24.06.2014 — Hans Dashöfer. Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.
In den nächsten drei bis fünf Jahren verlassen in Deutschland ca. 25 % der Experten ihre Unternehmen durch Ruhestand, Mutterschaft, Beförderung oder Firmenwechsel. Hinzu kommen die altersbedingten Inhaberwechsel bei Familienunternehmen. Das unternehmensrelevante Wissen eines jeden Arbeitsplatzes steckt in den Köpfen der Mitarbeiter. Und wenn einer geht, geht das Wissen auch. Und der Umsatz dieses Arbeitsplatzes auch.
Daher gilt es schnellstmöglichst den geeigneten Nachfolger zu finden und für den effizienten Transfer von erfolgskritischem Wissen zu sorgen, damit dieser Arbeitsplatz schnell wieder ähnlichen Umsatz generiert.
Aber meistens handelt es sich weniger um Fachwissen, sondern um Erfahrungswissen, wie Handlungs- und Anwendungswissen, Netzwerk- und Wertewissen, das nirgendwo dokumentiert und oft unersetzlich ist.
Ein gewaltiger Aderlass an Know-how für jedes Unternehmen und ein Verlust an Effizienz und Umsatz ist die Folge. Obwohl diese Wissensverluste ständig und immer wieder in allen Abteilungen eines Unternehmens vorkommen, fühlen sich Management und Personalabteilung oft eher überrascht und unvorbereitet in dieser Situation.
Die Übergabe von Know-how darf nicht dem Zufall oder der Eigeninitiative einzelner Vorgesetzter überlassen werden. Es fehlt oft eine systematische Identifikation, praktische Methoden und Hilfestellungen zur Messung, Erfassung und Steuerung von Erfahrungswissen der entsprechenden Experten und „Hidden Experts“.
Wer und wo sind in einem Unternehmen die sogenannten Experten, die oft unerkannt über erfolgskritisches Unternehmenswissen verfügen? Hier einige Beispiele aus der Praxis:
Schnell wird an diesen Beispielen deutlich, dass überall im Unternehmen unternehmensrelevantes Wissen entstehen kann, das aber unsichtbar ist - und Experten (Hidden Experts) daher oft unerkannt bleiben.
In allen Fällen des Leaving Expert droht unmittelbarer Wissensverlust für das Unternehmen.
Arbeitsplatz-relevantes Erfahrungswissen ist nur schwer zugänglich, da es sich meist um prozedurales Wissen und Fertigkeiten handelt. Oft sind seine Fähigkeiten selbst dem Experten nicht einmal bewusst, sondern werden unbewusst genutzt. Man spricht hier auch von „Tacit Knowledge“ als Synonym für implizites Erfahrungswissen.
Klassisches Beispiel ist hier das Fahrradfahren. Das kann man zwar abstrakt erklären, aber damit lernt bzw. kann man es noch lange nicht. Das kennt jeder Vater, der versucht, es seinem Kinde erstmals beizubringen. Und Tage später radelt es dann wie ein Weltmeister, dass einem die Haare zu Berge stehen, insbesondere wenn es ungerührt jede rote Ampel mit Nichtachtung straft.
Ein anderes Beispiel dafür ist der Patron eines Olivenöl-Herstellers, dem ein Blick, Geruch und ein Tropfen auf der Zunge genügt, um sicher die Qualität einzuschätzen. Dem akademischen Junior bleibt es ein Rätsel.
Oder der erfahrene Projektmanager, der in der Lage ist, selbst jahrelang verfahrene Projekte im Ausland nach einiger Zeit wie gewohnt erfolgreich zu Ende zu bringen. Was ist das für ein Erfahrungswissen, das einen Experten dazu befähigt, immer die richtigen Entscheidungen in egal welchen Projekten mit egal welchen Teams zu treffen? Natürlich wird dieser Mann von der Geschäftsleitung immer gerufen, wenn es schief geht. Aber was ist sein spezifisches Wissen?
Übrigens, falls sie so jemanden kennen sollten: So einen Typen könnten wir hier gerade in Hamburg für unsere Oper und für die Jungs in Berlin mit ihrem Flughafen gebrauchen.
In der IT hatten wir mal einen (externen) Projektleiter, der ein jahrelanges Projekt, verteilt in mehreren Ländern, endlich zum Laufen brachte. Der Mann hat nicht eine Zeile Code geschrieben, aber den Code gelesen, einmal täglich telefoniert und Tagesaufgaben verteilt. Was für ein Wissen war sein Geheimnis?
Oder im Bereich Recht & Steuern gibt es den einen, der ewig an der steuerrechtlichen Unternehmenskonstruktion herumdoktert, um nach einer mentalen Sturzgeburt gleich im ersten Jahr von der Betriebsprüfung weidwund abgeschossen zu werden, während der andere beim Essen, noch bevor der Sachverhalt zu Ende erzählt ist, schon die Konstruktion auf den Bierdeckel gepinselt hat, die dann jahrelang eisenhart Bestand in jeder Betriebsprüfung hat. Wie kann man dieses Erfahrungswissen eingrenzen und transferieren?
Natürlich wissen wir alle auch, dass Wissen veraltet, aber welches denn?
Es gilt
In der Praxis anerkannte Methoden und Hilfsmittel, wie Tandem, Video Annotation etc., die Vermeidung von Motivationsproblemen beim Experten oder seinem Nachfolger, sowie wertvolle Lösungsvorschläge zum erfolgreichen Wissenstransfer haben wir in einem eintägigen Praxisseminar im Überblick dargestellt.
Zur Vertiefung des Themas empfehle ich Ihnen das Buch: Wissenstransfer bei Fach– und Führungskräften von Christine Erlach, Wolfgang Orians, Ulrike Reisach, 2013, Carl Hanser Verlag, München.