13.06.2014 — Online-Redaktion Verlag Dashöfer. Quelle: Taylor Wessing Deutschland.
Gemäß § 1 BUrlG hat jeder Arbeitnehmer in jedem Kalenderjahr ein Recht auf bezahlten Erholungsurlaub. Dieser Anspruch ist gemäß § 13 Abs.1 S.1 BUrlG unabdingbar. Ausnahmen bestehen im laufenden Arbeitsverhältnis nur sehr wenige. Die Kürzung des Urlaubsanspruchs für die Dauer der Elternzeit dürfte dabei die größte praktische Bedeutung haben: Für diesen Fall sieht § 17 Abs. 1 S. 1 BEEG als spezialgesetzliche Regelung vor, dass der Arbeitgeber den Urlaub für jeden vollen Monat der Elternzeit um ein Zwölftel kürzen darf. Offen war jedoch bislang, ob auch die Gewährung von Sonderurlaub das Entstehen des regulären gesetzlichen Urlaubsanspruchs verhindert.
Hierfür spricht, dass - vergleichbar zur Elternzeit - die zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer getroffene Vereinbarung über den unbezahlten Sonderurlaub ebenfalls zu einem Ruhen der Hauptleistungspflichten aus dem Arbeitsverhältnis führen soll. Doch folgt hieraus auch, dass für den Zeitraum des Sonderurlaubs kein Anspruch des Arbeitnehmers auf Gewährung des gesetzlichen Erholungsurlaubs besteht?
Auf diesen Standpunkt stellte sich die im Verfahren beklagte Universitätsklinik. Eine seit August 2002 als Krankenschwester in der Einrichtung tätige Arbeitnehmerin hatte im Zeitraum vom 01. Januar 2011 bis zum 30. September 2011 unbezahlten Sonderurlaub in Anspruch genommen, bevor ihr Arbeitsverhältnis endete. Im Anschluss an die Beendigung verlangte sie die Abgeltung ihres auf das Kalenderjahr 2011 entfallenden Erholungsurlaubs in Höhe von insgesamt 15 Urlaubstagen. Sie berief sich hierbei auf die Regelung des § 7 Abs. 4 BurlG, wonach ein wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr erfüllbarer Urlaubsanspruch finanziell abzugelten ist. Die Beklagte lehnte den Anspruch unter Verweis auf ein bestehendes Kürzungsrecht ab.
Nachdem das Arbeitsgericht Berlin die Klage der Arbeitnehmerin abgewiesen hatte, gab ihr das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg Recht. Die Revision des beklagten Universitätsklinikums blieb ebenfalls unbegründet. Ein zwischen den Parteien vereinbarter Sonderurlaub, so das Bundesarbeitsgericht, könne die Entstehung des Anspruchs auf bezahlten Erholungsurlaub zu Beginn des Jahres 2011 nicht verhindern. Der Anspruch nach § 1 BUrlG setze lediglich ein bestehendes Arbeitsverhältnis sowie die einmalige Erfüllung einer gesetzlichen Wartezeit voraus. Allein die Erbringung der Hauptleistungspflichten sei nicht erforderlich. Weiterhin folge auch aus der Unabdingbarkeitsregelung der §§ 1, 13 Abs. 1 S.1 BurlG, dass dem Arbeitgeber kein Recht zur Kürzung des Erholungsurlaubes zustehe. Spezialgesetzliche Ausnahmen, die eine Kürzung bei Elternzeit (§ 17 Abs.1 S.1 BEEG) oder Wehrdienst (§ 4 Abs. 1 S.1 ArbPlSchG) zulassen, seien auf den Fall eines vereinbarten Sonderurlaubs nicht übertragbar.
Die Gewährung von unbezahltem Sonderurlaub führt lediglich dazu, dass die in einem vertraglichen Austauschverhältnis stehenden unmittelbaren Hauptleistungspflichten für die Dauer der Abwesenheit des Arbeitnehmers ruhen. Dies bedeutet, dass der Arbeitnehmer von der Erbringung seiner Arbeitsleistung wirksam freigestellt ist, während die seitens des Arbeitgebers bestehende Vergütungspflicht ebenfalls ruht. Insoweit bleibt es bei dem Grundsatz: „Kein Lohn ohne Arbeit“. An der Entstehung des gesetzlichen Urlaubsanspruchs auch für den Freistellungszeitraum ändert dies gleichwohl nichts.
Die Rechtsposition des Arbeitnehmers ist insoweit umfassend durch die gesetzlichen Unabdingbarkeitsvorschriften geschützt. Ob die Klägerin des vorliegenden Verfahrens ihr ausdrückliches Einverständnis zu einer Kürzung des Urlaubsanspruchs erklärt hatte oder nicht, ist der bislang vorliegenden Pressemitteilung des BAG zwar nicht zu entnehmen. Unabhängig hiervon müssen sich Arbeitgeber aber darauf einstellen, dass sogar ein ausdrücklicher Verzicht des Arbeitnehmers auf den während des Sonderurlaubs entstehenden gesetzlichen Urlaubsanspruchs nach § 13 Abs. 1 S. 1 BurlG unwirksam wäre. Nicht jede aus dem Arbeitsverhältnis folgende finanzielle Belastung kann damit durch eine Ruhensvereinbarung rechtssicher beseitigt werden. Etwaige hieraus folgende finanzielle Belastungen sollte der Arbeitgeber in seine Entscheidung über die Gewährung von Sonderurlaub einbeziehen.
Bundesarbeitsgericht, Entscheidung vom 6. Mai 2014 (Az.: 9 AZR 678/12)
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