17.04.2015 — Online-Redaktion Verlag Dashöfer. Quelle: Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen e.V..
"Diese Forderung klingt wohlfeil und drückt vor allem Hilflosigkeit im Umgang mit nicht zu kontrollierenden Situationen aus", erklärt BDP-Präsident Prof. Michael Krämer. "Berufsverbote bergen das große Risiko, dass Depressionen und andere psychische Erkrankungen noch stärker verheimlicht werden und daher die Chance der Heilung durch eine verfügbare und wirksame Therapie sinkt."
Deshalb fordert der Verband, dass statt uneffektiven Maßnahmen wie der Forderung nach Berufsverboten endlich die psychotherapeutische Versorgung in ausreichendem Maße sichergestellt wird.
Der Bayrische Innenminister Joachim Herrmann hatte im Nachtmagazin der ARD ein Berufsverbot für Menschen mit Depressionen gefordert. Das Magazin Fokus hat hierzu eine Umfrage durchgeführt.
Dazu nimmt der BDP Stellung: Den Menschen, die in verantwortungsvollen Berufen tätig sind, pauschal ein Berufsverbot bei Vorliegen einer Depression erteilen zu wollen, wirft viel mehr Probleme auf, als es löst. Warum?
Grundsätzlich muss man darauf hinweisen, dass bei sehr seltenen Erkrankungen schon aus methodischen Gründen die Vorhersagekraft von jeglicher körperlichen oder psychischen Diagnostik Grenzen hat und keine sehr sicheren Ergebnisse liefern kann.
Ein Berufsverbot für Depressive in den genannten Berufsgruppen würde daher unweigerlich dazu führen, dass eine hohe Zahl von Angehörigen dieser Berufe – Lokführer, Berufskraftfahrer, Busfahrer, Straßenbahnfahrer und nicht zuletzt Piloten – von einer Berufsausübung ausgeschlossen würden, die weder für sich noch für andere ein Risiko darstellen. Ihre berufliche Existenz wäre damit jedoch zerstört.
Analog dazu müsste man dann wahrscheinlich auch für alle Angehörigen dieser Berufsgruppen, die im Verlauf ihres Lebens einmal unter einer Herz- / Kreislauferkrankung gelitten haben, ein Berufsverbot aussprechen, weil ja das Risiko bestehen könnte, dass sie im Rahmen ihrer Berufsausübung einen Herzinfarkt erleiden und dann die ihnen anvertrauten Passagiere in einen Unfall verwickeln könnten. Ähnliches könnte dann für Menschen mit Diabetes gelten, denen eine Unterzuckerung drohen könnte.
Eine weitere Frage, die zu stellen wäre, betrifft die Definition der Gruppe der verantwortungsvollen Berufe: Handelt es sich hier nur um die in der aktuellen Situation wahrscheinlich im Fokus gesehenen Piloten und ähnliche Berufe wie die genannten Berufskraftfahrer etc.? Oder sind dabei vielleicht auch Berufsgruppen gemeint wie Ärzte, Politiker, Aufsichtsräte – alles Menschen, die bei ihrer beruflichen Tätigkeit häufig auch eine große Verantwortung tragen und Entscheidungen treffen, die für den Einzelnen, einzelne Gruppen oder die gesamte Gesellschaft sehr weitreichende Folgen haben. Brauchen wir in diesen Bereichen etwa auch entsprechende Berufsverbote? Oder müssen wir nicht als Individuen bzw. als Gesellschaft akzeptieren, dass Vertreter auch dieser Berufsgruppen bei ihrer Tätigkeit ggf. durch psychische Störungen oder Belastungen beeinträchtigt sein können.
Viele der von Depression Betroffenen erhalten lange keine adäquate Behandlung. Der Leidensdruck ist enorm - gerade wenn die Störung unerkannt und unbehandelt bleibt. Hier gilt es anzusetzen!
Hintergrundinformationen zur psychotherapeutischen Versorgung in Deutschland gibt es in diesem Interview mit Prof. Dr. Frank Jacobi: www.report-psychologie.de/fileadmin/user_upload/Thema_des_Monats/1-15_Jacobi.pdf