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Vermietung an Asylbewerber ist zulässige Wohnnutzung!

25.04.2016  — Online-Redaktion Verlag Dashöfer.  Quelle: id Verlags GmbH.

Urteil zum Wohnungseigentum: Beschluss vom 12.10.2015 1 T 17164/15.

BGB § 543; WEG § 13

  1. Die temporäre Vermietung einer 80 m² großen Eigentumswohnung an elf Asylbewerber haben die übrigen Wohnungseigentümern zu dulden.
  2. Ein einstweiliges Verfügungsverfahren scheitert an fehlende Dringlichkeit, sofern zwei Mieter der übrigen Wohnungseigentümer mit einer fristlosen Kündigung gedroht haben bzw. eine solche Kündigung ausgesprochen haben.
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LG München I, Beschluss vom 12.10.2015 - 1 T 17164/15
vorhergehend: AG Traunstein, 18.09.2015 - 319 C 1083/15

Tenor:

  1. Die sofortige Beschwerde der Antragsteller vom 24.09.2015 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Traunstein vom 18.09.2015, Az. 319 C 1083/15, wird zurückgewiesen.
  2. Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf Euro 10.000,00 festgesetzt.

Gründe

  1. Die sofortige Beschwerde der Antragsteller vom 24.09.2015, bei Gericht eingegangen am 24.09.2015, gegen den Beschluss des Amtsgerichts Traunstein vom 18.09.2015, Az. 319 C 1083/15, ist zulässig, jedoch in der Sache ohne Erfolg.

    Dabei kann im Ergebnis dahingestellt bleiben, ob den Antragstellern in der Sache ein Anspruch gegen die Antragsgegner auf Unterlassung der Unterbringung von mehr als 4 familiär nicht miteinander verbundenen bzw. insgesamt von nicht mehr als 6 Personen in ihrer Wohnung sowie der Nutzung der Wohnung der Antragsgegner zu anderen als Wohnzwecken zusteht, ein Verfügungsanspruch damit gegeben ist. Es fehlt nämlich jedenfalls an einem Verfügungsgrund.

    Die Antragsteller verlangen vorliegend den Erlass einer einstweiligen Verfügung dahingehend, dass dem Antragsgegner zu 1) bei Androhung von Ordnungsgeld, ersatzweise Ordnungshaft oder von Ordnungshaft für jeden Fall der Zuwiderhandlung verboten wird, die Wohnung Nr. 3 der Antragsgegner mit mehr als 4 familiär nicht miteinander verbundenen oder insgesamt mit mehr als 6 Personen sowie zu anderen als zu Wohnzwecken nutzen zu lassen. Weiterhin begehren sie, die Antragsgegner im Wege der einstweiligen Verfügung zu verpflichten, gegenüber dem Landratsamt Traunstein zu erklären, dass die Wohnung mit der laufenden Nummer 3 nur zu Wohnzwecken genutzt und mit maximal 4 familiär nicht miteinander verbundenen oder insgesamt mit nicht mehr als 6 Personen belegt werden darf. Die einstweilige Verfügung in der von Antragstellerseite begehrten Form würde damit im Ergebnis auf eine Vorwegnahme der Hauptsache hinauslaufen, es würde sich daher um eine sog. Regelungsverfügung in Form einer Leistungsverfügung i. S. des § 940 ZPO handeln. Denn wie die Antragsteller selbst vortragen, wurde die streitgegenständliche Wohnung durch die Antragsgegner an das Landratsamt Traunstein zur Belegung mit Asylbewerbern vermietet, ohne dass eine Beschränkung der Personenzahl vereinbart wurde. Damit hat das Landratsamt Traunstein aber gegenüber den Antragsgegner einen Anspruch aus dem geschlossenen Mietvertrag auf die entsprechende Nutzung erworben. Eine nachträgliche Abänderung eines Mietvertrages kann der Vermieter aber in der Regel nicht verlangen, dementsprechend auch nicht, dass der Mieter seine Nutzung der Mietsache gegenüber der vertraglich vereinbarten Nutzung einschränkt. Dass dies vorliegend anders wäre, haben die Antragsteller nicht dargelegt und ist auch sonst nicht ersichtlich. Zwar bindet eine eingetragene Vereinbarung wie eine Zweckbestimmung auch denjenigen, der anstelle des Wohnungseigentümers den Gebrauch ausübt, beispielsweise einen Mieter oder Pächter, so dass in solchen Fällen jeder Wohnungseigentümer vom zweckwidrig gebrauchenden Nutzer Unterlassung verlangen kann (vgl. Bärmann, 12. Aufl., Rn. 191 zu § 1 WEG und Rn. 68 zu § 13 WEG). Das kann indes nicht für denjenigen Eigentümer gelten, der den an sich unzulässigen Gebrauch im Rahmen des abgeschlossenen Miet- oder Pachtvertrags ausdrücklich gestattet hat. Im Ergebnis könnten die Antragsgegner einem im Rahmen einer einstweiligen Verfügung ausgesprochenen Verbot der Nutzung ihrer Wohnung Nr. 3 zur Unterbringung von mehr als 4 familiär nicht miteinander verbundenen oder insgesamt mehr als 6 Personen sowie zu anderen als zu Wohnzwecken nur nachkommen, indem sie den mit dem Landratsamt Traunstein geschlossenen Mietvertrag kündigen oder sonst das Landratsamt Traunstein dazu bringen, einer Aufhebung bzw. Abänderung des Mietvertrages zuzustimmen, wozu dieses aber grundsätzlich nicht verpflichtet wäre. Dient die Unterlassungsverfügung, wie hier, letztlich der Durchsetzung eines auf Unterlassung gerichteten Individualanspruchs, müssen die besonderen Voraussetzungen für Leistungsverfügungen erfüllt sein (Zöller, 30. Aufl., Rn. 1 zu § 940 ZPO).

