Online-Weiterbildung
Präsenz-Weiterbildung
Produkte
Themen
Dashöfer

Schneeballsystem

19.07.2010  — Udo Cremer.  Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.

Zufluss von Kapitaleinnahmen aus Schneeballsystemen

1. Gutschriften aus Schneeballsystemen führen zu Einnahmen aus Kapitalvermögen, wenn der Betreiber des Schneeballsystems bei entsprechendem Verlangen des Anlegers zur Auszahlung der gutgeschriebenen Beträge leistungsbereit und leistungsfähig gewesen wäre.

2. An der Leistungsbereitschaft des Betreibers des Schneeballsystems kann es fehlen, wenn er auf einen Auszahlungswunsch des Anlegers hin eine sofortige Auszahlung ablehnt und stattdessen über anderweitige Zahlungsmodalitäten verhandelt.

Die zusammen zur Einkommensteuer veranlagten Eheleute ließen sich bei der Vermögensanlage von dem Bankkaufmann C, Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH, den sie seit Ende der 60er Jahre persönlich kannten, beraten. Die GmbH vertrieb Finanzprodukte. Von 1992 bis 1999 wurden über 40 Anleger mit einem Anlagekapital von über 6 Mio. DM geworben. Das Anlagekapital wurde über fremde Dritte angelegt, wobei erhebliche Summen veruntreut wurden. Die Anleger wurden über die Verluste nicht informiert. Im Jahr 1992 schlossen der Kläger und seine Ehefrau mit C zwei Verträge über die Anlage von 160.000 DM und 90.000 DM. Bis April 1994 überwiesen sie 230.000 DM an C. Nach den Verträgen beabsichtigten der Kläger und seine Ehefrau, eine Kapitalanlage zu tätigen, die von der GmbH vermittelt werden sollte. Das Kapital wurde C für 5 Jahre zur Verfügung gestellt.

Die Anlage sollte gepoolt werden. Deshalb verzichteten der Kläger und seine Ehefrau unwiderruflich auf eine vorzeitige Rückzahlung des Anlagebetrages. Für seine Tätigkeit sollte C eine Vergütung von 5 % des Anlageertrages erhalten. Eine Anlage zu den Verträgen sah vor, dass C als "Anleger" einen bestimmten Geldbetrag ("Anlagekapital") bei noch nicht benannten "Partnern" anlegen sollte. Das Anlagekapital sollte durch Bankgarantie abgesichert und möglichst mit 12 % p.a. verzinst werden. Zudem sollte ein "Bonus" von weiteren 12 % gezahlt werden. Mit Schreiben vom 7. Januar 1994 erhielten der Kläger und seine Ehefrau eine Abrechnung per 31. Dezember 1993, und auch in der Folgezeit erteilte C ihnen über Ertrags- und Bonusgutschriften auf ihrem Sonderkonto "offizielle" Abrechnungen (mit Firmenkopf der GK, einer in Liechtenstein ansässigen Briefkastengesellschaft).

Auszahlungen in Höhe von insgesamt 195.189,95 DM erfolgten auf zwei Konten, die der Kläger und seine Ehefrau bei einer Bank in der Schweiz errichtet hatten. Ein Konto war als "Kontokorrent" bezeichnet. Das andere Konto errichteten sie als "Kontokorrent Rubrik Separat". Ab September 1994 wurden in zunehmender Zahl auf dem Konto bei der GmbH als Ertrag ausgewiesene Beträge nicht mehr auf die Konten bei der schweizerischen Bank überwiesen, sondern als zusätzliches Anlagekapital dem Kläger und seiner Ehefrau direkt wieder gutgeschrieben. Von September 1994 bis Ende 1997 schrieb C dem Kläger und seiner Ehefrau insgesamt 176.960 DM gut. Der Kläger und seine Ehefrau hatten der Verrechnung jeweils vorher zugestimmt. C überwies an den Kläger und seine Ehefrau am 6. Juni 1997 letztmalig Beträge auf die Konten der schweizerischen Bank und schickte ihnen am 22. Dezember 1997 einen Scheck über 10.000 DM als Kapitalrückzahlung.

