05.11.2019 — Matthias Wermke. Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.
Im Mittelpunkt dieser Geschichte steht ein Gegenstand, der an Arglosigkeit kaum zu überbieten ist: die gemeine Leiter Wie unschuldig und bar jeden Anstoßes etwas sein kann, erkennt man, wenn man sich den zugehörigen Artikel auf einer prominenten Internet-Enzyklopädie anschaut. Hätten Sie z. B. gewusst, dass verschiedenste Leitertypen unterschieden werden? Da gibt es Stehleitern, Bockleitern, Anlegeleitern, Mehrzweckleitern oder auch Einholmleitern. Sonstige Leitertypen sind Treppenleitern, Endlosleitern sowie Drehleitern. Für besondere Spaßvögel wird hier auch die Räuberleiter aufgeführt, die, darauf wird extra hingewiesen, keine Leiter im klassischen im Sinne sei. Gut zu wissen: Es werden zwei, dieser Begriff allein ist schon Gold wert, „Steigetechniken“ unterschieden, nämlich Kreuz- und Passgang. Darauf einzugehen, würde nun jedoch zu weit führen.
Wie, fragt man sich nun, kann es in einer Welt, in der selbst ein so banaler Gegenstand wie eine Leiter einen eigenen, mehrere Unterkapitel umfassenden Lexikonartikel hat, noch über irgendetwas Uneinigkeit und Konflikte geben? Die Antwort liefert in altbewährter Zuverlässigkeit das leicht reizbare Gemüt des deutschen Mittelstands.
Eine der wenigen unumstößlichen Wahrheiten, die uns in unsicheren Zeiten noch geblieben sind, ist die, dass Leitern nicht von alleine stehen können. Ausgenommen ist, das ist der Lektüre jenes Artikels zu entnehmen und aufmerksamen Leser*innen natürlich längst aufgefallen, die Bockleiter. Stets braucht es einen Gegenpart, der der Leiter Stütze ist, damit sie selbst anderen Halt sein kann – eine beinahe romantische Metapher. Das kann nun alles Mögliche sein: ein Feuerwehrauto, der Geräteschuppen oder eine Hauswand. In dem uns vorliegenden Fall handelt es sich jedoch um ein Bauelement, das mit keinem eigenen Artikel in der genannten Online-Enzyklopädie bedacht wurde. Kein gutes Omen.
So ragte die Metallleiter (über den genauen Typus ist nichts bekannt) eines Münchener Reihenhauseigentümers auf eine Weise empor, wie es dessen Nachbarn überhaupt nicht gefallen wollte. Nämlich stand sie zwar mit dem Leiterfuß auf dem Grundstück des stolzen Grund- und Leiterbesitzers, war aber an die Dachziegelabschlusskante besagten Nachbars angelehnt – und das nicht nur ein paar Tage, sondern gleich über mehrere Monate hinweg. Beim Besteigen dieser Leiter hätte man sich zudem auch noch Einblick in das Schlaf- und Wohnzimmer verschaffen können – fürwahr kein angenehmer Zustand. Statt nun aber ein Einsehen für die missliche Positionierung zu haben, weigerte sich der Herr mit der Leiter, selbige zu entfernen. So sorgte man dafür, dass die wertvollen Ressourcen des Amtsgerichts München wenigstens auch auf eine sinnvolle Sache aufgewendet wurden.
Doch das sollte nicht der einzige Aufreger in diesem nachbarschaftlichen Kleinkrieg sein, der im Rahmen des Gerichtsverfahrens geklärt werden sollte. So hatte der Besitzer der Leiter die Abwesenheit seiner Nachbarn durch einen mehrwöchigen Urlaub dazu genutzt, zwischen den beiden Häusern eine Sichtschutzwand aus Holz zu bauen, die er mithilfe von Dübellöchern und Befestigungen am fremden Haus stabilisierte.
Im Gegensatz zu der plötzlichen Existenz der Trennwand, die ihr Erbauer bald darauf auch wieder mitsamt ihrer Spuren entfernte, war die Entscheidung des Gerichts keine große Überraschung. So befand es, dass das Anlehnen der Leiter eine unrechtmäßige Beeinträchtigung des Eigentums sei und das Eigentumsrecht beinhalte, jede unautorisierte Nutzung zu untersagen. Gleiches gelte für die Bohrlöcher, durch welche zudem weitere Schäden entstehen könnten.
Somit muss die Leiter also einen neuen Ort finden oder durch ein selbststehendes Modell ersetzt werden. Wir empfehlen die Bockleiter.
Gericht: Amtsgericht München, Urteil vom 12.01.2017 - 233 C 29540/15
Bild: fudowakira0 (Pixabay, Pixabay License)
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