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Neue EU-Regelungen: Gewährleistungshaftung online verschärft

14.12.2015  — Rolf Becker.  Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.

Einmal mehr wird eine neue EU-Richtlinie auf den Weg gebracht, bei der Kritik angebracht ist. Die Gewährleistungshaftung soll verschärft werden. Der Richtliniengeber schraubt an Beweislastfragen und selbst für gebrauchte Waren soll künftig die volle Haftung gelten. Rechtsanwalt Rolf Becker, Partner bei den Rechtsanwälten von WIENKE & BECKER – KÖLN, erläutert das aktuelle Vorhaben.

Die EU-Kommission hat eine neue Richtlinie vorgestellt, die sie als weiteren Schritt für die Verbesserung von Verbraucherrechten verstanden wissen will. Dazu soll das Gewährleistungsrecht, das z. B. bei Mängeln von Waren dem Käufer Rechte auf Nachbesserung oder Ersatzlieferung gibt, EU-weit weiter vereinheitlicht und verbessert werden. In Zeiten des Multi-Channel kaum nachvollziehbar, sollen nur die Rahmenbedingungen für den eCommerce- und den klassischen Versandhandel geändert werden. Bei dort abgeschlossenen Käufen erhält der Verbraucher die Möglichkeit, 24 Monate lang einen Mangel geltend zu machen, ohne wie bislang nach den ersten 6 Monaten nachweisen zu müssen, dass der Mangel von Anfang an bestand. Das soll auch für geringfügige Mängel gelten. Nach Art. 5 Abs. 3 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie (Richtlinie 1999/44/EG) wird „bis zum Beweis des Gegenteils […] vermutet, dass Vertragswidrigkeiten, die binnen sechs Monaten nach der Lieferung des Gutes offenbar werden, bereits zum Zeitpunkt der Lieferung bestanden, es sei denn, diese Vermutung ist mit der Art des Gutes oder der Art der Vertragswidrigkeit unvereinbar.“ Selbst Anzeigepflichten (Pflicht zur Anzeige des Mangels innerhalb bestimmter Fristen ab Kenntnisnahme), die zwar nicht in Deutschland, aber in anderen Staaten vorgesehen waren, entfallen. Zudem soll die Möglichkeit entfallen, bei gebrauchten Waren die Gewährleistungsfrist zu verkürzen.

Gerade erst hat der Europäische Gerichtshof (Urt. v. 04.06.2015, Rs. C-497/13) die Rechte der Verbraucher gestärkt. Die Vermutung in den ersten 6 Monaten bezog sich nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur auf das Vorliegen eines bestimmten Mangels zum Zeitpunkt der Übergabe, nicht auf den Mangel selbst. Funktionierte also etwa ein Zahnriemen in einem Kfz bei der Übergabe noch, war die Vermutung widerlegt (BGH, Urt. v. 2.6.2004, Az. VIII ZR 329/03). Der EuGH verlangt vom Verbraucher nur noch, dass er darlegt, dass die Sache nicht funktioniert und dass sich dies innerhalb der ersten 6 Monate herausgestellt hat.

Sieht man diese Rechtsentwicklung im Kontext zur geplanten Richtlinie, so erhält der Verbraucher bald fast eine gesetzliche Garantie auf die Haltbarkeit.

Der bevh hat den Richtlinienvorschlag bereits als blinden Aktionismus gebrandmarkt. Kritik verdient in jedem Fall der falsche Ansatz, in einer wichtigen Frage wie der Gewährleistung nur den Distanzhandel zu regulieren. Damit würden abweichende Rechtsfolgen gelten, je nachdem, wo der Verbraucher gekauft hat. Man kann zwar einwenden, dass dies schon mit dem Widerrufsrecht der Fall ist. Aber hier ist ein vernünftiger Grund ersichtlich, nämlich, dass der Verbraucher sich die Ware nicht einmal vor dem Kauf – wie im Ladengeschäft – ansehen und manchmal prüfen kann. Eine Rechtszersplitterung ohne Not macht das Recht nur unnötig kompliziert. Händler, die auf mehreren Kanälen ihre Kunden bedienen, müssten immer genau nachhalten, wo gekauft wurde und unterschiedliche Prozesse für die Gewährleistungsbehandlung pflegen. Ob damit der grenzüberschreitende Handel wirklich gefördert wird, ist fraglich. Grundsätzlich ist das bei dem gewählten Ansatz einer sogenannten Vollharmonisierung der Fall. Gelten überall in der EU gleiche Regeln, kann sich der Käufer leichter darauf einstellen. Ob allerdings Händler sich auf einen Verkauf in das ferne Ausland einlassen, wenn die bloße Behauptung eines Mangels nach 18 Monaten schon genügt, ist eine andere Frage. „Tatsächlich wirft die Kommission unserer Branche mal wieder einen Knüppel zwischen die Beine. Zudem ignoriert sie die Realität moderner Handelsprozesse und schafft Unsicherheit und Missbrauchsmöglichkeiten.“, kommentiert Christoph Wenk-Fischer, Hauptgeschäftsführer des bevh. Dort möchte man lieber eine Reform, die für alle Vertriebsformen gilt und eine solche, die die unterschiedlichen Umsatzsteuersätze in der EU angeht.


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