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Neues Jahr, neues Ziel

18.01.2013  — Martina Morf-Koller.  Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.

Hand auf´s Herz: Wie lange halten Ihre guten Vorsätze für das neue Jahr? Unsere Ernährungsexpertin Dr. Martina Morf-Koller erklärt, warum der Verzicht auf Süßes oft so schwer fällt und wie wir unser Gehirn trotzdem 'überlisten' können.

Liebe Leserin, lieber Leser,

hurra, endlich können wir uns wieder neu erfinden. Jedes Jahr Silvester geht die Suche nach den Vorsätzen los. Was will man nicht alles verändern: Mehr Zeit für sich oder andere, mehr Sport treiben, weniger essen oder wenigstens gesünder, aufhören mit dem Rauchen, oder am besten gleich alles zusammen. Und dann soll es natürlich auch sofort klappen ab 1. Januar.

Ich bin dann die, die angesprochen wird, wenn es um das Thema "Essen" geht. Immer wieder muss ich im Gespräch mit Patienten feststellen, dass man am liebsten "geändert werden möchte", weil "Reiß-dich-zusammen" schon mal nicht funktioniert. Obwohl Experten behaupten: Zwei Wochen lang konsequent nicht nachgeben, das ist alles!

Ok, bin ich dann nicht diszipliniert genug oder mangelt es mir an Ernährungswissen? Warum ist es so anstrengend, mit den alten Gewohnheiten aufzuhören? Wieso essen wir "Süßes oder Fettes" wider besseres Wissen? Erstens mal ist so ein Mensch ziemlich kompliziert und aus vielen Teilen aufgebaut, und alles will mit Energie versorgt werden. Das war schon vor mehr als 20000 Jahren der Fall. Das ging dann ungefähr so: Sobald ein gewisser Blutzuckerspiegel unterschritten war, fand eine biochemische Reaktion im Gehirn statt, die da meldete: HUNGER! Zusätzlich mit Zittern oder Schwächegefühl, wenn´s denn langsam dringend war, und dem unwiderstehlichen Drang, etwas zu essen. Wir bezeichnen dies heute als Heißhunger.

Zweitens spielten Hormone, Nervenbotenstoffe und Rituale eine wichtige Rolle bei Appetit und Sättigungsgefühl. Im Dunkeln beim Schlafen produzierte der Urmensch mit seinen Fettzellen Leptin, welches den Hunger dämpfte, und am Tag über den Magen das Ghrelin, welches den Hunger anregte. Also Motivation zum Jagen und Sammeln, wobei es damals durchaus bis zum Essen etwas länger dauern konnte. Mit der Zeit lernte das Gehirn unserer Homo-sapiens-Verwandten, dass kohlenhydratreiche (also auch süße) Nahrung am schnellsten verfügbare Energie lieferte. Als Belohnung schüttete dieses Botenstoffe aus, die ein gutes Gefühl vermittelten und das Verlangen nach Kohlenhydraten noch steigerten. Was durchaus manchmal überlebenswichtig war.

Heute sind Beeren, Früchte und unser zu jagendes Mammut handlich als Schokoriegel in der Schreibtischschublade erreichbar, aber die Motivation, Essen zu beschaffen, ist immer noch in unserem Gehirn gespeichert. Auch kommt der Schlaf-Wach-Rhythmus bei vielen ins Ungleichgewicht, sodass das Verhältnis Leptin/Ghrelin gestört wird. Dann verstärkt das Gehirn lieber mal das Hungergefühl und provoziert Heißhunger, denn unsere Gehirnstruktur ist ein wenig in der Steinzeit hängengeblieben. Heutzutage hat "Hunger" auch nicht immer etwas mit körperlichem Energiebedarf zu tun. Manchmal hungern wir emotional und fangen dies durch Essen auf, um uns mit Endorphinen zu belohnen. Allerdings zeigt Heißhunger noch immer einen Mangel an, aber der kann ganz woanders liegen. Nicht immer fehlen Vitamine oder Mineralstoffe, sondern auch mal einfach Zeit oder Zuwendung.


Leider kann viel Zucker und viel Fett bei Rezeptoren im Gehirn eine Gewöhnung ausbilden, die sich dann fast wie bei Drogen auswirkt. Man will mehr davon.

Und nun? Bin ich meinem Gehirn ausgeliefert? Ein ganz klares NEIN! Zunächst schaue ich in mich hinein und überlege mir, vielleicht auch schriftlich, wann und warum die Lust nach bestimmten Dingen übermächtig wird. Welche Erfahrungen könnten beispielsweise dazu geführt haben, sich mit schlichtem Tüten-Cappuccino zu belohnen, obwohl man hinterher jedesmal Magenbeschwerden bekommt?

Wer es schafft, mit sich selbst und seinen Gefühlen einen netteren Umgang zu pflegen, der verliert den Drang, ständig Nahrung als Belohnung zu nutzen. Denn obwohl unser Gehirn an rückständigen Mustern festhält, ist es durchaus lernfähig. Und tatsächlich reichen oft schon zwei Wochen einer Veränderung aus, es umzuprogrammieren. Versuchen Sie mal, sich die geliebte Schokolade oder Chips in Schwarz-Weiß vorzustellen, ist das dann immer noch attraktiv?

Übrigens: Gewicht ist relativ und Perfektion wird oft überbewertet. Viel wichtiger ist es, sich mit sich selbst wohl zu fühlen. Auf die eigenen Bedürfnisse zu hören. Und wäre das nicht ein guter Vorsatz für das neue Jahr?

Ihre
Dr. Martina Morf-Koller

 

Die Autorin:

lebt mit Mann und Kind in Hamburg-Bergedorf und arbeitet dort als Heilpraktikerin in eigener Praxis. Sie hat sich auf Beschwerden und Schmerzen des Bewegungssystems spezialisiert. Dabei behandelt sie Muskeln, Gelenke, Wirbelsäule und fasziale Netzwerke manuell und vermittelt alltagsbezogene ökonomische Bewegungsformen um die Körperstruktur nachhaltig zu verbessern. In klientenzentrierter Gesprächstherapie entwickelt sie mit Patienten individuelle Strategien zur Stressbewältigung. Als Ernährungsberaterin liebt sie es außerdem Wissenswertes zum Thema „gesunde Ernährung“ humorvoll aufzubereiten und praxistauglich ihren Patienten näherzubringen. Ernährungsberatung soll auf jeden Fall Genuss, Lebensfreude und auch Spaß vermitteln, denn sonst kommt das Wissen nicht an.
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