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Scheinselbständigkeit: Wo stehen wir und wo kann es hingehen?

27.08.2018  — Online-Redaktion Verlag Dashöfer.  Quelle: Dachgesellschaft Deutsches Interim Management e.V..

Status quo und praktische Handhabungen und Handlungsempfehlungen: Das Thema Scheinselbständigkeit ist und bleibt auch für Interim Manager und andere Dienstleister ein Thema. Im Folgenden wird zunächst der status quo skizziert. Anschließend wird auf teilweise praktische Handhabungen und Handlungsempfehlungen eingegangen.

Wo stehen wir?

Im Rahmen der AÜG-Reform wurde der Arbeitnehmerbetriff arbeitsrechtlich erstmals legaldefiniert. Die Vorschrift des § 611a Abs. 1 BGB lautet wie folgt:

„Durch den Arbeitsvertrag wird der Arbeitnehmer im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet. Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit und Ort der Tätigkeit betreffen. Weisungsgebunden ist, wer nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Der Grad der persönlichen Abhängigkeit hängt dabei auch von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit ab. Für die Feststellung, ob ein Arbeitsvertrag vorliegt, ist eine Gesamtbetrachtung aller Umstände vorzunehmen. Zeigt die tatsächliche Durchführung des Vertragsverhältnisses, dass es sich um ein Arbeitsverhältnis handelt, kommt es auf die Bezeichnung im Vertrag nicht an.“

Letztendlich ist dies keine neue Erfindung des Gesetzgebers, sondern mehr oder minder eine Zusammenfassung dessen, was Rechtsprechung und die juristische Literatur bereits entwickelt haben. Vereinfacht ausgedrückt müssen die oben aufgeführten Kriterien eingehalten werden, wenn man Arbeitnehmer sein will – oder auch nicht, wenn man kein Arbeitnehmer sein will, was bei Interim Managern ganz überwiegend der Fall ist. Es ist stets eine Frage des Einzelfalls, da die Gesamtwürdigung aller Umstände zählt, so dass man zwar im Rahmen der Gestaltung alles so zu gestalten versuchen kann, dass es „passt“, letztendlich im Streitfall jedoch auf die Bewertung durch das jeweilige Gericht angewiesen ist. Entscheidend ist die tatsächliche Handhabung und nicht allein das, was im Vertrag steht.

Wenn man diese „Spielregeln“ einhält, also sowohl im Hinblick auf die Vertragsgestaltung als auch die tatsächliche Handhabung, sollte man auch auf der sicheren Seite sein, was selbstverständlich auch für das Interim Management gilt. Denn dieser Punkt war Bestandteil der Diskussionen im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens und wurde genau so berücksichtigt, wie es das Gesetz wiedergibt.

Damit das Ganze aber nicht zu einfach wird, muss man bedenken, dass sich das Thema nicht nur Konsequenzen für das Arbeitsrecht, sondern auch für das Sozialrecht und das Steuerrecht hat. Dabei ist das Sozialrecht aufgrund der für Arbeitnehmer abzuführenden Sozialversicherungsbeiträge häufig der „neuralgische Punkt“, gerade aus Unternehmenssicht.

Neuere sozialgerichtliche Rechtsprechung

Die Rechtsprechung der Sozialgerichte in der letzten Zeit ist – was in der Natur der Sache liegt – einzelfallbezogen und kommt dementsprechend zu unterschiedlichen fallbezogenen Entscheidungen, bei denen die abhängige Beschäftigung mal bejaht, mal verneint wurde. Deshalb erfolgt hier eine Beschränkung auf exemplarische Entscheidungen.

Die bekannteste Entscheidung ist das Urteil des Bundessozialgericht vom 31.03.2017 (BeckRS 2017, 11418). Dort hat das Bundessozialgericht die Honorarhöhe als gewichtiges Indiz für eine Selbständigkeit gewertet und im entschiedenen Fall eine abhängige Beschäftigung abgelehnt.

