08.10.2019 — Matthias Wermke. Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.
Und so ist der Heuschnupfen eine besonders zynische Form der Allergie: Während um einen herum das Leben erwacht, alles grünt und blüht, beginnt für die Betroffenen die Zeit des großen Leidens – für manche sogar den kompletten Frühling und Sommer hindurch. Dass man dadurch an der Gerechtigkeit des Schicksals zu zweifeln anfängt und mitunter emotional werden kann, ist nur nachvollziehbar.
Unter den Hammer des Bundesgerichtshofes kam nun ein Fall, in dem ein solches Hadern mit sich selbst und seiner Umwelt dazu führte, dass ein Grundstückseigentümer mit mindestens einem der oben genannten Symptome seinen Nachbarn wegen dessen Bepflanzung verklagte.
Ausgangspunkt der Aufregung waren drei ungefähr 18 Meter hohe Birken, die mit mindestens 2 Metern Abstand zu der Grundstücksgrenze stehen und von dort aus gesund und heiter den Regeln der Jahreszeiten folgen. Das heißt vereinfacht gesagt: Im Herbst die Blätter verlieren, im Winter kahl rumstehen, im Frühling knospen und im Sommer dann blühen. Das schließt natürlich etwas ein, das als natürliche Immission bezeichnet werden kann. Das heißt: Pollenflug und Heraus- bzw. Herabfallen der Samen, Früchte, Zapfen sowie des Laubs.
Für die einen mag das zum normalen Kreislauf der Natur gehören, der die Jahreszeiten begleitet und sie schmückt. Für die anderen aber stellt das Ganze ein nicht hinnehmbares Ärgernis dar, das derart unerträglich ist, dass keine andere Möglichkeit gesehen wird, als die Entfernung der Bäume und hilfsweise eine monatliche Zahlung von 230 € von Juni bis November einzuklagen und damit bis vor den Bundesgerichtshof zu gehen.
So hatte die Klage zunächst im Amtsgericht von Maulbronn (bei Pfortzheim (bei Stuttgart)) keinen Erfolg und wurde dann dem Landgericht in Karlsruhe vorgetragen, durch dessen Beschluss der beklagte Nachbar die Birken tatsächlich zu entfernen hatte. Letzterer ging jedoch schließlich vor dem Bundesgerichtshof in Revision, der die Klage zurückwies und das Urteil des ehrwürdigen Maulbronner Amtsgericht wiederherstellte.
Doch wie kam man zu diesem Beschluss? Für den Beseitigungsanspruch gemäß § 1004 Abs. 1 BGB reicht die alleinige Tatsache nicht aus, dass das Grundstück, von dem die Immissionen ausgehen, Eigentum des Beklagten ist. Wenn er das Grundstück nicht ordnungsgemäß bewirtschaften würde, sagen wir, die Birken mit Diesel gießen würde, der dann, statt in das Erdreich einzuziehen, in den Garten des Grundstücks des Klägers abliefe, wäre das sicher diskussionswürdig. So ist der Beklagte jedoch nicht für die durch Naturereignisse ausgelösten Störungen verantwortlich zu machen. Die Klage hätte Bestand, würde der Abstand der Pflanzen zum Nachbarsgrundstück nicht eingehalten. Dieser wurde in dem vorliegenden Fall jedoch eingehalten.
Für die Zukunft heißt es für den Kläger nun also, sich mit dem Lauf der Dinge zu arrangieren. Ihm bleibt zu wünschen, dass er bei der Gelegenheit die Schönheit der Natur zu schätzen lernt und womöglich eine Hyposensibilisierung erwägt.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 20.09.2019 - V ZR 218/18. BGH, PM 123/19
Bild: analogicus (Pixabay, Pixabay License)
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