25.07.2014 — Martina Morf-Koller. Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.
Liebe Leserin, lieber Leser,
es ist schon ziemlich lange her, dass der Brite Donald Watson die Menschheit mit dem Begriff „vegan“ beglückte, als er mit ein paar Kumpels die Vegan Society gründete, um fortan ethisch korrekt zu essen. Weil nämlich selbst Ei und Milch, die damals der geneigte Ovo-Lacto-Vegetarier noch verspeiste, dem Veganer Watson nicht mehr auf den Teller kamen. Schon zum Ende des 19. Jahrhunderts wurde unter Vegetariern heftig debattiert, ob man einen Verzehr von Milchprodukten und Eiern moralisch vertreten könne. Denn auch für diese Produkte würden schließlich Tiere ausgebeutet. Dreißig Jahre nach dem ersten Weltvegantag (seit 1994 immer am 1. November) rollt wieder eine vegane Welle auf uns zu. Kein Wunder nach all den Berichten über die Zustände bei Massentierhaltung, über Fleischskandale oder vergiftete Ölabfälle und Antibiotika im Tierfutter.
Und schwimmen Sie schon mit oder sind Sie „bloß“ Vegetarier? Was für den einen lediglich einen alternativen Ernährungs-Modetrend für gutsituierte Doppelverdiener darstellt, ist für den anderen Lebensmotto bis hin zur Vermeidung von Lederschuhen und Daunenkissen. Nichts wird so schön kontrovers diskutiert wie unser täglich Brot. Aber aufgepasst, selbsternannte Experten verwöhnen uns gern mit Halbwissen zu dieser Ernährungsform in den Medien. Da ist es manchmal schwer, den Überblick zu behalten. Überall sprießen vegane Fertigprodukte wie Steinpilze aus dem Boden, mit zum Teil ebensolchen Preisen. So kann ein veganes Steak aus Seitan (Weizeneiweiß) mehr kosten als das klassische Stück Rind. Und der übermäßige Griff zu veganen Gummibärchen kann preislich zur Herausforderung werden.
Wer so voll und ganz vegan leben möchte, muss sich gut informieren und viel mit Ernährung beschäftigen. Zunächst sollte man wissen, dass es bis dato noch keine rechtsverbindliche Kennzeichnung für vegane Lebensmittel gibt. Die Bundesregierung geht davon aus, dass schließlich jeder auf der Zutatenliste lesen könne (zur Not eben manchmal mit Lupe), was im Produkt enthalten sei, und hat deshalb eine entsprechende Initiative des Bundesrates abgelehnt. Auch rechtfertige ein rein ethischer Verzicht auf tierische Produkte den Aufwand eines Rechtsetzungsvorschlags noch lange nicht. So ist man auch in der EU noch nicht weiter. Es gibt allerdings ein Siegel der Europäischen Vegetarier-Union, welches manche Hersteller auf ihren Produkten zur Kennzeichnung verwenden.
Und auf jeden Fall ist auch veganes Convenience-Food niemals naturrein. Tofu oder Seitan haben wenig Eigengeschmack und werden dementsprechend gewürzt und aromatisiert. Was da zum Einsatz kommt, kann manchmal mit einem Chemiebaukasten locker mithalten. Einige dieser Aroma- und Zusatzstoffe in Lebensmitteln werden mithilfe tierischer Produkte hergestellt. (Und das steht natürlich nicht auf der Packung. Man kann froh sein, dass der Zusatzstoff überhaupt angegeben ist.)
Neueinsteiger sollten sich genau überlegen, ob sie einfach auf „Tierisches“ verzichten und gut ist - oder ob sie auch auf Nachhaltigkeit und regionale Produkte achten wollen. Dann nämlich sind Grünkohlchips aus USA ein „No-Go“, auch wenn sie als gesund angepriesen werden. Denn sie haben schon tausende Kilometer hinter sich gebracht. Und vielleicht macht es auch Sinn, sich vorher detailliert mit Nährstoffen und Vitaminen auseinanderzusetzen. Als Veganer sollte ich ziemlich vielseitig essen, um mich wirklich mit allem Wichtigen zu versorgen. Wer nur zwei Gemüsesorten mag, Tofu doof findet und auch sonst gern Unbekanntes ablehnt, für den eignet sich das Ganze eher nicht so. Wer offen für Neues ist und etwas Zeit investiert, kann auch mit schmalem Geldbeutel und ohne Superfood-Produkte gut vegan leben. Wer so weit nicht gleich gehen mag, kann einfach mal einen veganen Tag in der Woche einlegen (ein Flexitarier werden) und so an der Philosophie teilhaben. Und nebenbei durch den Verzicht etwas für Tiere bewirken.
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