24.06.2019 — Rolf Becker. Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.
Es ist kein Geheimnis, dass die Zahl der Bestandskunden ein gewichtiger Block im Portfolio des Unternehmenserfolgs ist, der aber ständiger Erosion unterliegt. Abwanderung an den Wettbewerb, Tod und viele andere Gründe machen es für ein Unternehmen erforderlich, ständig um neue Kunden zu werben.
Da liegt es nahe, auf kaufaffine Kunden von anderen Unternehmen zuzugreifen. Hier hat sich über Jahrzehnte hinweg unter Hilfestellung spezialisierter Unternehmen ein Markt für den Handel mit Adressen etabliert. Sog. Listbroker kennen das Marktangebot an Adresslisten und beraten werbewillige Unternehmen bei der Auswahl und Beschaffung geeigneter Listen. Das war zu Zeiten des alten Bundesdatenschutzgesetzes mehr oder weniger unproblematische tägliche Praxis. Das sogenannte Listenprivileg war im Gesetz verankert. Der DDV (Deutscher Dialogmarketing Verband e.V.) hat hierzu in Zusammenwirken mit Marktteilnehmern aus dem Bereich der Listbroker und der weiterverarbeitenden Lettershops und IT-Dienstleister Standards geschaffen, denen sich die Beteiligten unterwerfen und die eine interessengerechte und sichere Verarbeitung sicherstellen sollen.
In seinem 34. Tätigkeitsbericht hat sich der Landesdatenschutzbeauftragte Baden-Württemberg zum Thema Adresshandel geäußert: „Stimmen vor allem aus der Werbewirtschaft, wonach sich mit dem Wirksamwerden der DS-GVO rechtlich mehr oder weniger nichts verändert habe, […] als Wunschdenken….“.
Zu den Rechtsgrundlagen führt er aus:
„Die Interessen oder die Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person dürfen nicht überwiegen; dabei sind die vernünftigen Erwartungen der betroffenen Personen, die auf ihrer Beziehung zu dem Verantwortlichen beruhen, zu berücksichtigen. Insbesondere dann, wenn personenbezogene Daten in Situationen verarbeitet werden, in denen eine betroffene Person vernünftigerweise nicht mit einer weiteren Verarbeitung rechnen muss, könnten die Interessen und Grundrechte der betroffenen Person das Interesse des Verantwortlichen überwiegen (ErwG 47).
Der Betroffene gehe gerade nicht davon aus, dass ein Unternehmen ungefragt Kundendaten an völlig fremde Unternehmen „verkauft oder vermietet“ und er von dort dann unerwünscht Werbung bekomme. Auch unter dem Gesichtspunkt der Transparenz bestehe ein Interesse, Herr der Daten zu bleiben. Daher sei eine Einwilligung des Betroffenen erforderlich.
Diese Ansicht machen sich viele Stimmen im Datenschutz zu eigen. Damit wäre der Adresshandel praktisch tot. Das ist aber nicht der Fall. Es gibt durchaus noch Möglichkeiten, die anerkannten Interessen an der Förderung fremder Interessen zur Werbung in Einklang mit den Anforderungen der DSGVO zu bringen.
Im vereinfachten Modell arbeiten bei dem Lettershop-Verfahren drei Parteien miteinander:
In der Praxis sind häufig noch die oben erwähnten Listbroker zwischengeschaltet. Diese beraten Adresseigner und Werbetreibende und vermitteln die notwendigen Nutzungsrechte an den Adresslisten. Auch IT-Dienstleister, die bei der Selektierung der Daten behilflich sind, können in die Verarbeitungsvorgänge eingegliedert sein. Hat der Werbetreibende die Adresslisten identifiziert, die ihm möglichst hohe Antwortquoten (Response) bringen sollen, dann erwirbt er die Nutzungsrechte für die meist einmalige Nutzung der identifizierten Adressen vom Adresseigner. In der Regel handelt es sich um eine Auswahl (Selektion) der Adressen nach bestimmten Merkmalen (z.B. Versandkäufer der letzten 6 Monate).
Der Adresseigner schließt mit einem vom Werbetreibenden ausgewählten Lettershop einen Vertrag zur Auftragsverarbeitung. Die Adressen bleiben also im Verantwortungsbereich des Adresseigners. Der Werbetreibende stellt nur das Werbemittel und dieses Werbemittel wird mit den Adressdaten personalisiert und vom Lettershop versendet. Diese Adressverarbeitung ist vom Adresseigner autorisiert. Der Werbetreibende zahlt die Leistungen des Lettershops. Damit wird also ein datenschutzrechtliches Auftragsverhältnis zwischen Adresseigner und Weiterverarbeiter (Lettershop) begründet und ein kaufmännisches Auftragsverhältnis zwischen Werbetreibenden und Lettershop.
Der Vorteil des Verfahrens liegt in dem Umstand begründet, dass der Werbetreibende die Adressen nicht selbst erhält. Sie werden ihm nicht übermittelt, sondern nur im Verhältnis Aderesseigner und Lettershop verarbeitet. Tatsächlich erfährt der Werbetreibende erst dann von einer Adresse, wenn die betroffene Person nach eigenem Entschluss auf die Werbung reagiert. Dann und nur dann wechselt die Adresse in seine Mitverfügungsbefugnis. Der Betroffene bleibt trotz Erhalt der Werbung Herr seiner Daten. Reagiert er nicht, kommt es erst gar nicht zu einer Verbreitung seiner Daten. Mehr noch: Er hat selbstverständlich ein Widerspruchsrecht gegen dies Art der Datenverarbeitung, auf das er im Werbeschreiben aufmerksam zu machen ist.
Viele Unternehmen bedienen sich dieses Verfahrens. An der Aufklärung der Betroffenen zu den Vorteilen muss noch gearbeitet werden. Informell hat der LfDI Baden-Württemberg schon zu erkennen gegeben, dass er für das Lettershop-Verfahren kein Einwilligungserfordernis sieht.
Natürlich müssen auch im Lettershop-Verfahren weitergehende rechtliche Voraussetzungen erfüllt werden.
Das Lettershop-Verfahren ist aus datenschutzrechtlicher Sicht die interessengerechteste Lösung zur Neukunden-Akquise, da der Werbetreibende die Daten der Angeschriebenen erst dann erhält, wenn sich diese bei ihm z.B. mit einer Bestellung melden. Die Kosten sind moderat, die Konversionsraten im Direktmarketing gut und selbst die sonst so kritischen Aufsichtsbehörden begrüßen dieses Verfahren.