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Aktuelle Rechtsprechung - 2. Halbjahr 2015 (Teil 2)

21.04.2016  — Melanie Eilers, Wirtschaftskanzlei Graf von Westphalen.  Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.

Die Rechtsprechung hatte sich auch im zweiten Halbjahr 2015 wieder mit vielfältigen Fragen des Baurechts zu befassen.

Lesen Sie hier noch einmal den ersten Teil des Artikels »

  1. Ein Schadensersatzanspruch wegen Bauzeitverlängerung setzt eine bauablaufbezogene Darstellung voraus.
  2. Das OLG Frankfurt bestätigt die mittlerweile gefestigte obergerichtliche Rechtsprechung, nach der ein Schadensersatzanspruch wegen eines gestörten Bauablaufs nach § 6 Abs. 6 VOB/B eine konkrete, bauablaufbezogene Darstellung der jeweiligen Behinderung voraus-setzt. (vgl. beispielsweise BGH, Urteil vom 24.02.2005 - VII ZR 141/03; OLG Hamm, Urteil vom 19.06.2012 - 21 U 85/11).

    Bei ihrer Forderung berücksichtigt die Rechtsprechung nicht, dass die von ihr verlangten Anforderungen bezüglich der bauablaufbezogenen Darstellung in der Praxis kaum zu erfüllen sind. Die bauablaufbezogene Darstellung muss zunächst die konkrete Behinderung und deren Auswirkung auf den Bauablauf darstellen (Vergleich des hypothetischen mit dem tatsächlichen Bauablauf). Desweiteren muss dargelegt werden, dass die Behinderung (ausschließlich) durch den Auftraggeber verschuldet wurde. Gelingt das, muss zuletzt nachgewiesen werden, dass wegen der Behinderung ein konkreter Schaden entstanden ist.

    Wegen dieser hohen - oder besser gesagt überzogenen - Anforderungen an eine bauablaufbezogene Darstellung haben Bauzeitansprüche, die auf § 6 Abs. 6 VOB/B gestützt werden vor Gericht so gut wie nie Aussicht auf Erfolg. Der Auftragnehmer sollte seine Ansprüche des-halb soweit möglich auf § 2 Abs. 5 VOB/B (Mehrvergütungsanspruch) oder § 642 BGB (Entschädigungsanspruch) stützen.

    Für den Mehrvergütungsanspruch nach § 2 Abs. 5 VOB/B fordert die Rechtsprechung - zumindest bisher - keine bauablaufbezogene Darstellung.

    Anders ist es bei dem Entschädigungsanspruch nach § 642 BGB. Obwohl der BGH zu diesem Punkt bisher keine Entscheidung getroffen hat, verlangen die Oberlandesgerichte - ebenso wie das OLG Frank-furt hier - auch im Rahmen des Entschädigungsanspruches nach § 642 BGB die Vorlage einer bauablaufbezogenen Darstellung (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 08.04.2015 - 17 U 35/14; KG, Urteil vom 19.04.2011 - 21 U 55/07).

    Das ist nicht nachvollziehbar, weil es sich bei § 642 BGB nicht um einen Schadensersatzanspruch, sondern um einen Entschädigungsanspruch handelt, bei dem gerade kein konkreter Schaden nachgewiesen werden muss. Solange der BGH keine Entscheidung zu diesem Punkt getroffen hat, muss allerdings von der (mittlerweile gefestig-ten) Rechtsprechung der Oberlandesgerichte ausgegangen werden.

    In der Praxis muss den Auftraggebern deshalb geraten werden, Bauablaufstörungen umfassend zu dokumentieren und diese im Rahmen von Behinderungsanzeigen gegenüber dem Auftraggeber anzuzeigen. Sollte sich abzeichnen, dass ein Bauzeitenthema entsteht, kann es - je nach Größe des Bauvorhabens und Dauer der Bauzeitverlängerung - sinnvoll sein, dass der Auftragnehmer sich baubegleitend von einem auf das Thema Bauzeit spezialisierten Ingenieurbüro unterstützen lässt.

    OLG Frankfurt, Urteil vom 23.07.2015 - 6 U 122/12

  3. Fehlende Unterlagen berechtigen nur dann zur Verweigerung der Abnahme, wenn sie für die Funktionstauglichkeit zwingend erforderlich sind.
  4. Das OLG Köln beantwortet in seinem Urteil noch einmal die in der Praxis immer wieder aufkommende Frage, welche Unterlagen bei der Abnahme vorliegen müssen.

