Haben Sie oft mit internationalen Kunden oder Geschäftspartnern zu tun? Dann testen Sie Ihr Wissen in der interkulturellen Kommunikation - mit der nachfolgenden Übung aus unserer Fachbroschüre Andere besser verstehen.
Versuchen Sie einmal die nachfolgende Übung. Zu jeder Frage gibt es drei mögliche Antworten. Bitte wählen Sie eine aus und begründen Sie Ihre Wahl.
Übung
- Ihr männlicher Geschäftspartner aus dem Land X spricht während einer Besprechung ständig nur Ihren männlichen Kollegen an. Sie ignoriert er
durchgehend. Wie reagieren Sie?
- Ich bleibe freundlich und lasse meinen Geschäftspartner die Angelegenheit klären.
- Ich teile unmissverständlich mit, dass man mit mir nicht so umgehen kann. Ich möchte gleichberechtigt am Gespräch teilnehmen.
- Ich verlasse den Raum, weil man mich anscheinend sowieso nicht braucht.
- Sie haben mit einem neuen Kollegen aus X ein erstes Arbeitstreffen vereinbart. Er kommt 15 Minuten zu spät und setzt sich, ohne eine Miene
zu verziehen oder sich zu entschuldigen. Was ist wohl der Grund für sein Verhalten?
- In seinem Land ist das so üblich.
- Es gab wohl ein Missverständnis bei unserer Absprache.
- Er ist einfach unhöflich.
- Sie sprechen mit einer asiatischen Gesprächspartnerin Ihre zukünftige Zusammenarbeit ab. Auf Ihre Frage, ob sie mit allen Ihren Vorschlägen einverstanden ist, antwortet sie mit "ja". Trotzdem wirkt sie unzufrieden. Woran liegt das wohl?
- Sie hat wahrscheinlich nicht alles verstanden. Sie kann wohl nicht genug Deutsch und will das nicht zugeben.
- Sie ist nicht einverstanden, traut sich aber nicht, das zu sagen.
- Sie fühlt sich überfahren, weil sie vor vollendete Tatsachen gestellt wird. Jetzt zu protestieren, würde in ihren Augen einen Konflikt auslösen.
- Ein Kunde aus x macht Ihnen ständig Komplimente, die Sie unangenehm finden. Wie reagieren Sie?
- Ich sage: "Bitte lassen Sie Ihre Komplimente sein. Ich finde das unangenehm."
- Ich treffe mich nicht mehr mit ihm.
- Ich trage demonstrativ einen Ehering und spreche viel von meinem Mann.
- Sie arbeiten in einer Beratungsstelle. Frau x kommt immer zusammen mit ihrem Mann. Dieser spricht für sie, obwohl sie Deutsch kann. Wie reagieren Sie?
- Ich bitte sie, das nächste Mal allein zu kommen.
- Ich sehe im Gespräch nur die Frau an.
- Ich kläre alles mit dem Mann – sie hört ja mit.
- Ihr Kunde Herr x aus y bringt Ihnen ein persönliches Geschenk mit. Warum macht er das?
- Er interessiert sich für mich.
- Das ist eine normale Geste in seinem Land.
- Er erhofft sich Vorteile.
- Wie reagieren Sie auf das Geschenk?
- Ich sage ihm, dass das nicht geht.
- Ich bringe ihm das nächste Mal auch etwas mit.
- Ich frage ihn, warum er mir etwas schenkt.
- Herr x unterbricht Sie ständig. Warum?
- Er ist unhöflich.
- Er respektiert Frauen nicht als gleichberechtigte Gesprächspartnerinnen.
- Er ist ein anderes Gesprächstempo gewöhnt und unterbricht nicht absichtlich.
- Wie reagieren Sie?
- Ich beschwere mich bei ihm.
- Ich hebe die Stimme und spreche immer lauter.
- Ich sage gar nichts mehr – er wird mich schon zu Wort kommen lassen, wenn er alles gesagt hat.
- Herr x kommt Ihnen beim Sprechen zu nah. Was ist die angemessene Reaktion?
- Ich sage ihm, dass ich das aufdringlich finde und bitte ihn, mehr Abstand zu halten.
- Ich weiche immer weiter zurück.
- Ich versuche damit zurechtzukommen. Wahrscheinlich ist das in manchen Kulturen der normale Körperabstand – daran muss ich mich gewöhnen.
Welches Gefühl hatten Sie bei der Bearbeitung der Aufgaben? Ist Ihnen die Antwort immer leicht gefallen? Was halten Sie überhaupt von derartigen Fragestellungen? Kann es eine eindeutige Lösung geben? Nehmen Sie sich einige Minuten Zeit, um über diese Fragen nachzudenken, bevor Sie sich mit den Lösungsvorschlägen beschäftigen.
In den meisten Fällen ist es Ihnen sicherlich nicht schwer gefallen, eine Antwort auszuwählen. Bei anderen Fragen waren vielleicht mehrere Antworten möglich – oder Sie konnten keiner Alternative zustimmen. Sehen wir uns die Situationen noch einmal an.
