04.12.2018 — Markus Hiersche. Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.
Der Mieter trägt die Beweislast für die tatsächliche Beeinträchtigung des Mietgebrauchs durch den Lärm vom Nachbargrundstück. Der Vermieter hingegen trägt die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass er selbst die Immissionen ohne eigene Abwehr- und Entschädigungsmöglichkeit nach § 906 BGB als unwesentlich und ortsüblich hinzunehmen hat.
In München zog eine Vermieterin gegen ihre Mieterin vor Gericht, da diese aufgrund der Lärmbelästigung einer benachbarten Großbaustelle die Miete eigenmächtig gemindert hatte. Die Vermieterin wollte dies nicht akzeptieren, verlor aber in erster Instanz. Das AG München entschied nun in zweiter Instanz.
Ihrer Argumentation vor Gericht zufolge läge es auf der Hand, dass in einer Großstadt wie München, in der eine erhebliche Nachfrage nach Wohnungen bestehe, mit Bautätigkeit gerechnet werden müsse. Auch handle es sich bei der Bebauung des benachbarten Grundstücks um eine temporäre Geräuschbelästigung, die nur so lange andauere, bis der Wohnungsbau fertiggestellt sei. Die Bebauung des Nachbargrundstücks, einer ehemaligen Gewerbeanlage mit Wohnungen und Geschäften, führe außerdem zur Verbesserung der Umweltbedingungen bzw. des Wohnumfeldes, sodass der Mieter letztlich davon profitiere. Zudem habe sie als Vermieterin keinen Einfluss darauf, dass die zu Mietbeginn bestehenden ruhigen Verhältnisse während der gesamten Dauer des Mietvertrages unverändert fortbestünden. Baulärm sei gerade in Städten ein allgemeines Lebensrisiko.
Das Gericht folgte dieser Argumentation jedoch nicht – gerade weil die Mieterin mit Texten und Bildern nachgewiesen hat, dass Lärm- und Schmutzbelästigungen in erheblichen Umfange bestanden. Der Ansicht der Klägerin, dass temporär auftretende Belastungen durch Abriss- und Bebauung eines Nachbargrundstücks, die letztlich zu einer Verbesserung der Umweltbedingungen bzw. des Wohnumfeldes führe, hingenommen werden müssen, sei nicht zutreffend. Dies gelte auch nicht deshalb, weil ein Vermieter keinen Einfluss darauf hat. Zutreffend ist vielmehr, dass Baustellenlärm als Mangel der Mietsache anzusehen ist. Die Üblichkeit des Lärms sei nur dann ausschlaggebend, wenn die Parteien bei Abschluss des Mietvertrages eine Beschaffenheitsvereinbarung dahingehend getroffen haben, dass der im Rahmen dieser Vereinbarung näher zu definierende übliche Lärm geduldet werden muss. Insgesamt liege die Beweislast für die Ortsüblichkeit und Zumutbarkeit des Lärms bei der Klägerin als Vermieterin, soweit diese sich in der Klageschrift auf die Ortsüblichkeit und Zumutbarkeit des Lärms beruft.
Es gilt nach Ansicht des Gerichts daher Folgendes: Der Mieter trägt die Beweislast dafür, tatsächlich durch Lärm beeinträchtigt zu sein. Der Vermieter wiederum muss nachweisen, dass die Immissionen unwesentlich oder ortsüblich sind. Zu Letzterem stellte das Gericht fest: Baulärm ist nicht prinzipiell ortsüblich oder unwesentlich – auch nicht in Städten.
Das Gericht stellte sich in seinem Urteil auf die Seite der Mieterin und gestand ihr eine Mietminderung zu. In der ersten Bauphase (Abriss und Grundarbeiten) erhielt sie eine Minderungsquote von 30% pro Monat, in der zweiten Bauphase (Hochbauarbeiten) immerhin noch 25%.
AG München, 01.02.2018 - 472 C 18927/16
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