unterlegscheiben und Muttern lediglich leihen und wieder zurückbringen wollte. Auch gelang der Beklagten weder der Nachweis, dass es die vorgetragene Betriebsüblichkeit nicht gebe, noch dass sich die Möglichkeit des Ausleihens nur auf Werkzeuge beziehe.
Darlegungs- und beweisbelastet ist im Falle der Kündigung die kündigende Partei, also regelmäßig der Arbeitgeber. Darüber hinaus trifft diesen dann auch die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass keine Umstände vorgelegen haben, die die Handlung des Arbeitnehmers als gerechtfertigt erscheinen lassen. Sofern der Arbeitnehmer also nicht mit einer völlig abwegigen Rechtfertigung aufwartet, besteht immer das Risiko, dass die „Schutzbehauptung“ nicht widerlegt werden kann und damit auch die Kündigung unwirksam ist. Vorliegend konnte der Arbeitgeber nicht wiederlegen, dass sich eine „betriebliche Übung“ ergeben habe, wonach Arbeitnehmer Betriebsmittel „ausleihen“ dürfen. Im Ergebnis könnte es mithin anzuraten sein, im Unternehmen nachweisbar klarzustellen, dass Betriebsmittel generell nicht ausgeliehen und insbesondere nicht mit nach Hause genommen werden dürfen.
Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm, Entscheidung vom 16.04.2015 (Az.: 15 Sa 1509/14)
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