Bei Aufgabe 1 gibt es nur eine Antwortmöglichkeit, wenn Sie Ihre eigenen Ziele nicht aufgeben wollen: Antwort b). Bei aller Sensibilität für unterschiedliche Befindlichkeiten kann es nicht darum gehen, die eigenen Wünsche aufzugeben. Damit haben wir jedoch noch nicht die Frage gelöst, wie diese Wünsche am besten mitzuteilen sind.
Aufgabe 2 erlaubt eigentlich alle drei Antworten. Im günstigsten Fall gab es einfach ein Missverständnis bei der Absprache – vielleicht liegt die Verspätung aber tatsächlich an einem unterschiedlichen Zeitverständnis. Hier wird die begrenzte Wirksamkeit der Arbeit mit "Critical Incidents" deutlich – eindeutige Antworten darauf, warum ein Mensch in einer bestimmten Situation so oder so handelt, sind schlichtweg unmöglich.
Ähnliches gilt für Aufgabe 3 – alle Antworten sind möglich. Dennoch kann es in solchen Fällen helfen zu wissen, dass nicht alle Menschen ihre abweichende Meinung so direkt äußern wie es im deutschsprachigen Raum üblich ist. Offenheit und Direktheit gilt hier als Ideal – das ist aber nicht überall so. In vielen asiatischen Ländern ist ein gelungenes Gespräch eines, in dem alle Beteiligten ihr Gesicht wahren konnten – Konfrontation gilt als unhöflich. Daher wird die Nichtübereinstimmung sehr viel vorsichtiger geäußert. Nach weiteren Wünschen zu fragen, kann hier hilfreich sein.
Wahrscheinlich haben Sie sich bei Aufgabe 4 entschieden, deutliches Missfallen zu äußern. Das würde ich auch empfehlen. Natürlich ist das eine Typfrage – manche Frauen wählen sicherlich den einfacheren Weg und schieben den (nicht notwendigerweise existenten) Ehemann vor.
Bei Aufgabe 5 ist die Lage schwieriger. Worin sehen Sie Ihre Aufgabe? Wollen Sie dem Ehepaar erläutern, was in Deutschland unter Gleichberechtigung verstanden wird – haben Sie einen pädagogischen Anspruch? Dann bitten Sie die Frau, allein zu kommen. Wenn es Ihnen darum geht, sie gut zu beraten, sprechen Sie im Beisein Ihres Mannes mit ihr.
Aufgabe 6 ist wieder ein Beispiel dafür, wie viel Fingerspitzengefühl nötig ist, um das Verhalten des Gegenübers richtig zu interpretieren. Auch Schenkrituale gehören zur Kommunikation. Wer in Deutschland zum Beispiel mit leeren Händen zu einer Geburtstagsfeier kommt, wird als Geizkragen angesehen. Es ist gut möglich, dass es ihrem Kunden völlig normal erscheint, Ihnen etwas zu schenken. In Südkorea beschenken beispielsweise Schüler/innen ihre Lehrer/
innen – damit wird Dankbarkeit gezeigt, ein Gegengeschenk wird nicht erwartet.
Bei Aufgabe 7 hängt Ihre Antwort von der Situation ab. Es kann sicherer sein, das Geschenk abzulehnen, wenn Sie das Gefühl haben, dass sich daran Erwartungen knüpfen. Die beste Reaktion ist es sicherlich, erst einmal nachzufragen.
Aufgabe 8 haben Sie wahrscheinlich analog zu den schon genannten Beispielen beantwortet: Das Gesprächstempo ist unterschiedlich. Das ist sehr wahrscheinlich der Fall. Hier wird aber ein weiteres Problem dieser Art der Fragestellung deutlich: Vielleicht ist Ihr Gesprächspartner auch wirklich einfach unfreundlich?
Die beste Antwort auf Aufgabe 9 hängt von Ihrer Einschätzung der Situation ab. Wenn Sie sich auf seine Art der Gesprächsführung einlassen können und wollen, kann Antwort b) die richtige sein. Wenn er tatsächlich nicht an Ihrer Meinung interessiert ist, wäre es vernünftig, ihn zu konfrontieren wie in Antwort a).
Auf gar keinen Fall, das soll Aufgabe 10 Ihnen klar machen, bedeutet interkulturelle Kompetenz ein Aushalten jeglichen Verhaltens, wie unangenehm es auch sein mag. Machen Sie Ihren Standpunkt deutlich und versuchen Sie, den des anderen zu verstehen – mehr nicht.
Eventuell finden Sie die Auflösung dieser Fragen sehr unbefriedigend. Sehr vage scheinen Ihnen die Lösungsvorschläge, soviel wussten Sie auch schon vorher. Der Ansatz dieser Broschüre ist es nicht, Ihnen "Kultur" abschließend zu erklären – das geht nämlich gar nicht. Die Art des Trainings, die ich Ihnen hier präsentiert habe, wird tatsächlich häufig angewendet. In vielen Trainingsbüchern wird dann eine richtige Antwort angeboten. Meiner Meinung nach
kann das jedoch zu essentialistischen Kulturmodellen führen, wenn zu sehr verallgemeinert wird. Nicht ohne Grund habe ich in den Beispielen meist vom "Land x" gesprochen – ich möchte keine stereotypen Vorstellungen zementieren.
Auszug aus der Fach-Broschüre
Andere besser verstehen