Online-Weiterbildung
Präsenz-Weiterbildung
Produkte
Themen
Dashöfer

Bauingenieure im Ausland - von Entwicklungshelfern und Globetrottern (1/2)

14.08.2013  — Fabian Hesse.  Quelle: Bauingenieur24.

Für deutsche Bauingenieure gibt es viele Möglichkeiten im Ausland zu arbeiten. Doch worin besteht der Reiz? Ob als Mitarbeiter bei einem großen internationalen Infrastrukturprojekt oder als Freiwilliger für eine Hilfsorganisation - die Herausforderung, im Ausland zu arbeiten, lässt sich für den Einzelnen sehr individuell gestalten. In der Baudienst-Serie sprechen Bauingenieure über ihre Erfahrungen und Motivation.

Verantwortung übernehmen

Afrika, China, Osteuropa - deutsche Bauingenieure finden sich mit ihren Projekten überall auf der Welt wieder. Neben ungewöhnlichen Baustoffen und Bauweisen, ist es vor allem der Umgang mit fremden Menschen und Kulturen, der die Arbeit im Ausland interessant macht. Wer sich in einem fremden Land beruflich inmitten der einheimischen Bevölkerung bewegt, trifft dabei auch immer auf kulturelle Eigenarten.

Einen besonders großen Kontrast zum mitteleuropäischen Leben bringt ein Aufenthalt auf dem afrikanischen Kontinent mit sich. Martin Friedrich hat diese Erfahrung von 1998 bis 2007 in Nigeria für Julius Berger International als Bauleiter im Hochbau machen können. Das Unternehmen realisiert seit 1965 in Westafrika vor allem Infrastrukturprojekte.

Als Mitarbeiter des größten Bauunternehmens im Land war Friedrich während der neun Jahre mit den verschiedensten Aufgaben betraut: "Neben öffentlichen Auftraggebern sind wir auch für Privatkunden tätig." Über die Arbeitsbedingungen kann Friedrich nur Gutes berichten: "In Lagos, der nigerianischen Finanz- und Wirtschaftsmetropole, gibt es firmeneigene Camps nach europäischen Standards mit Krankenhaus und Supermarkt sowie diversen Sportangeboten."

Bei aller Vielfalt der Freizeitangebote bleibt die Arbeit natürlich Hauptbestandteil des Aufenthalts. "Sechs Tage die Woche ist man im Schnitt zehn Stunden täglich aktiv." Sein Arbeitgeber garantiere stets ein hohes Maß an Sicherheit, sagt Friedrich, dessen Fazit nach diesen neun Jahren allgemein deutlich positiv ausfällt: "Grundsätzlich kann ich es jedem nur empfehlen. Man arbeitet im Ausland freier und hat mehr Verantwortung, was enorm motiviert."

Improvisieren groß geschrieben

Nach einheitlichen Standards und auf der Basis professioneller Organisation operieren neben Privatfirmen auch international aktive Hilfsorganisationen. Allein der Hintergrund und die Alltagswirklichkeit sind oft grundverschieden im Vergleich zur Beschäftigung in einem privaten Unternehmen. Als ausgebildeter Bauingenieur oder Techniker ist man mit einer Nichtregierungsorganisation (NGOs) in den humanitären Notstandsgebieten der Erde weniger komfortabel unterwegs.

Die Auswahl der Baumaterialien ist in Krisengebieten eingeschränkt: Unter solchen Umständen ein Haus zu bauen, gehört für Ingenieure, die mit den Ärzten ohne Grenzen unterwegs sind, zum Alltag.
Die Auswahl der Baumaterialien ist in Krisengebieten eingeschränkt: Unter solchen Umständen ein Haus zu bauen, gehört für Ingenieure, die mit den Ärzten ohne Grenzen unterwegs sind, zum Alltag. Foto: Joachim Tisch / Ärzte ohne Grenzen

"In unseren Projekten wird Improvisation ganz groß geschrieben", erklärt Roland Zech von der Personalabteilung der Ärzte ohne Grenzen. "Ob Materialbeschaffung, Bauleitung oder Personalmanagement, für einen Ingenieur und technischen Logistiker bei uns gilt in all diesen Bereichen eine Ressourcenknappheit." Selten habe man das Glück, auf ein großes Baustofflager zugreifen zu können. Ein Gebäude aus Holz und Ziegelsteinen zu errichten sei bei der ehrenamtlichen Arbeit für die Ärzte ohne Grenzen, die oft als erste Hilfe in ein Krisengebiet kommen, wahrscheinlicher, als solide Betonbauten zu konstruieren.

