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BGH zu Kundenbewertungen im Internet

01.07.2016  — Rolf Becker.  Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.

Die Meinung anderer Kunden ist heute ein wesentliches Kriterium für eine Kaufentscheidung. Eigenen Bewertungssystemen der Händler begegnen die Verbraucher mit Vorsicht. Anders sieht es bei neutralen Kundenbewertungssystemen aus. Rechtsanwalt Rolf Becker, Partner bei Wienke & Becker – Köln, erläutert, warum Händler bei der Nutzung solcher Systeme jetzt rechtssicherer agieren können.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich mit Kundenbewertungsystemen im Internet beschäftigt. Das Ergebnis:

Wer im Internet mit "garantiert echten Meinungen" wirbt, muss deutlich darüber aufklären, dass ein zwischen Unternehmen und Kunden vorgesehenes Schlichtungsverfahren die Berücksichtigung negativer und neutraler Anbieterbewertungen einschränken kann. (BGH, Urteil vom 21. Januar 2016 - I ZR 252/14)

Das Urteil setzt einen nur vorläufigen Schlusspunkt zu einer Abmahnungsserie, die ein Unternehmen aus der Druckereibranche vor Jahren gestartet hatte. Der Autor dieser Zeilen hat eine Reihe von solchen Verfahren betreut. Abgemahnt wurden Händler, die mit Kundenbewertungen unterschiedlicher Anbieter solcher Systeme warben. Im konkreten Fall ging es um das System von eKomi. Der betroffene Händler warb für seine Produkte und Leistungen auf seiner Seite folgendermaßen:

Kundenbewertung 4,8/5
(…)
Garantiert echte Meinungen
Kundenauszeichnung e.

Nach dem System von eKomi wurden positive Bewertungen sofort freigeschaltet, während neutrale und negative Anbieterbewertungen jedenfalls nach den Richtlinien zunächst durch einen Kundenmeinungsmanager von EKOMI einer intensiven Prüfung unterzogen wurden. Ohne Schlichtungsverfahren wurden diese neutralen oder negativen Meinungen veröffentlicht. In dem Schlichtungsverfahren konnten der Händler und der Kunde jederzeit die Entscheidung eines Kundenmeinungsmanagers anfordern, ob die Bewertung veröffentlicht werden sollte oder nicht. Der Kunde konnte seine Bewertung wieder zurückziehen. Äußerte sich der Kunde nicht im Schlichtungsverfahren, wurde die Mahnung nach den Richtlinien nicht veröffentlicht.

Geschönte Bewertungen sind irreführend

Das OLG Düsseldorf hatte die Werbung mit Kundenmeinungen, die unter einer solchen Regelung zustande gekommen waren, untersagt. Die Werbung damit sei irreführend, da der Durchschnittswert geschönt sei, denn negative Meinungen fließen durch das Verfahren überdurchschnittlich nicht in die Note ein. Es handele sich nicht um eine neutrale Darstellung. Für die Richter des OLG Düsseldorf war es auch unerheblich, ob überhaupt negative Bewertungen vorlagen. Schon der Umstand, dass das Schlichtungsverfahren vorgesehen war, habe die Kunden davon abgehalten, negative Bewertungen abzugeben.

Verbraucher-Abschreckung allenfalls bei Kenntnis

Diese Entscheidung hob der Bundesgerichtshof jetzt auf. Er verwies allerdings das Verfahren zurück zum OLG zur weiteren Aufklärung. Jedenfalls auf der bekannten Tatsachenbasis reichte dem BGH der denkbare Abschreckungseffekt des Schlichtungsverfahrens nicht aus, um eine Irreführung zu begründen. Generell hält der BGH offenbar durchaus Bewertungsrichtlinien für geeignet, möglicherweise einen Kunden von negativen Bewertung abzuhalten. Allerdings könne eine Abschreckungswirkung nicht ohne weiteres angenommen werden.

Die Annahme eines solchen, das Berufungsurteil allein tragenden Abschreckungseffekts des Schlichtungsverfahrens erweist sich indes auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen als erfahrungswidrig.

Zwar wird eine negative Kundenmeinung nach den Bewertungsrichtlinien nicht veröffentlicht, wenn der Kunde nicht an einem von der Beklagten eingeleiteten Schlichtungsverfahren teilnimmt und sich völlig passiv verhält. Aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden ist auch die tatrichterliche Würdigung des Berufungsgerichts, Kunden könnten sich von der Abgabe einer negativen Bewertung abschrecken lassen, wenn sie nur veröffentlicht wird, falls sie zuvor erfolgreich in einem Schlichtungsverfahren verteidigt worden ist. Das Berufungsgericht hat aber keine Feststellungen dazu getroffen, ob die Bewertungsrichtlinien der Streithelferin von den Kunden der Beklagten vor Abgabe einer Bewertung zur Kenntnis genommen werden können und ob damit zu rechnen ist, dass Kunden von ihnen tatsächlich Kenntnis nehmen.

Die Richter kritisierten insbesondere, das OLG habe keine Feststellungen dazu getroffen, ob die bewertenden Kunden überhaupt die Richtlinien wahrgenommen hätten. Es sei auch ungeklärt, ob die Kunden nach den Richtlinien selbstständig recherchiert hätten.

Zudem war für den BGH der Umstand interessant, ob im Zeitpunkt der Abmahnung negative Bewertung vorlagen oder, ob die Beklagte tatsächlich Meinungen, wie behauptet, sofort berücksichtigt hatte.

Fazit

Der BGH hält offenbar den Verbraucher für nicht so leicht abschreckbar. Das Verfahren geht in eine weitere Runde. Anbieter neutraler Kundenbewertungssysteme können allerdings noch nicht vollständig aufatmen. Verfahrensregelungen in Kundenbewertungssystemen, bei denen Verbraucher sich mit einem Schlichtungs­verfahren konfrontiert sehen, könnten durchaus dazu führen, dass sie sich von der Abgabe negativer Meinungen abschrecken lassen. Das Problem ist also nicht ganz aus der Welt. Möglicherweise wird das Verfahren nach Rückverweisung still beerdigt, weil sich nicht feststellen lässt, ob die Kunden überhaupt Kenntnis von den Richtlinien nehmen konnten. Falsch war die Ansicht des OLG Düsseldorf in jedem Fall, wonach es nicht darauf ankommen sollte, ob überhaupt negative Bewertungen vorlagen. Händler können aufgrund der strengeren Anforderungen des BGH ab sofort leichteren Herzens Kundenbewertungssysteme nutzen.


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