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1 Jahr neue Verbraucherrechte

13.07.2015  — Rolf Becker.  Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.

Am 13.06.2014 war der Stichtag für die neuen nationalen Regelungen zur Umsetzung der Verbraucherrechte-Richtlinie (2011/83/EU VRRL). Welche Erfahrungen konnten bislang gesammelt werden? Rechtsanwalt Rolf Becker, Partner bei WIENKE & BECKER – KÖLN sagt Ihnen, welche Entwicklungen Sie kennen sollten.

In vielen Bereichen im Fernabsatz hat sich der Handel erst einmal mit dem neuen Recht arrangiert. Eine Reihe wichtiger Praxisfragen sind aber noch unklar:

Rücksendekosten verbraucherfreundlich

Die vielfach diskutierten Änderungen bei den Rücksendekosten bei Widerruf haben sich in der Praxis vielfach zugunsten des Verbrauchers eingepegelt. Regelt der Händler nichts, trägt er die Rücksendekosten beim Widerruf. Es sind nach einer Untersuchung des Preisvergleichsportals Idealo mit einer Auswahl von 50 der 100 klickstärksten auf dem Portal vertretenen Onlineshops 88% der Händler, die Rücksendekosten im Widerrufsfall übernehmen. Ansonsten ist man in Europa geiziger. In Spanien lassen z.B. 86% der Händler die Kosten vom Verbraucher tragen. Vielleicht liegt die Großzügigkeit der Händler aber auch an der unklaren Rechtslage. Werden Rücksendekosten auferlegt, fängt die Unsicherheit an. Sind Nachnahmekosten nun besondere Kosten der Lieferung, die der Kunde tragen muss oder solche der Zahlungsart? Einiges spricht für Lieferkosten. Auch ein Teilwiderruf des Verbrauchers, der nicht alles Gekaufte behalten möchte, kann im Hinblick auf die Rück­sende­kosten Ärger machen. Hier erstattet in der Schweiz und „ausgewählten“ EU-Ländern, z.B. Österreich, Paypal bis 25 Euro die Rücksendekosten für den Zahlenden. Deutschland geht leer aus.

Lesehilfe der Kommission

Schnell wurde klar, dass man den betroffenen Händlern Hilfestellung bei der Interpretation der neuen Regelungen bieten musste. Im Juni 2014 gab es auf 79 Seiten das rechtlich unverbindliche („not legally binding“) DG Justice Guidance Document, June 2014 der EU-Kommission. Das brachte aber nur wenig Aufklärung.

Abmahnungen kamen schnell

Für die letztverbindliche Auslegung des EU-Rechts ist der Europäische Gerichtshof (EuGH) zuständig. Und es dauert gelegentlich Jahre, bis er im Rechtszug Stellung nimmt. Erste Abmahnungen ließen auch nicht lange auf sich warten und die Erkenntnis zur letzten Auslegungszuständigkeit des EuGH führte bereits dazu, dass eine beliebte Auflösungsklausel in Unterlassungsverträgen, die bei Änderungen der höchstrichterlichen Recht­sprechung greifen soll, als unklar angesehen wurde. Soll es der BGH oder der EuGH sein, dessen klärendes Urteil die untersagte Handlung erlauben kann?

Erste Musterverfahren

Bis heute treffen die Abmahnungen die Händler, welche die Rechtsumstellung verschlafen haben. Meist werden Amazon oder Ebay-Angebote bei der Ausstattung der AGB und der Versorgung mit der neuen Widerrufs­belehrung vergessen. Aktuell finden sich immer mehr Abmahnungen, die Händler wegen ihrer Interpretation der Regelungen erhalten. Naturgemäß gibt es ein Jahr nach Start des neuen Rechts noch kaum Rechtsprechung, jedenfalls noch nicht in den höheren Instanzen. Ein Beispiel ist das vom Autor dieser Zeilen geführte Musterverfahren zur Anwendung von Regelungen zur Erleichterung von Informationspflichten bei begrenztem Platz in der Werbung. Muss man tatsächlich neben mehr als 20 weiteren Informationen auch die komplette Widerrufsbelehrung und das Muster für die Widerrufserklärung abdrucken, auch wenn nur ein DIN A4 Einleger als Werbebeilage konzipiert ist? Was ist bei halbseitigen Anzeigen in Zeitschriften? Gehört dort die vollständige Widerrufsbelehrung abgedruckt? Vor kurzem fand die mündliche Verhandlung vor dem LG Wupper­tal in erster Instanz statt. Die Kammer für Handelssachen will die Erleichterung mit verkürzten Angaben nur für SMS und Werbung auf kleinen Bildschirmen von Mobilgeräten gelten lassen, nicht aber für die im Versandhandel noch häufig eingesetzte Printwerbung. In der sollen also alle Angaben stehen, egal wieviel Platz dort vorhanden ist? Vielen weiteren Fragen im Musterverfahren, u.a. ob die deutsche Regelung die VRRL in zulässiger Weise umsetzt, geht man damit für diese Instanz aus dem Weg.

Widerrufsfrist verbraucherfreundlich verlängern

Darf man die Widerrufsfrist in der Widerrufsbelehrung einfach verlängern oder belehrt man falsch, wenn dort statt 14 Tagen 30 Tage als Frist angegeben werden? Das OLG Frankfurt (Beschluss vom 7. Mai 2015 - 6 W 42/15) hat eine Verlängerung der Widerrufsfrist in der Belehrung jetzt zugelassen.

