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Kündigung wegen Verletzung der Pflichten als Vorgesetzter

10.06.2013  — Online-Redaktion Verlag Dashöfer.  Quelle: Landesarbeitsgericht Mainz.

Beziehungen unter Kollegen sind manchmal nicht gern gesehen, meistens sind sie aber nicht verboten. Die Frage nach der Kündigungsrelevanz stellt sich dennoch.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer fristlosen, hilfsweise ordentlichen Kündigung der Beklagten. Der Kläger ist auf Grundlage des Arbeitsvertrages vom 1. Juli 2008 bei der Beklagten als Teamleiter Frische/Theken beschäftigt und war in dieser Eigenschaft Vorgesetzter der Verkäuferin R. an der Fischtheke. Seit November 2008 entwickelte sich zwischen dem Kläger und Frau R. eine intime Beziehung, die seit Dezember 2008 - so die Beklagte - bzw. Anfang März 2009 - so der Kläger - beendet ist. Die Beklagte, in deren Betrieb ständig weitaus mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt sind, stützt ihre Kündigungen auf die durch die private Beziehung aus ihrer Sicht verursachten Belastungen des Arbeitsverhältnis und die damit verbundenen Störungen.

(…)

Entscheidungsgründe:

Das Bestehen einer intimen Beziehung an sich sei nicht kündigungsrelevant. Kündigungsrelevanz erhalte ein derartiges Verhalten erst dann, wenn arbeitsvertragliche Pflichten verletzt würden oder betriebliche Beeinträchtigungen nennenswerter Art entstünden.

(…)

Die Beklagte habe ihre Behauptung, der Kläger habe der Mitarbeiterin R. geschäftliche Konsequenzen angedroht, sofern sie sich einer Aussprache mit ihm widersetze, in zeitlicher Hinsicht nicht ausreichend präzise dargelegt. Die Behauptung der Beklagten, die Mitarbeiterin R. habe ein Seminar aus gesundheitlichen Gründen deshalb nicht besucht, weil der Kläger sie habe begleiten wollen, rechtfertige die Kündigung ebenfalls nicht, da nicht ersichtlich sei, dass die Mitarbeiterin unbedingt dieses Seminar hätte besuchen müssen und nicht auch zu einem späteren Zeitpunkt an einer entsprechenden Veranstaltung hätte teilnehmen können. Auch die Tatsache, dass der Kläger einen Mitarbeiter des bei der Beklagten tätigen Überwachungsunternehmens damit betraut hat, zu überprüfen, wo Frau R. parke, rechtfertige die Kündigung nicht. Der Kläger habe damit zwar gegen arbeitsvertragliche Verpflichtungen verstoßen. Dieses Fehlverhalten sei aber nicht von derartigem Gewicht, dass es einer Kündigung ohne vorangegangene Abmahnung rechtfertige.

(…)

Dadurch, dass der Kläger einen Mitarbeiter des Überwachungsunternehmens damit betraut habe, Videoaufnahmen der Außenkamera dahingehend zu sichten, wo genau die Mitarbeiterin R. geparkt habe, habe der Kläger massiv arbeitsvertragliche Pflichten verletzt. Dieses Verhalten stelle nicht nur einen Verstoß gegen die geltende Betriebsvereinbarung "Video-Überwachung" dar, sondern sei auch ein massiver datenschutzrechtlicher Verstoß, der das Persönlichkeitsrecht der Mitarbeiterin verletzt habe. Dies wiege umso schwerer, als der Kläger als Teamleiter und damit als Führungskraft tätig gewesen sei. Es handle sich um eine besonders schwerwiegende Pflichtverletzung, deren Rechtswidrigkeit für den Kläger ohne weiteres erkennbar gewesen sei und bei dem eine Hinnahme dieses Verhaltens durch die Beklagte offensichtlich ausgeschlossen gewesen sei. Die Anordnung der technischen Überwachung habe allein der Durchsetzung privater Interessen gedient.

(…)

Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Die erforderliche Überprüfung, ob ein gegebener Lebenssachverhalt einen wichtigen Grund darstellt, vollzieht sich zweistufig: Es ist zunächst zu prüfen, ob ein bestimmter Sachverhalt ohne die besonderen Umstände des Einzelfalls als wichtiger Kündigungsgrund an sich geeignet ist. Liegt ein solcher Sachverhalt vor, bedarf es der weiteren Prüfung, ob die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile zumutbar ist oder nicht.

(…)

In Anwendung dieser Grundsätze ist das Arbeitsgericht zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass die Kündigung der Beklagten sowohl als außerordentliche, als auch als ordentliche Kündigung rechtsunwirksam ist.

Die Unterhaltung einer intimen Beziehung zu der Mitarbeiterin R. sowie das Umsehen im privaten Umfeld der genannten Mitarbeiterin sind ohne Hinzutreten weiterer Umstände nicht als an sich zur Kündigung berechtigende Gründe anzusehen.
Um ein nicht außerdienstliches Verhalten, sondern um Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten geht es hingegen, soweit die Beklagte dem Kläger vorwirft, er habe während der Arbeitszeit die Mitarbeiterin R. u.a. unter Androhung geschäftlicher Konsequenzen zu einer Aussprache gedrängt, durch häufige Anrufe das Abteilungstelefon blockiert und –insoweit- unstreitig- einen Mitarbeiter der Detektei angewiesen oder gebeten nachzusehen, wo die Mitarbeiterin R. geparkt habe. Das In-Aussicht-Stellen von beruflichen Nachteilen zur Erreichung privater Ziele verletzt diese Pflicht.

(…)

Die Darlegungslast für die die Kündigung begründenden Tatsachen trägt der Arbeitgeber. Dieser Darlegungslast wird der Arbeitgeber nur durch sog. substantiierten Sachvortrag gerecht. Diese Verpflichtung bezweckt u.a., dem Prozessgegner seinerseits eine Erwiderung auf die den erhobenen Vorwürfen zugrunde liegenden Tatsachen zu ermöglichen. Nur durch einen solchen Sachvortrag wird dem Gericht auch eine Prüfung ermöglicht, ob ein bestimmter Sachverhalt im Einzelfall die Kündigung rechtfertigt. (…)

LArbG Mainz, Urteil vom 25.06.2010, AZ 9 Sa 150/10 (in Auszügen)



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