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Unfall auf Geschäftsreise - aber nach privatem Essen: Wer haftet?

07.02.2013  — Online-Redaktion Verlag Dashöfer.  Quelle: LSG Niedersachsen-Bremen.

Ein fast 50 Jahre zurückliegender Unfall beschäftigte kürzlich das LSG Niedersachsen-Bremen. Anlässlich einer bevorstehenden Operation, die in Zusammenhang mit dem damaligen Unfall stand, wurde die versicherungsrechtliche Einstufung neu aufgerollt. Das Gericht beschloss: Geschieht ein Unfall auf Geschäftsreise, der sich nach einem privaten Essen ereignet und den vorgesehenen Ablauf der Dienstreise nicht verändert, sondern nur verzögert, so kann er als Arbeitsunfall gewertet werden.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Anerkennung des Unfallereignisses vom 7. Dezember 1965 als Arbeitsunfall.

Der am 30. April 1944 geborene Kläger befand sich im Dezember 1965 im Rahmen seiner Tätigkeit als Innenarchitekt auf einer mehrtägigen Dienstreise für seinen damaligen Arbeitgeber, einem Unternehmen für Büroausstattungen. Die Dienstreise war für den Zeitraum vom 6. Dezember 1965 bis zum 8. oder 9. Dezember 1965 geplant. Zu diesem Zweck bezog er ein Hotelzimmer in der Gaststätte "G. " in H. im Landkreis I. (Niedersachsen), ca 18 km von J. entfernt. Am 6. Dezember 1965 nahm der Kläger ganztägig, bis ca 20 Uhr, einen Geschäftstermin in der Stadtverwaltung J. wahr. Anschließend traf er sich mit seiner Freundin und späteren Ehefrau, die zum damaligen Zeitpunkt im K. -Krankenhaus J. arbeitete, in J. in einem Restaurant. Auf dem Rückweg ins Hotel wurde sein Pkw gegen 0:30 Uhr auf der L. Landstraße von einer Windbö erfasst und prallte gegen einen Alleebaum. Ausweislich des Durchgangsarztberichts vom 24. Januar 1965 erlitt der Kläger dabei eine Zertrümmerungsfraktur des kleinen Beckens und eine Hüftgelenksluxation links.

Mit Bescheid vom 7. Juli 1966 lehnte die damalige Maschinenbau- und Kleineisenindustrie-BG als Rechtsvorgängerin der Beklagten die Gewährung einer Entschädigung aus Anlass des Ereignisses vom 7. Dezember 1965 mit der Begründung ab, der Kläger habe den Heimweg aus eigenwirtschaftlichen Gründen um etwa sechseinhalb Stunden später angetreten. Infolge der langen Dauer der Unterbrechung des Heimwegs könne die Fahrt nach H. in der Nacht zum 7. Dezember 1965 nicht mehr als Heimweg von den Dienstgeschäften angesehen werden, sondern müsse als Rückweg von einer privaten Tätigkeit gewertet werden. Der Bescheid ist bestandskräftig geworden.

Im Mai 2010 wandten sich die Ärzte des Klägers anlässlich einer geplanten Total-Hüftendoprothese (Hüft-TEP) an die Rechtsvorgängerin mit der Bitte um Kostenerstattung. Mit seinen Schreiben vom 28. Juni 2010 und 21. Januar 2011 teilte der Kläger mit, dass die BG in ihrem Bescheid vom 7. Juli 1966 nicht vom korrekten Unfalldatum und von einer unzutreffenden Zeitspanne zwischen Beendigung der dienstlichen Tätigkeit und Antritt des Heimweges ausgegangen sei.

(…)

Gründe

Die statthafte und zulässige Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Feststellungsklage des Klägers hat in der Sache Erfolg. Der Kläger stand unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung, als er am 7. Dezember 1965 mit dem Pkw verunglückte. Der Bescheid der Beklagten vom 22. Februar 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Juli 2011 ist deshalb rechtswidrig. Der Kläger hat Anspruch auf Rücknahme des Bescheides vom 7. Juli 1966, mit dem die Rechtsvorgängerin der Beklagten die Anerkennung des Ereignisses vom 7. Dezember 1965 als Arbeitsunfall abgelehnt hat.

Nach § 44 Abs 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Bei dem Unfallereignis vom 7. Dezember 1965 handelt es sich um einen Arbeitsunfall.

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Vorliegend besteht zwischen der Unfallfahrt und der betrieblichen Tätigkeit des Klägers insofern eine Verbindung, als unmittelbarer Anlass für die Fahrt, die ihn nach H. geführt hat, eine geschäftliche Besprechung in der Stadtverwaltung J. als Bestandteil einer mehrtägigen Geschäftsreise war und dass sich der Unfall auf einem Streckenabschnitt der L. Landstraße ereignete, den er für den Rückweg zu seiner Unterkunft ohnehin hätte benutzen müssen, um von dort aus am nächsten Tag weitere Geschäftstermine wahrzunehmen. Entgegen der Einschätzung des SG ist vorliegend von einem rechtlich bedeutsamen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit auszugehen.

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Bei einer Dienst- oder Geschäftsreise geht der Versicherungsschutz durch eine eingeschobene private Verrichtung im Regelfall nicht endgültig verloren, sondern lebt nach deren Beendigung mit der Fortsetzung des angefangenen Weges wieder auf.

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LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 18.09.2012, Aktenzeichen: L 3 U 28/12 (in Auszügen)

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