Demgegenüber hat das Landessozialgericht Niedersachen-Bremen (BeckRS 2018, 11655) in dem dor-tigen Fall – es ging um einen Kaufhausdetektiv mit recht geringem Einkommen – eine abhängige Beschäftigung bejaht. Dabei hat es folgenden Leitsatz aufgestellt:

„Auch soweit ein im Vergleich zu anderen Arbeitnehmern höheres und hinreichenden Raum für Eigenvorsorge eröffnetes Entgelt im Rahmen der gebotenen Gesamtwürdigung eine Indizwirkung für eine selbständige Tätigkeit aufweisen kann, fällt deren Relevanz umso geringer aus, je niedriger das jeweilige Gesamtentgeltniveau ist.“

Zu Ablehnung einer Versicherungspflicht kam das Landessozialgericht Saarland (BeckRS 2018, 122351) im dortigen Fall. Bemerkenswert ist, dass diese Entscheidung – trotz des gleichen Sachverhaltes – von der der Arbeitsgerichte in erster und zweiter Instanz abwich.

Ferner ist noch darauf hinzuweisen, dass die Rentenversicherungsträger nach Entscheidungen des Landessozialgericht Sachsen (BeckRS 2018, 6176) und des Landessozialgericht Baden-Württemberg (Urteil vom 29.06.2017, – 10 R 592) nicht zu eigenen Ermittlungen verpflichtet sind, sondern sich auf die im Rahmen der Bekämpfung der Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung gewonnenen Ermittlungsergebnisse der Zollverwaltung beschränken können. Mithin wird die Auswertung von Funden des Zolls mit anschließendem Datentransfer zum Rentenversicherungsträger akzeptiert.

Was hat die Praxis daraus gemacht?

Zunächst einmal gab es eine gewisse Aufgeregtheit, die sich mittlerweile aber wieder gelegt zu haben scheint. Gleichwohl ist das Thema ein „Dauerbrenner“, auf den man gerade bei Vertragsanbahnungen im Interim Management immer wieder trifft.

Teils wird versucht, auf befristete Arbeitsverträge umzustellen. Dies scheitert aber häufig an zwei Punkten, die im Ergebnis identisch sind: Sowohl Interim Manager als auch Unternehmen wollen die Vorteile der selbständigen Beschäftigung eines Interim Managers auch weiterhin nutzen. Gerade Top- Interim Manager lehnen eine solche Gestaltung nahezu durchgehend ab.

Bei Einbeziehung von Providern ist vor allem ein Punkt zu erwähnen: Der Versuch einiger Provider, auf Arbeitnehmerüberlassung umzustellen. Dies kann für Unternehmen deshalb charmant sein, weil sie sich mit dem Thema nicht mehr beschäftigen müssen. Vielmehr ist dies dann Aufgabe des Providers, der bei dieser Gestaltung Arbeitgeber des Interim Managers ist. Aber auch hier sind Befristungen nicht endlos möglich, so dass auch diese Variante bezogen auf bestimmte Interim Manager irgendwann an ihre Grenzen stößt. Vor allem aber scheitert diese Variante häufig daran, dass viele Interim Manager es ablehnen, befristet Arbeitnehmer zu sein (siehe oben). Gleichwohl ist dieser Lösung eine gewisse Verbreitung nicht abzusprechen; es handelt sich aber nach diesseitiger Einschätzung noch immer um einen mehr oder minder kleinen Bereich

Was kann man tun?

Letztendlich ist es das Beste, die „Spielregeln“ einzuhalten, und zwar nicht nur bei der Vertragsgestaltung, sondern auch bei der Vertragsumsetzung. Ist man hierbei unsicher, sollte man sich insoweit an spezialisierte Rechtsanwälte wenden und sich auch an deren Empfehlungen halten. Und wer auf Nummer sicher gehen will, sollte rechtzeitig ein Statusfeststellungsverfahren einleiten, was allerdings in jedem Einzelfall – sprich: jedem einzelnen Mandat – neu erfolgen muss.

Fazit

Kurzum: Das Interim Management lebt, auch wenn es mitunter mühsam ist, sich in jedem neuen Fall wieder den gesetzlichen Herausforderungen zu stellen. Man sollte dies aber als Herausforderung sehen, die bei professioneller Handhabung regelmäßig gut zu bewältigen ist. Schließlich ist auch dies ein Qualitätsmerkmal, mit dem man sich bei der Akquise von Mandaten gut profilieren kann. Dies gilt selbstverständlich nicht nur für Interim Manager, sondern selbstverständlich auch für Provider.

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