    In dem zugrundliegenden Sachverhalt lagen bei der Abnahme der Heizungs-, Lüftungs- und Sanitärarbeiten die Protokolle der Druck- und Dichtigkeitsprüfung der Leitungen nicht vor. Der Auftraggeber verweigerte deshalb die Abnahme und die Zahlung des Werklohns. Zu Unrecht!

    Das OLG Köln bestätigt die obergerichtliche Rechtsprechung, nach der fehlende Unterlagen den Auftraggeber nur dann zur Verweigerung der Abnahme berechtigen, wenn sie für die Funktionstauglichkeit des Werkes zwingend erforderlich oder gesetzlich vorgeschrieben sind. Nur in diesem Fall ist die Leistung des Auftragnehmers noch nicht im Wesentlichen erbracht, so dass der Auftraggeber das Recht hat, die Abnahme zu verweigern. Solche wesentlichen Unterlagen können beispielsweise Schaltpläne und Bedienungsanleitungen sein, wenn das Werk ohne diese nicht betrieben werden kann.

    Fehlen Unterlagen, die nichtzwingend erforderlich sind, zu deren Vorlage der Auftragnehmer aber verpflichtet ist, steht dem Auftraggeber aber ein Leistungsverweigerungsrecht in Höhe der doppelten Herstellungskosten dieser Unterlagen zu (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 24.02.2015 - 6 U 135/14). Je nach Umfang der fehlenden Unterlagen und der entsprechenden Herstellungskosten kann der Auftraggeber berechtigt sein, den Restwerklohn ganz oder teilweise einzubehalten. Der Auftraggeber hat mithin ein Druckmittel, um die Übergabe der fehlenden Unterlagen zu erreichen.

    In der Praxis sollte darauf geachtet werden, dass die fehlenden Unterlagen im Abnahmeprotokoll genannt werden und dass ein entsprechender Vorbehalt erklärt wird.

    OLG Köln, Urteil vom 07.08.2015 - 19 U 104/14

  5. Bedenken wegen Planungsfehler müssen direkt an den Auftraggeber gerichtet werden.
  6. Hat der Auftragnehmer Bedenken gegen die vorgesehene Art der Ausführung, hat er dem Auftraggeber diese unverzüglich schriftlich mitzuteilen (sog. Bedenkenanzeige). Diese Verpflichtung ergibt sich beim VOB/B-Vertrag aus § 4 Abs. 3 VOB/B und besteht beim BGB-Vertrag als vertragliche Nebenpflicht.

    Adressat der Bedenkenanzeige ist grundsätzlich der Auftraggeber. Der Architekt kommt nur ausnahmsweise als Empfänger in Betracht, wenn ihm vom Auftraggeber eine entsprechende Vollmacht erteilt wurde. Bedenkenanzeigen, die sich auf eine fehlerhafte Planung beziehen, sind aber immer an den Auftraggeber direkt zu richten. Das entspricht der ständigen Rechtsprechung und wird vom OLG Schleswig noch einmal bestätigt.

    Gleiches gilt für Anordnungen bzw. Entscheidungen über eine bestimmte Ausführungsart. Auch diese Anordnungen darf grundsätzlich nur der Auftraggeber erteilen. Bestehen Unsicherheiten, ob der anordnende Architekt entsprechend bevollmächtigt ist, sollten die Auftragnehmer sich die Anordnungen vor der Ausführung schriftlich vom Auftraggeber bestätigen lassen.

    In der Praxis sollten Auftragnehmer ihre Bedenkenanzeigen deshalb immer an den Auftraggeber richten - und zwar auch dann, wenn diese sich nicht auf Planungsfehler beziehen. Besteht eine Vollmacht des Architekten zur Entgegennahme von Bedenkenanzeigen sollten diese in Kopie zur Kenntnis an den Auftraggeber übersandt werden. Damit sollte spätestens dann begonnen werden, wenn der Auftragnehmer das Gefühl hat, seine Bedenkenanzeigen werden von den Architekten nicht ernst genommen oder nicht an den Auftraggeber weitergegeben.

    Es ist wichtig, dass Auftragnehmer sich diesbezüglich absichern, weil sie sich nur bei einer ordnungsgemäßen Bedenkenanzeige auf den Haftungsausschluss des § 13 Abs. 3 VOB/B berufen können.

    OLG Schleswig, Urteil vom 11.04.2014 - 1 U 10/13

    Lesen Sie hier den dritten und letzten Teil des Artikels »

     

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