    Da bei einer sog. Leistungsverfügung die Hauptsache im Ergebnis vorweggenommen wird, sind an das Vorliegen eines Verfügungsgrundes besondere Anforderungen zu stellen. Die schutzwürdigen Interessen beider Seiten sind hierbei im Rahmen des gerichtlichen Beurteilungsspielraumes gegeneinander abzuwägen (Zöller, 30. Aufl., Rn. 4 zu § 940 ZPO). Es muss ein dringendes Bedürfnis für die Eilmaßnahme bestehen, d. h. der Gläubiger muss auf die sofortige Erfüllung dringend angewiesen sein. Dies ist beispielsweise beim Vorliegen einer Not-/Zwangslage oder einer Existenzgefährdung der Fall (Zöller, 30. Aufl., Rn. 6 zu § 940 ZPO). Das Bestehen einer solchen besonderen Dringlichkeit wurde hier nicht ausreichend dargelegt und glaubhaft gemacht. Die Tatsache, dass zwei Mieter der Antragsteller mit einer fristlosen Kündigung ihres Wohnungsmietvertrags gedroht haben bzw. eine solche Kündigung ausgesprochen haben, wie von Antragstellerseite glaubhaft gemacht wurde, reicht insoweit nicht aus. Insoweit ist bereits fraglich, ob die vorgetragenen Beeinträchtigungen überhaupt die Mieter gemäß § 543 BGB zu einer außerordentlichen Kündigung des Mietvertrages berechtigen würden. Unabhängig davon, wäre aber ein etwaiger Schaden aufgrund der ausgesprochenen Kündigungen ohnehin schon eingetreten. Andererseits ist bei der Abwägung zu berücksichtigen, dass auch den Antragsgegnern bei Erlass der einstweiligen Verfügung ein nicht unerheblicher Schaden droht, weil sie, sofern sie sich überhaupt von dem geschlossenen Mietvertrag vor Ablauf der Vertragslaufzeit wieder lösen könnten, sich gegenüber ihrem Mieter, dem Landratsamt Traunstein voraussichtlich schadensersatzpflichtig machen würden. Unter Abwägung dieser Umstände ist vorliegend jedenfalls keine solche Dringlichkeit gegeben, dass dies eine Vorwegnahme der Hauptsache im Wege einer einstweiligen Verfügung rechtfertigen könnte.

    1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 971 ZPO.
    2. Der Streitwert wurde gemäß § 49 a GKG entsprechend den Angaben in der Antragsschrift und der nicht angegriffenen Streitwertfestsetzung für die 1. Instanz auf Euro 10.000,00 festgesetzt.
    3. Über die Zulassung der Rechtsbeschwerde brauchte nicht entschieden zu werden, weil diese schon wegen §§ 574 I 2, 542 II ZPO nicht statthaft ist (vgl. Zöller, 30. Aufl., Rn. 14 zu § 922 ZPO).
    4. Gemäß § 568 ZPO erging die Entscheidung durch den Einzelrichter.


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