Retouren nur auf bestimmtem Rückgabeweg?

Das OLG Düsseldorf (Urteil vom 13.11.2014, Az.: I-15 U 46/14) hielt die Regelungen eines Händlers für zulässig, der an Verbraucher die Bitte in AGB geäußert hatte, online erworbene Artikel nur über einen bestimmten Weg zurückzugeben. Er durfte sogar, weil er einen in den Augen der Richter verbraucher­freundlichen Abholservice bot, Vorgaben zur Verpackung machen und eine Rücksendung über DHL ausschließen. Ob diese liberale Sicht auch einer höchstrichterlichen Prüfung standhält ist fraglich.

Zumutbare Zahlungsmittel

Die „Sofortüberweisung“ als einziges kostenloses Zahlungsmittel bei Verträgen im Internet anzubieten, ist für Verbraucher unzumutbar, urteilte aktuell das LG Frankfurt auf Klage des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv). Gemäß § 312a Abs. 4 Nr. 1 BGB ist eine Vereinbarung, durch die ein Verbraucher verpflichtet wird, ein Entgelt dafür zu zahlen, dass er für die Erfüllung seiner vertraglichen Pflichten ein bestimmtes Zahlungsmittel nutzt, unwirksam, wenn für den Verbraucher keine gängige und zumutbare unentgeltliche Zahlungsmöglichkeit besteht. Man kann also Sofortüberweisung weiter einsetzen, nur eben nicht als einziges Zahlungsmittel, das kostenlos ist. Als Beispiel zumutbarer Zahlungsmöglichkeiten nannte das Gericht die Barzahlung, Zahlung mit EC-Karte, Überweisung, Einziehung und weithin übliche Kreditkarten. „MasterCard GOLD” und “Visa Electron” sind nach Ansicht des OLG Dresden (Urteil vom 03.02.2015, Az. 14 U 1489/14) keine zumutbaren kostenfreien Zahlungsmittel, da von Vorleistungen (Aufladen) abhängig und nicht gängig. Ob die deutsche Regelung nicht zu weit geht und damit EU-rechtswidrig ist, blieb allerdings offen.

Kostenpflichtige Rufnummer für Vertragskunden

Ob überhaupt eine kostenpflichtige Rufnummer für Fragen von Kunden zu ihrem Vertrag angeboten werden darf, ist ebenfalls Gegenstand von Abmahnungen. Nach § 312 a Abs. 5 BGB ist eine Vereinbarung, durch die ein Verbraucher verpflichtet wird, dem Unternehmen wegen Fragen oder Erklärungen zu einem zwischen ihnen geschlossenen Vertrag ein Entgelt zu zahlen, das die bloße Nutzung des Telekommunikationsdienstes übersteigt, unzulässig. Nach Art. 21 VRRL darf der Verbraucher nicht verpflichtet werden, für die telefonische Kontaktaufnahme mehr als den „Grundtarif“ zu zahlen. Was denn ein „Grundtarif“ sein soll, ist unklar. Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass jedenfalls eine kostenpflichtige Mehrwertdienste-Rufnummer im Impressum einer Webseite, bei der Kosten von bis 2,99 EUR pro Minute anfallen, rechtswidrig ist (OLG Frankfurt, Urteil v. 02.10.2014 – 6 U 219/13, nicht rechtskräftig). Der Senat geht davon aus, dass solche Kosten geeignet sind, den Verbraucher von der Kontaktaufnahme abzuschrecken.

Ob Mehrwertdienstnummern mit geringeren Kosten zulässig wären, blieb offen. Hierzu wird ein Muster­verfahren vor dem LG Stuttgart (LG Stuttgart, Az. 1 O 21/15) von der Wettbewerbszentrale gegen ein Mobilfunkunternehmen geführt. Es geht um eine 01805er-Nummer mit Kosten von 14 Cent/Minute aus dem Festnetz bzw. max. 42 Cent/Minute aus dem Mobilfunknetz im Impressum. Eine direkte Vorlagefrage zur Anwendung der Richtlinienregelungen an den EuGH ist beschlossen.

Wesentliche Merkmale der Ware

Abmahner stürzen sich gerne auf die Pflicht zur Angabe der wesentlichen Merkmale der Ware auch im Warenkorb-Kaufprozess (nicht nur im Angebot). Man muss sie alle aufführen. Das OLG Hamburg ließ einen Linkverweis auf die Artikelbeschreibung nicht ausreichen (Beschluss vom 13.08.2014, 5 W 14/14) und auch das OLG Hamm machte diese Sicht im Rahmen eines von uns vertretenen Verfahrens (I-4 U 130/14) deutlich.

Praxistipp

Auch wenn Sie Ihre Angebote und AGB schon zur Umstellung an die neuen Regelungen angepasst haben, sollten Sie diese regelmäßig prüfen lassen. Jetzt kommt die Zeit, wo viele unklare Rechtsfragen zur Anwendung entschieden werden. Oft ist es ratsam abzuwarten, wie die Musterverfahren ausgehen und die eigenen AGB erst einmal so abzustimmen, dass Abmahner hier keine Chance haben. Katalog-AGB sollten gerade in diesen Zeiten immer vor einer Veröffentlichung bei Neudruck wieder einer Prüfung und Anpassung unterzogen werden. Zu teuer ist der Ausfall der Anstoßkette.


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