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Verlustrücktrag aus einem verjährten Verlustentstehungsjahr in ein offenes Rücktragsjahr möglich

18.05.2010  — Udo Cremer.  Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.

Ihr Experte Udo Cremer erläutert für die FibuGate-Leser

Im Verlustentstehungsjahr nicht ausgeglichene Verluste sind in einen vorangegangenen, nicht festsetzungsverjährten Veranlagungszeitraum auch dann zurückzutragen, wenn für das Verlustentstehungsjahr selbst bereits Festsetzungsverjährung eingetreten ist

Der Kläger war im Streitjahr 1995 als Rechtsanwalt tätig und beriet über mehrere Jahre hinweg eine GmbH. Im Streitjahr kam es zum Zerwürfnis, in dessen Folge eine Gesamtlösung gesucht werden sollte, um gegenseitige Forderungen abzugelten. Zu diesem Zweck erhielt der Kläger von der GmbH im Streitjahr "vorbehaltlich des Zustandekommens der besprochenen Vereinbarung" einen Scheck über 230.000 DM, den er im Streitjahr einlöste. Die Vereinbarung kam indes nicht zustande, so dass die GmbH den Betrag im Oktober des Streitjahres zurückforderte. Der Kläger zahlte aber nicht, so dass die GmbH Klage erhob. Der Kläger wurde mit Urteil des Landgerichts L vom 1. Februar 1996 zur Zahlung von 230.000 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 18. Oktober 1995 an die GmbH verurteilt. Der Kläger erklärte im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung für das Streitjahr Einkünfte aus seiner Tätigkeit als Rechtsanwalt ohne Berücksichtigung der erhaltenen 230.000 DM. Das FA setzte die Einkommensteuer für das Streitjahr unter dem Vorbehalt der Nachprüfung antragsgemäß zunächst auf 0 DM fest. Im Zuge einer Außenprüfung wurde festgestellt, dass der Kläger, der seinen Gewinn im Streitjahr durch Einnahmenüberschussrechnung gem. § 4 Abs. 3 EStG ermittelte, die 230.000 DM als durchlaufenden Posten behandelt hatte. Diese Auffassung teilte das FA nicht, behandelte den Zugang der 230.000 DM als Gewinn erhöhende Einnahme und setzte die Einkommensteuer für das Streitjahr mit Änderungsbescheid vom 22. April 2004 auf 91.578 DM (46.823,09 EUR) fest.

Die Klage war im Wesentlichen erfolgreich. Zur Begründung führte das Finanzgericht (FG) in seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2009, 466 veröffentlichten Urteil aus, zwar seien die dem Konto im Streitjahr gutgeschriebenen, im eigenen Namen vereinnahmten 230.000 DM nach § 11 Abs. 1 EStG im Streitjahr zu erfassen und nicht lediglich durchlaufende Posten i.S. von § 4 Abs. 3 Satz 2 EStG. Jedoch sei der im Jahr 1996 zurückgezahlte Betrag von 230.000 DM im Wege des Verlustrücktrags nach § 10d Abs. 1 EStG in das Streitjahr zurückzutragen. Der Gesamtbetrag der Einkünfte für den Veranlagungszeitraum 1996 (Verlustentstehungsjahr) betrage nach dem bestandskräftigen und festsetzungsverjährten Einkommensteuerbescheid vom 8. Januar 1998 insgesamt 12.818 DM, so dass rechnerisch ein rücktragbarer Verlust von 217.182 DM verbleibe. Dem Verlustrücktrag stehe die Festsetzungsverjährung des Veranlagungszeitraums 1996 nicht entgegen.

Hiergegen richtet sich die Revision des FA, welches die Verletzung des § 10d Abs. 1 EStG rügt. Ein Verlustrücktrag komme nicht in Betracht, wenn für das Verlustentstehungsjahr Festsetzungsverjährung eingetreten sei. Hätte der Gesetzgeber einen Verlust auch in diesem Fall zurücktragen wollen, hätte er dies (wie für den umgekehrten Fall mit der Vorschrift des § 10d Abs. 1 Satz 3 EStG) ausdrücklich geregelt.

Der BFH entschied in seinem Urteil vom 27.1.2010, IX R 59/08, dass die Revision unbegründet ist. Zutreffend hat das FG negative Einkünfte von 217.182 DM, die bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte für das Jahr 1996 nicht ausgeglichen werden, vom Gesamtbetrag der Einkünfte des Streitjahres in Höhe von 231.202 DM abgezogen. Nach § 10d Abs. 1 Satz 1 EStG sind Verluste, die bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte nicht ausgeglichen werden, in bestimmten, hier nicht maßgeblichen Grenzen, soweit ein Abzug vom Gesamtbetrag der Einkünfte des zweiten dem Veranlagungszeitraum vorangegangenen Veranlagungszeitraums wie Sonderausgaben, hier wegen Festsetzungsverjährung (vgl. § 10d Abs. 1 Satz 3, 2. Halbsatz EStG) des Jahres 1994, nicht möglich ist, wie Sonderausgaben vom Gesamtbetrag der Einkünfte des ersten dem Veranlagungszeitraum vorangegangenen Veranlagungszeitraum abzuziehen. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

Im Veranlagungszeitraum 1996 können nach den Feststellungen des FG insgesamt 217.182 DM nicht ausgeglichen werden und sind deshalb, weil für das Jahr 1994 bereits Festsetzungsverjährung eingetreten war, in das Streitjahr zurückzutragen. Der Verlustrücktrag scheitert im Streitjahr nicht daran, dass für den Veranlagungszeitraum der Verlustentstehung 1996 bereits Festsetzungsverjährung eingetreten ist. Der Verlustrücktrag ist unabhängig von dem in der Steuerfestsetzung des Verlustentstehungsjahres ausgewiesenen Gesamtbetrag der Einkünfte nach § 10d Abs. 1 Satz 1 EStG in zutreffender Höhe durchzuführen. Denn über Grund und Höhe des rücktragbaren Verlusts wird nicht im Entstehungsjahr, sondern in dem Jahr entschieden, in dem sich der Verlustrücktrag steuerrechtlich auswirkt. Deshalb steht einem Verlustrücktrag die Bestandskraft der Steuerfestsetzung für das Verlustentstehungsjahr ebenso wenig entgegen wie die Festsetzungsverjährung dieses Jahres. Die Bestandskraft erfasst nur den festgesetzten Steuerbetrag, nicht indes die Besteuerungsgrundlagen. Dasselbe gilt für die Verjährung.


Quelle: Udo Cremer
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