Der Insolvenzantrag über sein Vermögen wurde im Jahr 2000 gestellt. In ihren Einkommensteuererklärungen 1992 bis 1997 erklärten der Kläger und seine Ehefrau aus den vorgenannten Vorgängen als Einnahmen aus Kapitalvermögen nur die Beträge, für die eine "offizielle" Abrechnung erstellt worden war (insgesamt 51.208,50 DM). Soweit die offizielle Abrechnung eine Gutschrift bei der GmbH mit Wertstellung 31. Dezember vorsah, ordneten der Kläger und seine Ehefrau die Beträge dem ausgewiesenen Jahr zu. Die tatsächliche Auszahlung auf die schweizerischen Konten erfolgte regelmäßig Mitte / Ende Januar des Folgejahres. Die auf das als "Kontokorrent Rubrik Separat" bezeichnete Konto überwiesenen Beträge von insgesamt 143.981,45 DM, davon 22.553,50 DM im Jahr 1992 und 72.079,95 DM im Jahr 1993, deklarierten sie nicht.

Bei der Einkommensteuerveranlagung folgte das FA zunächst den Angaben des Klägers und seiner Ehefrau. In den Änderungsbescheiden vom 27. Juni 2002 für die Einkommensteuer 1992 bis 1997 erfasste das FA indes zusätzlich sowohl die in den einzelnen Streitjahren überwiesenen, aber nicht erklärten Beträge, als auch die lediglich gutgeschriebenen und wieder angelegten Erträge (insgesamt 372.149,95 DM) als Einnahmen aus Kapitalvermögen gem. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG.

Das FG gab der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2007, 506 veröffentlichten Urteil hinsichtlich der einbehaltenen und wieder angelegten Beträge in Höhe von 176.960 DM statt und wies die Klage im Übrigen ab. Der BFH hält die Revision des FA für begründet und hebt die Vorentscheidung für die Streitjahre 1994 bis 1997 auf.

Wird Kapital gegen Entgelt überlassen, so ist der Einkunftstatbestand des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG erfüllt. Anzusetzen sind alle Entgelte, die für eine Kapitalüberlassung im weitesten Sinne zugeflossen sind. Es handelt sich entweder originär um Zinsen i.S. von § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG oder zumindest um Entgelt i.S. des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG, d.h. eine Vermögensmehrung, die bei wirtschaftlicher Betrachtung Entgelt für die Kapitalnutzung ist. Für die Zuordnung der zugeflossenen Beträge zu den Einkünften aus Kapitalvermögen ist ohne Belang, ob die Beträge tatsächlich erwirtschaftet waren und ob die Anleger einen zivilrechtlich durchsetzbaren Anspruch besaßen.

Auch wenn Kapital zum Aufbau oder Erhalt eines "Schneeballsystems" verwendet wird und dem Anleger aus dem Kapital anderer getäuschter Anleger (oder gar aus dem eigenen Kapital des Anlegers) eine "Scheinrendite" gezahlt wird, liegen Einkünfte aus Kapitalvermögen vor. Der Senat hält daran fest, dass auch Gutschriften über wieder angelegte Renditen in Schneeballsystemen zu Einnahmen aus Kapitalvermögen i.S. von § 20 EStG führen, solange der Schuldner der Erträge leistungsbereit und leistungsfähig ist. Erst bei Verfügung über eine objektiv wertlose Forderung scheidet ein Zufluss definitiv aus. Dies ist mangels anderer Anhaltspunkte im Regelfall zu verneinen, solange ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners noch nicht gestellt wurde.

Quelle: Udo Cremer

Der Autor:

Udo Cremer ist geprüfter Bilanzbuchhalter (IHK) und hat die Steuerberaterprüfung mit Erfolg abgelegt. Er ist als Dozent für Steuer- und Wirtschaftsrecht tätig und veröffentlicht seit mehreren Jahren praxisorientierte Fachbücher zu den Themen Buchführung, Kostenrechnung, Preiskalkulation, Kennzahlen, Jahresabschluss und Steuerrecht. Daneben wirkt er als Autor an zahlreichen Fachzeitschriften und Loseblattsammlungen im Bereich der Buchhaltung und des Steuerrechts mit.
nach oben