Wie auch private Bauunternehmen setzen humanitäre Organisationen im Ausland verstärkt auf die Selbstständigkeit ihrer Mitarbeiter. Tobias Homann aus Berlin hat diese Erfahrung erst vor kurzem machen dürfen. Als Logistiker mit technischem Schwerpunkt war er bis März dieses Jahres für die Ärzte ohne Grenzen im Südsudan im Einsatz. Zur Vorbereitung des Projekts musste ein Acht-Tage-Camp reichen. Hinzu kam ein Online-Tutorial sowie mehrere persönliche und telefonische Unterweisungen. "Vor Ort gibt es auch immer einen Ansprechpartner der Ärzte ohne Grenzen. Oft müssen Entscheidungen aber allein getroffen werden. Die Devise lautet just do it."

Zweckmäßig bauen

Vier Monate lang baute der ausgebildete "Master of Industrial Engineering" unter anderem Krankenhäuser für ein Flüchtlingslager mit 38.000 Bewohnern. "Wir haben zunächst mit Zelten und Plastikwänden gearbeitet", berichtet er. Die Baustoffe wurden später nicht viel solider: "Wir hatten hauptsächlich Holz und Wellblech zur Verfügung." Das Gebäude sei später in einer "permanent structure" an anderer Stelle neu errichtet worden, wobei schließlich auch Ziegelsteine Verwendung fanden. "Bei uns richtet sich alles nach der Funktionalität eines Bauwerks", erläutert Roland Zech die allgemeine Praxis bei den Hilfsprojekten in rund 60 Ländern. "Design spielt eine untergeordnete Rolle. Wichtig ist, dass ein Krankenhaus gut durchlüftet und hell ist, damit es seinen Zweck erfüllt."

Die Arbeit mit ungewöhnlichem oder mangelhaftem Material ist das Eine. Der Umgang mit dem einheimischen Personal das Andere. Zech berichtet, dass man als Bauleiter oft Tagelöhner oder einfache Handwerker unter sich habe, deren Anweisung Fingerspitzengefühl verlange. "Das Arbeitstempo ist nicht immer das höchste. Die Arbeiter wollen auch am nächsten Tag noch etwas zu tun haben, da gehen die Dinge manchmal recht langsam von der Hand." Eine gute Menschenkenntnis sei nötig, um zum Erfolg zu kommen, gerade für Ingenieure, die zugleich auch als Bauherren fungieren. Wichtig für die Arbeit sind nicht zuletzt fundierte Sprachkenntnisse. "Mit Französisch hat man in Afrika gute Chancen", so Zech. "Die Sprache wird auf dem halben Kontinent gesprochen."

Tobias Homann beschreibt seinen Auslandseinsatz als eine Kombination aus Abenteuer und Etwas-Gutes-tun. "Die Erfahrung hat mich stark geprägt", meint der 34-jährige. "Es gab jeden Tag neue Überraschungen." Die Führung von 70 teils ungelernten lokalen Angestellten sei eine der größten Herausforderungen gewesen. "Es kam vor, dass sich jemand während der Arbeitszeit hinter einem Zelt die Haare schneiden ließ." Andererseits habe man niemanden wegen Unpünktlichkeit oder anderen Versäumnissen verurteilen können: "Die Leute kamen zum Teil zwei Stunden zu Fuß zur Arbeit. Dass sind Tatsachen, für die man Verständnis haben muss."

Lesen Sie hier den zweiten Teil »

 

nach oben